Der NRW-Landtag diskutierte emotional über Asylpolitik, während die AfD Oberwasser bekam und Fraktionen zerstritten wirkten.
Aktuelle Stunde in DüsseldorfDie Rechten haben Oberwasser im NRW-Landtag

Düsseldorf: Markus Wagner (AfD) spricht im Plenum des Landtags. Nach der tödlichen Messerattacke von Aschaffenburg und einer Reihe von Gewalttaten in Nordrhein-Westfalen wird auch im Bundesland der Ruf nach schärferen Asyl- und Migrationsregeln lauter.
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Das Epizentrum des politischen Bebens, das die Gewalttat von Aschaffenburg und die Wende in der Asylpolitik durch die Union ausgelöst haben, liegt in dieser Woche in Berlin. Die Erschütterungen waren aber am Mittwoch bis nach Düsseldorf spürbar: Der Landtag beschäftigte sich in einer Aktuellen Stunde mit Aschaffenburg und den Folgen.
Die zumeist jungen Zuschauer auf den Tribünen des Plenarsaals wurden dabei Zeugen eines parlamentarischen Tiefpunkts. Die AfD machte angesichts der Vorstöße von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, die die Rechtspopulisten als ihre eigenen bezeichnen, regelrecht auf „dicke Hose“, während die anderen Fraktionen – CDU, SPD, Grüne und FDP – teilweise wie Getriebene wirkten.
Markus Wagner, einst Fraktionschef der AfD und heute Fraktionsvize, hatte Oberwasser. Die Brandmauer gegen die AfD und andere Parteien am äußeren rechten Rand liege in Trümmern, behauptete er, und er ließ keine Zweifel daran, dass seine Sympathien bei Donald Trump, bei Javier Milei („Bringt Argentinien auf Vordermann“), beim „lieben Herbert Kickl“ in Österreich und bei Giorgia Meloni („Die Italiener lieben sie“) liegen.
Wagner spricht von frischer Luft – SPD-Mann Ott kontert: „Es stinkt“
Die CDU, konstatierte er genüsslich, sei zur Zusammenarbeit mit der AfD bereit. „CDU-Mitglieder sind frei, mit uns für ein besseres Deutschland zu sorgen. Wir werden das nutzen“, kündigte Wagner an. Je mehr Stimmen die AfD bekomme, desto mehr könne die CDU durchsetzen, was sie ihren Wählern verspreche. Überall drehe sich der Wind. „Die frische Luft ist da, und sie erreicht Deutschland.“
„Es stinkt. Es ist keine frische Luft. Die AfD ist eine Nazipartei, und Faschismus ist niemals Freiheit“, entgegnete SPD-Fraktionschef Jochen Ott – und weckte die Hoffnung auf eine geschlossene parlamentarische Gegenreaktion. Aber die blieb aus. Jene Fraktionen, die sonst so vehement auf die Gemeinschaft der Demokraten dringen, handeln in Wahlkampfzeiten offenbar lieber nach dem Motto „Jeder ist sich selbst der Nächste“. Sie arbeiten sich aneinander ab.
Oppositionsführer Ott warf der CDU vor, in dieser „historischen Stunde“ zu versagen und das Erbe des überzeugten Europäers Helmut Kohl zu verraten, indem sie die Brandmauer zu den rechten Extremisten einreiße. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) teilte seinerseits gegen Ott aus: „In Wahlkampfzeiten ist die laute Nummer immer verlockender. Das ist lebensgefährlich für die Demokratie, für die Gesellschaft.“
Reul hatte sich zuvor schon FDP-Fraktionschef Henning Höne vorgeknöpft, der angesichts der Gewalttaten von Aschaffenburg, Magdeburg und Solingen von einem „Staatsversagen“ gesprochen hatte: Der Staat versage bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz, beim Schutz seiner Bürger, von denen sich viele nicht mehr trauten, Volksfeste zu besuchen, in einen Park zu gehen oder abends Bus zu fahren. Guter Wille müsse Grenzen haben „endlich auch in der Asylpolitik“, wetterte Höne. Dem entgegnete Reul, Schwarz-Grün in NRW habe mit einem großen Sicherheitspaket nach dem von einem Syrer verübten Attentat von Solingen seine Hausaufgaben gemacht.
Der Streit um Asyl und Zuwanderung ist auch in NRW geeignet, politische Bündnisse zu sprengen und neue Lager zu bilden. So klatschten viele grüne Landtagsabgeordnete, als der SPD-Politiker Ott Zugewanderte „bessere Patrioten als die AfD-Rassisten“ nannte. Sozialdemokraten quittierten den Beitrag eines Mitglieds einer Regierungsfraktion, Mehrdad Mostofizadeh (Grüne), mit Beifall: „Selbstverständlich halten wir Grünen es für nicht akzeptabel, dass Mehrheiten mit der AfD gebildet werden.“ Und Teilen den AfD gefielen die Worte des Liberalen Höne über das „Staatsversagen“.
Merz-Unterstützer Wüst schweigt zu aufgeladener Debatte
Und was tat der Ministerpräsident? Er schwieg. Zwischendurch machte Hendrik Wüst (CDU) den Eindruck, er sinne über eine Antwort auf die emotional aufgeladene Debatte nach, aber diese Reaktion erfolgte nicht. Der Regierungschef und Vorsitzende der NRW-CDU hatte schon am Freitag vor der Landespresse und später in der Sendung „Caren Miosga“ klargestellt, er stehe hinter dem verschärften Asyl-Kurs des Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz.
Wer genau hinsah, konnte an Wüsts Mienenspiel ablesen, dass er wohl keine rechte Freude an der Wende hin zu einem harten Migrations-Wahlkampf haben dürfte. Aber selbst ein behutsames Abrücken von Merz dürfte ihm in dieser sensiblen Phase des Wahlkampfs als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes parteiintern nie verziehen werden. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther genießt da mehr Freiheit in der CDU: Er kritisiert die Verschärfung der Asylpolitik offen.