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Ketten und Alarmsysteme für OlivenölDiebesbanden in Spanien fokussieren sich auf das „flüssige Gold“

Lesezeit 3 Minuten
Olivenöl und Oliven stehen auf einem Tisch.

Olivenöl ist in Spanien rasant teurer geworden.

Die kriminelle Aktivität um den begehrten Rohstoff Olivenöl steigt in Spanien alarmierend an. Die Preise sind jüngst regelrecht explodiert.

Gesichert mit Ketten, Alarmsystemen oder verschlossen in einer Vitrine: Spaniens Supermärkte greifen neuerdings zu drastischen Schritten, um Olivenöl vor Langfingern zu schützen. Die Preise für das Pflanzenöl sind explodiert – es ist zum Luxusgut geworden. Mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Ladendiebstähle auf Rekordhöhe stieg.

Ob für den Salat, zum Verfeinern der kalten Gemüsesuppe Gazpacho oder für das Reisgericht Paella – Olivenöl ist in Spaniens Küche unverzichtbar. Doch die anhaltende Dürre im wichtigsten spanischen Anbaugebiet, im südspanischen Andalusien, hat die Ernten extrem reduziert und den Marktwert des Öls mehr als verdoppelt. Statt vier Euro, wie noch vor zwei Jahren, kostet der Liter heute mindestens 10 Euro. Für die höchste Qualitätsstufe werden sogar bis zu 20 Euro fällig.

Diebesbanden fokussieren sich auf „flüssiges Gold“

Mehr als die Hälfte der spanischen Familien hat Probleme, mit ihrem Geld auszukommen, berichtete dieser Tage die Verbraucherorganisation OCU. Das hat auch damit zu tun, dass die immer noch überdurchschnittliche Inflation und hohe Mietsteigerungen nicht wenige Menschen in Not brachten.

Dies hat offenbar die Hemschwelle sinken lassen, im Supermarkt auch mal eine Flasche Olivenöl mitgehen zu lassen. Auf dem Video einer Sicherheitskamera, das im spanischen TV veröffentlicht wurde, sieht man, wie ein Mann mittleren Alters eine Flasche unter der Jacke verschwinden lässt. Auf einem anderen Bild verstaut eine Frau, die sich unbeobachtet fühlt, das Öl in der Handtasche. Ein Jugendlicher macht sich gar nicht erst die Mühe, seinen Diebstahl zu verbergen: Er ergreift einen Fünf-Liter-Kanister und rennt aus dem Laden.

Angesichts dieser alarmierenden Tendenz hat der Handel reagiert: In den meisten Läden werden die Olivenölprodukte inzwischen besonders gesichert. So wie es bisher zum Beispiel bei Edelspirituosen, teurer Kosmetik oder Markenkleidung der Fall war. Überwiegend werden die Waren mit speziellen Sicherungsetiketten ausgestattet, die Alarm auslösen, sobald ein Kunde versucht, sie an der Kasse vorbeizuschmuggeln.

Drastische Sicherheitsmaßnahmen in spanischen Supermärkten 

„Innerhalb eines Jahres ist Olivenöl zu einem der meist entwendeten Produkte geworden“, berichtet das spanische Sicherheitsunternehmen STC in seinem Jahresbericht über Ladendiebstähle. „Nur Spirituosen werden noch häufiger gestohlen.“ Damit habe das „flüssige Gold“ den berühmten iberischen Schinken vom zweiten Platz des Diebstahlsrankings vertrieben. Auch erlesener Wein, in Olivenöl eingelegter Thunfisch und der Manchego-Schafskäse seien bei Langfingern äußerst beliebt.

„Man sieht, dass wir Feinschmecker sind“, sagt STC-Direktor Salvador Cañones nicht ohne Ironie. „Sogar beim Stehlen bevorzugen wir Gourmet-Produkte.“ Nach der STC-Statistik, die Tausende von Ladendiebstählen auswertete, sind ein beträchtlicher Teil der Ölräuber Wiederholungstäter oder sogar Mitglieder von Banden. Die organisierten Diebesringe versuchten dann, ihr Diebesgut auf dem Schwarzmarkt zu verhökern, heißt es in der Studie.

Olivenölpreise explodieren aufgrund von Ernterückgang und Diebstählen

Der enorme Wertanstieg des „flüssigen Goldes“ führte nicht nur zu einem steilen Anstieg von Ladendiebstählen. Auch die Olivenbauern beklagen, dass auf ihren Plantagen immer öfter und gleich tonnenweise die grünen und schwarzen Früchte spurlos verschwinden. Die offenbar gut ausgerüsteten Olivenräuber kommen nachts und ernten ganze Felder ab. Am nächsten Morgen stehen die betroffenen Bauern geschockt vor ihren kahlen Olivenbäumen.

Allein in Spaniens größtem Frucht- und Gemüseanbaugebiet Andalusien verschwanden nach Schätzung der Polizei in der winterlichen Erntesaison 2023/2024 mehr als 500.000 Kilo Oliven von den Feldern. Deswegen überwachen die Beamten inzwischen mit Drohnen, Nachtsichtgeräten und Hubschraubern die Anbaugebiete. Manche Bauern haben sogar private Wachdienste engagiert.

Die Speiseölfabriken und -lager sind ebenfalls nicht vor Dieben sicher. In den letzten Monaten wurden mehrere Fälle bekannt, in denen die Räuber im Schutz der Dunkelheit Olivenöltanks komplett leerpumpten oder Lastwagen entführten.

Dabei wissen die Räuber genau, dass Öl nicht gleich Öl ist. Bei einem Einbruch in einem Supermarktlager in Barcelona ließen sie jüngst 10.000 Liter der höchsten Güteklasse „Virgen extra“ (natives Olivenöl extra) mitgehen. Die Paletten mit weniger qualitätsvollem Olivenöl ließen sie im Lager zurück.

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