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Container, Kleiderkammer, OnlineWie kann ich Kleidung fair und nachhaltig spenden?

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Die Kleidung ist ausgemistet – doch was tun mit ausrangierter Kleidung?

  • Durch die Corona-Krise verbringen wir mehr Zeit zu Hause, eine gute Gelegenheit den Kleiderschrank auszumisten. Doch viele Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser sind geschlossen – die Lager quellen über.
  • Wo man Kleidung auch in der Corona-Krise spenden kann, wann eine Kleiderspende überhaupt sinnvoll ist und was Verbraucher noch beachten sollten.
  • Vier Umwelt- und Textil-Experten erklären, welche Probleme Altkleiderspenden verursachen und wie wir unseren Kleiderschrank zukünftig ökologischer bestücken können.

Köln – 95 Kleidungsstücke (ohne Unterwäsche und Socken) hat jeder Deutsche laut einer repräsentativen Umfrage der Umweltschutzorganisation Greenpeace im Schrank – rund 18 davon werden so gut wie nie getragen. Manche nutzen die Zeit des Corona-Lockdowns dazu, den Kleiderschrank einmal auszumisten. Doch viele Sozialkaufhäuser und Kleiderkammern dürfen nicht öffnen. Das Ergebnis: die Lager quellen über, die Kleidung kann nicht in Umlauf gebracht werden, heißt es vom Deutschen Roten Kreuz. Was also tun mit den aussortierten Sachen? Vier Experten erklären, wie Altkleider sinnvoll und nachhaltig gespendet werden können und wie es gelingt, den eigenen Kleiderschrank in Zukunft nachhaltiger zu befüllen.

Wie können Verbraucher ihre Kleidung nachhaltig ausrangieren?

„Mit jedem Kleidungsstück, das wir gekauft haben, haben wir auch ein Stück Verantwortung für die verwendeten Ressourcen gekauft – bei einer Spende sollte es also nicht darum gehen, nach dem Motto 'aus den Augen, aus dem Sinn' zu handeln“, sagt Viola Wohlgemuth. Sie ist Textil-Expertin bei Greenpeace. Ihr Tipp: sich zunächst wirklich mit seiner Kleidung beschäftigen. Wer den Überblick verloren habe, sollte alle Kleider aus dem Schrank holen und überlegen, ob sich Stücke nicht neu kombinieren lassen.

„Bevor Mann oder Frau Kleider an einen Altkleiderhändler gibt, sollten die Textilien besser im Kreislauf bleiben.“ Heißt: ausrangierte Kleidung an Bekannte, Freunde oder Verwandte verschenken oder auf Online-Portalen wie zum Beispiel „Kleiderkreisel“, „Ebay-Kleinanzeigen“ oder „Nebenan.de“ verkaufen. Wenn die Corona-Krise vorbei ist, geht dies auch bei Flohmärkten, Secondhandläden oder Kleidertauschpartys.

Wo kann ich Kleidung während der Corona-Krise spenden?

Wer ausrangierte, saubere und tragbare Textilien oder Schuhe spenden möchte, hat es in Zeiten der Corona-Pandemie etwas schwerer als sonst. Thomas Ahlmann ist Geschäftsführer des Dachverbandes „FairWertung“, ein Zusammenschluss von über 130 gemeinnützigen Altkleider-Sammel-Organisationen. Er appelliert: „Wer etwas spenden möchte, sollte sich vorher bei der Organisation informieren, ob man momentan überhaupt etwas abgeben kann und was gegebenenfalls aktuell benötigt wird.“ Bei Altkleider-Containern sollten Säcke nie neben einen Container gestellt werden. Das Deutsche Rote Kreuz bittet auch darum, die Kleidercontainer nicht zu überfüllen. Kleidung sollte dann besser zu Hause aufbewahrt und gespendet werden, wenn die Krise vorbei ist.

Kleider kann man dann zum Beispiel bei Kleiderkammern der Caritas, des Deutschen Roten Kreuzes oder der Heilsarmee abgeben oder bei Sozialkaufhäusern der Diakonie oder Caritas. Auch soziale Einrichtungen wie Kirchen, Flüchtlings- und Obdachlosenhilfen oder die Secondhandläden der NGO Oxfam nehmen Sachspenden an. Eine bundesweite Übersicht gibt es bei „Wohin damit?“  oder über Fairwertung. An die Kleiderstiftung kann man vor Ort oder per Paket (kostenlos) spenden.

Was passiert mit meiner Kleiderspende?

  • Im Altkleider-Container:
  • Im Sozialkaufhaus oder der Kleiderkammer:
  • In Sammelboxen von Modeketten:

Warum wird meine gespendete Kleidung verkauft?

Das grundsätzliche Problem der Textilbranche sei, dass sie nicht auf Langlebigkeit und Nachhaltigkeit aufgebaut sei, sagt Altkleiderexperte Friedel Hütz-Adams vom Südwind Institut. „Die Kleiderspende dient oft dazu, das Gewissen zu beruhigen – und sich dann wieder etwas Neues zu kaufen.“ Die Altkleidersammlung habe vor wenigen Jahrzehnten tatsächlich noch den Zweck gehabt, Bedürftige mit Kleidung zu versorgen.

Irgendwann gab es aber mehr ausrangierte Kleider als Bedürftige. Damit habe der Weiterkauf begonnen. „Um ihre Kosten decken zu können, sind Altkleiderhändler gezwungen, ihre Waren an den Meistbietenden zu verkaufen. Spender hingegen wollen, dass besonders gute Stücke an Bedürftige gehen – diese allerdings landen in Secondhandläden in Deutschland“, sagt Hütz-Adams. Für die Ärmsten bleibe nur die Ramschware übrig, wenn sie sich diese leisten können.

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Pro Jahr landen rund 1,5 Millionen Tonnen Textilien allein in den Altkleider-Containern in Deutschland, sagt Nebel. „Das ist eine Lkw-Schlange von Flensburg bis Salzburg voll mit Textilien. Das ist ein Vielfaches davon, was wir in Deutschland für karitative Zwecke brauchen“, erklärt Ahlmann. Alle vier Experten sehen ein Problem in der sinkenden Qualität der Kleidung.

Die Textilien werden für den schnellen Konsum hergestellt – das hat auch Auswirkungen auf die Altkleidersammlungen: „Das heißt, der Anteil an wiederverwendbarer Kleidung sinkt. Fast-Fashion-Teile, die günstig eingekauft werden, geraten nach ein paar Mal waschen aus der Form oder der Stoff ist verschlissen. Als Spende können solche Kleidungsstücke nicht weiter genutzt werden, weil sie für niemanden mehr tragbar sind. Es ist insgesamt eine unheimliche Verschwendung an Ressourcen“, erklärt Ahlmann.

Was sind die Folgen der Spende von unzähligen Altkleidern in minderer Qualität?

Weniger als 40 Prozent der gespendeten Textilien können weiterverkauft werden. Circa zwei Prozent der Altkleider werden auf dem Secondhand-Markt in Deutschland verkauft, sagt Nebel. Ein Teil wird downgecycelt und zu Dämmmaterial oder Putzlappen verarbeitet. Problematisch: Die Qualität der Kleidung ist inzwischen so schlecht (sie besteht aus synthetischen Materialmixen und ist mit wasserabweisenden Chemikalien ausgerüstet), dass sie nicht mal mehr als Putzlappen taugt. Viele Kleidungsstücke werden deshalb verbrannt – womit die unzähligen aufgewendeten Ressourcen komplett verschwendet sind, wissen die Experten Kai Nebel und Viola Wohlgemuth.

Wir haben so viele Altkleider, dass wir sie in die ganze Welt exportieren – Südamerika, Osteuropa, Asien oder Afrika. Die Spenden sind für einige afrikanische Länder ein Problem, sagt Hütz-Adams. Unter anderem durch die vielen Altkleiderspenden ist die heimische Textilindustrie in vielen Ländern weitgehend zum Erliegen gekommen. Afrikanische Länder seien dadurch stärker von anderen Ländern abhängig, es existiert kein Binnenmarkt für heimische Produzenten – es schade der wirtschaftlichen Entwicklung der Staaten, sagt der Experte. Ahlmann hingegen sagt, dass die Nachfrage nach Altkleidern aus Afrika komme und Neuware aus Asien die größere Konkurrenz für afrikanische Textilproduzenten sei. 

Wie kann ich meinen Kleiderschrank ökologischer machen?

Die Kleidung, die im Kleiderschrank hängt, wirklich zu tragen und möglichst lange zu nutzen, ist die nachhaltigste Variante, erklären Viola Wohlgemuth und Kai Nebel. „Das nachhaltigste Kleidungsstück ist immer das, was nicht neu produziert werden muss“, sagt Wohlgemuth. Ihre Empfehlung deshalb: Secondhand-Kleidung kaufen, tauschen oder Kleidung leihen.

Wer etwas neu kauft, sollte auf fair und nachhaltig produzierte Textilien setzen. Siegel können bei der Orientierung helfen – Greenpeace empfiehlt IVN Best, GOTS und Made in Green. „Wenn es geht, sollten neue Kleidungsstücke aus Naturfasern sein, denn synthetische Materialen basieren auf Erdöl und bei jedem Waschgang landen Plastikfasern in den Gewässern – bei einer Fleecejacke werden pro Waschgang 600.000 Teilchen Mikroplastik freigesetzt“, erklärt Wohlgemuth.

Wer sich einen neuen Pulli oder eine neue Jacke kauft, sollte auf Qualität achten und bei kleinen, nachhaltigen Labels kaufen, die regional produzieren, rät Nebel. Er empfiehlt, nicht mit den Trends mitzugehen, sondern besser auf zeitlose Kleidung zu setzen. Der Schlüssel: Bewusster und weniger kaufen. Man sollte nicht die Macht des Konsumenten unterschätzen. Gleich viele Fair-Fashion – wie Fast-Fashion-Kleidungsstücke zu kaufen, ergebe keinen Sinn.

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