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Die Besatzer waren wenig zimperlich

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Sie kamen als Besatzer und wurden zu Freunden. Nach über 50 Jahren verlassen in diesem Sommer die letzten belgischen Streitkräfte die Bundesrepublik. In einer Serie erinnert die BLZ an die Geschichte der Belgier im Bergischen.

BENSBERG. Es waren keine leichten Zeiten, Ende der vierziger Jahre in Bensberg. Wenige Jahre nach Kriegsende hausen noch immer über 3000 Einwohner in Baracken und Notunterkünften. Die Not der Bevölkerung ist groß. Die Stadtverwaltung, an der Spitze der junge Stadtdirektor Wilhelm Wagener, steht vor einem brennenden Problem: dem daniederliegenden Wohnungsbau in der Schlossstadt.

Als im Juli 1949 die 1. Königlich-Belgische Panzerdivision von Bonn nach Bensberg umzieht, verschärft sich die Situation dramatisch. Bensberg wird auf einen Schlag zur Garnisonsstadt. Die Besatzungstruppen verlegen 500 Soldaten nach Bensberg. Sie sind, soviel steht fest, anfangs nicht mit offenen Armen empfangen worden.

Für Bensbergs Stadtväter muss die Stationierung überraschend gekommen sein. Nach Kriegsende ’45 hatten sich zunächst Soldaten der britischen „Welsh Guards“ im Schloss einquartiert. Sie bleiben nur für ein Jahr.

Schon 1946 übergeben die Briten einen großen Teil ihrer Besatzungszone dem belgischen Militär; ein Streifen, der sich von Köln bis Kassel erstreckt und fast so groß ist wie das Königreich.

Die „Welsh Guards“ ziehen schon im März 46 aus dem Barockschloss aus, die ersten Belgier nehmen Quartier: Es sind Ausbilder der in der Bonner Gegend stationierten Truppen. Eine überschaubare Anzahl.

Die Masse der belgischen Soldaten kommt 1949. Der belgische Generalstab, zuvor in Bonn und Bad Godesberg stationiert, zieht nach Köln um. Nach der Wahl von Bonn zur provisorischen Bundeshauptstadt war die Nähe der belgischen Militärs zum deutschen Machtzentrum offenbar nicht mehr gern gesehen.

Die Besatzungsmacht richtet ihr Augenmerk auch auf das Bensberger Schloss. Dort entsteht das Hauptquartier der 1. Division. An der Falltorstraße bezieht der Führungsstab Quartier, in Lückerath wird ein Fahrzeugpark eingerichtet. Die Belgier bauen eine eigene Infrastruktur auf, mit Militärpolizei, mit Verkaufsläden und Casinos, wo nur mit belgischen Francs gezahlt wird. Eine kleine Stadt in der Stadt, zu der die Deutschen keinen Zutritt haben.

Schnell steht fest: Die Belgier bleiben länger in Bensberg, nicht nur einige wenige Wochen. Anfang der 50er Jahre werden die Familien der Streitkräfte ins Bergische Land nachgeholt. Bensberg wird für die Besatzungskräfte zur neuen Heimat.

Doch Platz für die belgischen Offiziere und Militärs gibt es eigentlich nicht. Schon im August 1949 kommt es zu ersten Beschlagnahmungen: 60 Wohnungen werden von den Belgiern requiriert. Den Eigentümern wird drei Wochen Zeit gegeben, ihre Häuser zu räumen. In den meisten Fällen besteht noch nicht einmal die Möglichkeit, das Mobiliar mitzunehmen. Anfang der 50er Jahre erhöht sich die Zahl der beschlagnahmten Häuser auf 262, viele davon im noblen Stadtteil Frankenforst. Dass die Militärs wenig zimperlich sind, verschärft die Lage: „In periodischen Abständen lieferten die Besatzungstruppen ganze Fuhren zerbrochener Stühle, Tische, Schränke und anderes Mobiliar bei der Stadtverwaltung ab. Diese Möbelstücke hatten nur noch Heizwert“, fasst Stadtdirektor Wagener resigniert zusammen. Die Besatzung sei „die schwerste Belastung, die Bensberg je zu ertragen hatte.“

Und die Bensberger Bevölkerung murrt: Die Belgier haben die katholische Volksschule requiriert und das Waldstadion Milchborntal, auch sind die Sporteinrichtungen im Schloss für die Einheimschen gesperrt. „Auf die Dauer wird eine politische Radikalisierung nicht zu verhindern sein“, formuliert der Stadtdirektor in einer Denkschrift aus dem Jahre 1950.