„Wir fühlen uns unvorbereitet“Petition gegen zentrale Abschlussprüfungen gestartet

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Alfter/Bornheim – Abiturienten machen ihr Abitur, Schülerinnen und Schüler, die vor dem Realschulabschluss stehen, müssen Zentrale Abschluss-Prüfungen, kurz ZAP oder ZP10, bestehen. Vielen Jugendlichen bereitet dies in Zeiten von Corona und Homeschooling Kopfzerbrechen, ob sie den geforderten Stoff überhaupt ordentlich lernen und vorbereiten können.

Diese Sorgen belasten auch Letizia Brill aus Alfter. Die 15-Jährige besucht die zehnte Klasse der Realschule der Erzbischöflichen Ursulinenschule in Hersel und hat nun, unterstützt von ihren Lehrerinnen und Lehrern, eine Online-Petition gegen die zentralen Abschluss-Prüfungen gestartet.

Von März bis Sommer nur elfmal in der Schule

Sie hofft möglichst viele Unterstützer zu bekommen, um damit bei NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) Druck zu machen, um auf die Zentralprüfungen zu verzichten. Stattdessen soll zum Abschluss lieber eine Klassenarbeit geschrieben werden – so wie 2020.

Nach dem Homeschooling fällt die Konzentration im Unterricht schwer, sagt Letizia Brill.

Nach dem Homeschooling fällt die Konzentration im Unterricht schwer, sagt Letizia Brill.

„Der letzte Jahrgang musste keine Abschlussprüfungen schreiben und war nur drei Wochen zu Hause. Diese Schülerinnen haben eine Klassenarbeit geschrieben, die auch wie eine Klassenarbeit gewertet wurde. Meine Mitschülerinnen und ich durften von März bis zu den Sommerferien gerade elfmal in die Schule. In dieser Zeit gab es kaum bis gar keine Konzepte für Homeschooling, Plattformen für Videokonferenzen waren unzureichend, es gab keine einheitlichen Regelungen. Neue Lerninhalte konnten nur schwer vermittelt werden. Wir fühlen uns unvorbereitet“, kritisiert sie.

Die prekäre Situation setzte sich mit dem Shutdown seit Mitte Dezember fort. Momentan wird wenigstens im Wechselmodell unterrichtet: Eine Woche zu Hause, eine in der Schule. Ob das alles am Ende effizient sein wird, zweifelt Letizia an. Auch wenn sie es begrüßt, derzeit alle 14 Tage wieder in Hersel die Schulbank zu drücken, sei dies auch nicht ganz ohne: „Ich merke in der Schule, dass es immens schwierig ist, sich wieder so zu konzentrieren wie vor einigen Monaten. Nach über zwei Monaten zu Hause ist man es einfach nicht mehr gewohnt, sechs Stunden lang Maske zu tragen und sich zu konzentrieren.“

Den Distanzunterricht nennt sie „ziemlich uneffektiv“, weil man kaum Rückmeldungen von den Lehrern erhalten habe. Was aber nicht an den Lehrerkräften liege, betont Letizia: „Nicht nur wir Schülerinnen sind ziemlich im Stress, auch die Lehrerinnen und Lehrer haben Probleme mit dem Homeschooling.“

Die Ministerin

„Die Zentralen Abschlussverfahren in Klasse 10 in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch werden in diesem Schuljahr wieder mit landeseinheitlichen Aufgaben für die schriftliche Prüfung durchgeführt. Die Rückkehr in den Präsenzunterricht für die Abschlussklassen ermöglicht eine angemessene Prüfungsvorbereitung für die ab dem 19. Mai beginnenden Zentralen Prüfungen“, heißt es in einer Erklärung von NRW-Schulministerium Yvonne Gebauer (FDP) auf der Internetseite des Schulministeriums.

Verwiesen wird auf den Beschluss der Kultusministerkonferenz, dass trotz pandemischer Lage die Abschlussprüfungen stattfinden. Gebauer begrüßt die Entscheidung: „Unseren Schülerinnen und Schülern dürfen keine pandemiebedingten Nachteile entstehen. Wir ermöglichen ihnen deswegen vollwertige Abschlüsse auf der Basis von Prüfungen, die ohne Abstriche in ganz Deutschland anerkannt werden.“ (fes)

So hätten einige der Pädagogen teilweise mehr als 250 Mädchen im Unterricht, da fielen natürlich eine persönliche Betreuung und ein rasches Feedback auf Fragen oder Unklarheiten schwer. Die 15-Jährige kritisiert zudem, dass es vonseiten des Ministeriums kaum Informationen zu den Abschlussprüfungen gebe: „Wir müssen also davon ausgehen, dass die Prüfungen trotz des Unterrichtsausfalls durch Corona in nahezu üblicher Form geschrieben werden sollen.“

Und es gibt noch weitere Probleme. So fehlen die sonst üblichen individuellen Förderangebote, etwa Arbeitsgemeinschaften und Lerngruppen. Auch sei nicht jede Klasse auf demselben Wissensstand: „Ich weiß, dass die Parallelklasse im Fach Mathematik zurückliegt und nicht klar ist, ob sie den Stoff noch aufholen kann“, schildert die Schülerin.

Homeschooling sei für Letizia oft „sehr anstrengend“, manchmal fehle es ihr einfach an Motivation. Es gebe Tage, an denen sie bis abends am Tablet sitze und ihre Aufgaben bearbeite, es fehle eben oft die Struktur. Sorgen macht sie sich auch um ihren Notendurchschnitt: „Ich möchte die Abschlussprüfung so gut wie möglich mit den Noten, die ich vorher hatte, bestehen“, schildert sie. Angst, die Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe zu schaffen, um ihr Abitur zu machen, hat sie allerdings nicht. Einigen ihrer Klassenkameradinnen geht es ganz anders: „Für viele ist dies das einzige Zeugnis, das sie in ihrer Schullaufbahn bekommen werden, weil sie sich danach auf eine Ausbildungsstelle bewerben. Dann sollten die Noten auf dem Abschlusszeugnis natürlich gut sein.“

Die Einschränkungen in den vergangenen Monaten seien für alle sehr belastend gewesen, schildert Mitschülerin Ylva (15) aus Bornheim. Sie wollte vor genau einem Jahr ein mehrwöchiges Praktikum in einer Tierarztpraxis machen, auf das sie sich schon Monate vorher gefreut hatte. Dann kam der erste Lockdown und sämtliche Betriebspraktika wurden abgesagt. Ihr fehlten auch persönliche Beratungsangebote wie der „Markt der Möglichkeiten“, die Job- und Ausbildungsbörse an der Ursulinenschule. Auch sie sorgt sich, dass es mit dem Abschluss schwierig wird und unterstützt wie mittlerweile knapp 400 andere Unterzeichner auch die Petition.

Untätig war Letizia übrigens nicht. Mehrfach hat sie ihre Forderungen direkt per E-Mail an Yvonne Gebauer geschrieben. Wenn überhaupt, seien Standardantworten aus Düsseldorf zurückgekommen, ein weiterer Grund, weshalb sie nun die Petition ins Leben gerufen habe: „Wir fiebern jetzt alle zusammen, dass wir Erfolg haben werden.“ Die Zeit drängt: Die Prüfungstermine sind Ende Mai.

https://www.openpetition.de/petition/online/

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