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KriminalitätsstatistikNRW hat ein Problem, besonders mit jungen Tätern

Lesezeit 4 Minuten
Düsseldorf: Herbert Reul (l, CDU), Innenminister in Nordrhein-Westfalen, kommt zur Vorstellung der Polizeiliche Kriminalstatistik in den Landtag.

Düsseldorf: Herbert Reul (l, CDU), Innenminister in Nordrhein-Westfalen, kommt zur Vorstellung der Polizeiliche Kriminalstatistik in den Landtag.

Bei den meisten Straftaten in NRW gingen die Zahlen nach oben. Ein Überblick über einen besorgniserregenden Trend.

Im Vergleich der Bundesländer steht NRW bei der Entwicklung der Kriminalität nicht schlecht da. Die Fallzahlen stiegen zuletzt um 3,4 Prozent, in Bremen hingegen um fast 22, in Hamburg und Sachsen um fast elf Prozent. Dennoch ist die neue Kriminalstatistik, die Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch im Landtag vorstellte, kein Anlass zur Freude. Denn bei den meisten Straftaten gingen die Zahlen nach oben. Ein Überblick über einen besorgniserregenden Trend:

Gewaltverbrechen

Hier stiegen die Zahlen um sieben Prozent, insgesamt wurden 55855 Taten gezählt. Vor zehn Jahren waren es 21 Prozent weniger. „Darüber müssen wir nachdenken“, warnte Reul. „Konflikte enden nicht mit Gesprächen oder Beschimpfungen oder Beleidigungen, sondern immer öfter in Gewalt.“ Er kommentierte den Anstieg mit einem Verweis auf die globale Sicherheitslage: „Krieg und Krisen wühlen auf. Aber das darf nicht dazu führen, dass wir uns davon anstecken lassen. Diese Zahlen sind auch immer Zeugnis darüber, wie es um unsere Gesellschaft steht.“

Mord, Totschlag, Körperverletzung

42 Menschen wurden im vergangenen Jahr in NRW getötet (43 weniger als 2022), in 114 Fällen kam es zum Mordversuch (minus 274). Bei den Körperverletzungen ist ein Anstieg von 4,4 Prozent auf 148600 Fälle zu verzeichnen.

Kinder- und Jugendkriminalität

In 22496 Fällen wurden tatverdächtige Kinder ermittelt, ein Anstieg um 7,4 Prozent. Unter Jugendlichen wurden 48000 Tatverdächtige gezählt, ein Plus von 6,1 Prozent. Allein am „Tatort Schule“ gab es mehr als 4000 bekannt gewordene Fälle von Körperverletzung. Der Innenminister nannte eine Reihe von Ursachen: „Unser Nachwuchs hat unter Corona erheblich gelitten. Auch die sozialen Medien tragen dazu bei, dass unsere Kinder schon früh ungefiltert Gewalt sehen.“ Medienkompetenz müsse ernster genommen werden. Nicht nur Schulen, sondern jeder einzelne sei gefordert. „Kinder müssen schon von zu Hause aus klare Regeln und Grenzen mit auf den Weg bekommen“, so Reul weiter.

Einbruch und Diebstahl

25 Prozent mehr Ladendiebstähle und sechs Prozent mehr Taschendiebstähle registrierte die Polizei in NRW. Den Händlern sei dadurch ein Schaden von mindestens 13 Millionen Euro entstanden, so Reul. Noch größer fällt der Anstieg bei den Wohnungseinbrüchen aus. 27000 Einbrüche wurden gezählt –ein Plus von 15 Prozent.

Häusliche Gewalt, Sexualdelikte

Die Polizei in NRW zählte im vergangenen Jahr 60268 Fälle von häuslicher Gewalt – 2,8 Prozent mehr als 2022. Reul vermutet, dass dieser Anstieg auch mit einer steigenden Bereitschaft der Opfer zusammenhänge, Gewalttäter anzuzeigen. 32463 Sexualdelikte wurden erfasst – drei Prozent mehr als im Vorjahr. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Zeigen Sie an. Trauen Sie sich. Unsere Polizei nimmt jeden Hinweis ernst“, so der Appell des Innenministers.

Sexueller Missbrauch von Kindern wurde in 5065 Fällen ermittelt, rund 1000 Fälle mehr als im Vorjahr. Leicht zurückgegangen ist dagegen die Zahl der Fälle von Kinderpornografie. 11000 waren es 2022, im vorigen Jahr 10728. Unter den Tatverdächtigen waren knapp 1500 jünger als 14 Jahre. Viele Jugendliche machten sich mit kinderpornografischem Material auf ihren Smartphones strafbar, ohne es zu wissen, erklärte Reul.

Bei der Aufklärung gebe es in diesem Bereich zwei große Baustellen, so der Minister: Geld und Recht. „Die Polizei ackert weiter, gräbt tiefer. Die Hinweise, die wir auch aus anderen Ländern bekommen, sind Gold wert. Technisch können wir viel. Ich will aber, dass wir auch rechtlich mehr machen können. Stichwort: Vorratsdatenspeicherung.“

Rauschgift

Im vorigen Jahr zählte die Polizei in NRW 73917 Fälle im Bereich Rauschgiftkriminalität, ein Anstieg von 4,8 Prozent zum Vorjahr und von 22,5 Prozent im Zehn-Jahres-Vergleich. Meist ging es um Cannabis (63 Prozent). Reul verknüpfte die Zahl der Drogentoten von zuletzt 872 – 169 mehr als 2022 – mit harscher Kritik am neuen Cannabisgesetz: „Die Fakten sprechen für sich. Die Legalisierung von Cannabis ist hausgemachter Kontrollverlust. Auf dem Rücken der Behörden wird kopf- und planlose Politik gemacht. Berlin soll Probleme lösen, nicht neue schaffen.“

Cyberkriminalität

Hier wurden 36800 Fälle registriert, bei denen sich die Täter im Ausland aufhielten, in 21000 Fällen wurden die Attacken aus dem Inland gesteuert. Reul wies auf die Verschiedenheit der Einzeltaten hin: „Es muss nicht immer der große Cyberangriff in Ostwestfalen sein, sondern kann auch zu Hause auf dem Rechner passieren.“ Die Bürgerinnen und Bürger rief er zu mehr Vorsicht auf: „Seien Sie online genauso wachsam wie offline. Sie lassen ja auch nicht die Tür offenstehen, wenn sie rausgehen.“

Enkeltrick und Co.

Betrugsstraftaten gegen ältere Menschen nahmen 2023 um 15,8 Prozent ab. Die Aufklärungsarbeit der vergangenen Jahre habe erkennbare Effekte gezeigt, erklärte der Minister. „Wir kriegen jetzt immer mehr Fälle von Senioren, die auflegen, wenn sie von Betrügern angerufen werden, und die Polizei anrufen.“ Diese registrierte insgesamt 2238 Taten, die nach der Masche des sogenannten Enkeltricks funktionierten.

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