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Stilkolumne mit Vincent MoissonnierDer Mantel gehört nicht über die Stuhllehne

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Vincent Moissonnier 

  1. Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  2. Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  3. Diesmal erklärt Vincent Moissonnier, warum Mäntel, Umhänge, Hüte und Taschen im Restaurant am Tisch nichts zu suchen haben.

KölnIn vielen Restaurants ist es leider zur unschönen Gewohnheit geworden, dass die Garderobe über die Stühle gehängt wird. Was halten sie davon? (Peter Hahn)

Aus Ihrer Frage wird sofort deutlich, was Sie von dem beschriebenen Umgang mit der Garderobe halten. Eine „unschöne Gewohnheit“, schreiben Sie. Als Kolumnist darf ich das noch deutlicher sagen: Es ist eine Unsitte. Mäntel, Umhänge, Hüte, Taschen – all das hat am Tisch nichts zu suchen, sondern gehört auf einen Kleiderbügel und in die Garderobe, zumindest wenn Sie ins Restaurant gehen und sich dort benehmen möchten, „comme il faut“ – wie es sich gehört. Im Brauhaus würde ich ein Auge zudrücken.

Ich habe es schon erlebt, dass Gäste einen eigenen Kleiderbügel mitgebracht haben

Gelegentlich sind die Gäste ein wenig besorgt und sagen, sie behielten ihren feinen Zwirn lieber bei sich. Aber erstens würde ich sagen: Wenn die Angst um das gute Stück so groß ist, dann sollte man Orte meiden, in denen man es ausziehen muss. Manche Menschen neigen da wirklich zur Übertreibung. Die leiden sozusagen mit ihrem Mantel. Ich habe es schon erlebt, dass Gäste einen eigenen Kleiderbügel mitgebracht haben, damit der teure Überzieher nur ja nicht schief hängt – oder gar nur am Mantelhaken.

Zweitens kann ich ängstliche Gäste beruhigen: In mehr als 30 Jahren ist bei uns noch nie etwas weggekommen. Zumindest nicht gestohlen. Vertauscht – ja, das passiert, und wer etwas anderes behauptet, der lügt.

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Die aufregendste Geschichte habe ich mit dem Literaturkritiker Denis Scheck erlebt. Er kam von einer Reise direkt zu uns ins Restaurant für ein Abendessen mit der Familie. Ich nahm ihm seinen Mantel und sein Lederköfferchen ab. Als er beides wiederhaben wollte, stellten wir fest: Ein Gast hatte Schecks Koffer mitgenommen und seinen stehengelassen. „Oh“, sagte Denis Scheck, „das ist jetzt ein bisschen dumm: Ich muss morgen früh um halb sieben nach Düsseldorf für die TV-Aufzeichnung einer Buchbesprechung. Und alles, was ich dafür brauche, ist in dem Koffer.“ – „Keine Sorge!“, antwortete ich. „Ich garantiere Ihnen: Wenn Sie morgen das Haus verlassen, steht der Koffer vor Ihrer Tür.“ Keine Ahnung, wie ich mich zu diesem Versprechen hinreißen lassen konnte. Jedenfalls war mir die Sache sehr peinlich. Ich habe die halbe Nacht hinter jedem Gast her telefoniert, der für die Verwechslung in Frage kam, und siehe da: Irgendwann hatte ich den Richtigen. Also dann: ein Taxi hinschicken, Koffer abholen und zu Denis Scheck bringen lassen. Geschafft! Et hätt eben noch immer jot jejange. So auch hier.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an:Stilkolumne@dumont.de

Um solche und ähnliche Aufregungen zu vermeiden, ein naheliegender Tipp: Nehmen Sie Handy, Schlüssel, Portemonnaie und andere Wertsachen immer aus dem Mantel, bevor Sie ihn an die Garderobe bringen.

Zur Komplettierung Ihrer Frage dann noch die Sache mit dem Jackett oder dem Blazer: Üblicherweise behält man beides während des gesamten Essens an. Auch das gehört zum „guten Stil“. Aber wenn es unter den Gästen und im Restaurant ungezwungen zugeht und Sie dann Jackett oder Blazer locker über Ihre Stuhllehne hängen, wird man Ihnen diese kleine (Nach-)Lässigkeit ohne Weiteres verzeihen. Die Zeiten, in denen der Oberkellner näselnd auf der Jackettpflicht bestand und Restaurants für alle Fälle ein paar Jacketts in diversen Größen im Schrank hängen hatten, sind sogar im „Excelsior“ am Hauptbahnhof vorbei.