Der Neubau der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Bornheim-Merten steht auf der Kippe. Steigende Kosten führen zu Debatten über Alternativen.
Neubau oder SanierungDebatte zur Bornheimer Heinrich-Böll-Gesamtschule im Ausschuss

Ihre Meinung machten Schüler und Eltern bei einer Demonstration vor dem Schulausschuss mit Transparenten deutlich.
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Die Entscheidung ist offen, die Lage angespannt. Drei Stunden lang hat der Schulausschuss zu Merten am Dienstagabend über die Zukunft des Schulstandorts diskutiert – ganz intensiv. Bürgermeister Christoph Becker brachte es auf den Punkt: „Am Ende dürfte es wahrscheinlich auf eine Lösung herauslaufen, die eigentlich niemand möchte und die keinem Freude bereitet.“
Im Raum steht der Verzicht auf den ursprünglich geplanten Neubau der Heinrich-Böll-Gesamtschule (HBG). Stattdessen soll das bestehende Gebäude saniert und erweitert werden. Parallel ist geplant, die benachbarte Martinus-Grundschule vom Ortskern in das Neubaugebiet Me 18 zu verlegen und dort neu zu errichten. Eine endgültige Entscheidung wird noch vor den Sommerferien erwartet.
Der Schulausschuss tagt am 3. Juli in einer Sondersitzung. Die letzte reguläre Sitzung vor der Sommerpause ist für den 10. Juli angesetzt. Die Entscheidung wird zeigen, ob die Stadt Bornheim bereit ist, die finanziellen Risiken eines Neubaus zu tragen – oder sich mit einer Kompromisslösung arrangieren muss, die zwar bezahlbarer, aber auch schmerzhaft ist.
Am Ende dürfte es wahrscheinlich auf eine Lösung herauslaufen, die eigentlich niemand möchte und die keinem Freude bereitet
Die ursprünglichen Planungen, die vor sieben Jahren begonnen wurden, hatten vorgesehen, dass die HBG einen Neubau bekommt, die Grundschule im Ort bleibt und leerstehende Räume der HBG dazu bekommt. Außerdem sollten frei werdende Räume der Europaschule interimsweise zur Verfügung gestellt werden, da deren Gebäude über Jahre aufwendig saniert werden muss.
Vor drei Monaten zog jedoch der Stadtrat die Reißlinie und legte die Planungen wegen der exorbitant gestiegenen Kosten auf Eis. Zu Planungsbeginn standen für den HBG-Neubau Kosten von rund 35 Millionen Euro im Raum, die aber wegen der anhaltenden weltweiten Krisen (Corona, Ukraine-Krieg, Inflation und Zinsentwicklung) nicht gehalten werden konnten. Zuletzt hatte der Rat beschlossen, die Kosten auf 84 Millionen Euro zu deckeln und suchte für das Projekt einen Generalunternehmer.
Nur eine Bewerbung ging ein und plötzlich standen 114 Millionen Euro im Raum. Für eine Stadt wie Bornheim ist dies nicht leistbar. Da der Schulstandort Merten aus allen Nähten platzt, werden bereits seit Jahren mehrere Klassen in Containeranlagen unterrichtet.

Die Besucherplätze im Ratssaal waren während des Schulausschusses so voll besetzt wie nie.
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Der Verwaltung wurden von der Politik vier Optionen zur Prüfung vorgelegt. Zwei wurden vom Schulausschuss weiterverfolgt und nun präsentiert: Variante eins sieht nach wie vor einen Neubau der Gesamtschule in Me 18 vor. Die gesamten Investitionskosten würden dann knapp 94 Millionen Euro betragen.
Die zweite und damit preisgünstigere Variante wäre ein Neubau der Grundschule in Me 18, verbunden mit einer Sanierung und Anbauten am Mertener Schulcampus. Für die Europaschule soll auf dem Pausenhof eine Interimscontaineranlage errichtet werden. Die geschätzten Kosten liegen zwischen 59 und 69 Millionen Euro. Diese Option wäre also zwischen 25 und 35 Millionen Euro günstiger, was aber immer noch ein ordentlicher Batzen Geld wäre, den die Stadt Bornheim zu zahlen hätte.
Zufrieden mit dieser Lösung ist niemand, wie sich aus der langen Diskussion herauskristallisierte. Vor allem nicht die Schüler, Lehrer und Eltern beider Schulen, die im Vorfeld zur Sitzung demonstriert hatten und zahlreich an der Ausschusssitzung teilnahmen.

Unterricht in Containern kommt nicht gut an.
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Die Betroffenen der Gesamtschule sorgen sich, dass sie über Jahre hinweg Baulärm und Dreck ausgesetzt sein werden und noch lange Unterricht in den ungeliebten Containern stattfinden muss. Auch von Seiten der Grundschule kommt Protest.
Schulleiter Klaus Hannak von der HBG: „Käme es dazu, dass die Schule durch einen Anbau erweitert und im Bestand saniert wird, wäre dies ein Flickwerk und keine Planung aus einem Guss. Wir hätten ein Gebäude mit Teilen aus den 50er, 70er, 90er und 2000er Jahren, die Schüler werden noch ewig in den Containeranlagen unterrichtet werden. All das macht unser Schule nicht sonderlich attraktiv.“ Zudem werde der Pausenhof stark parzelliert. Dadurch werde es schwierig für die Lehrkräfte, diesen im Blick zu haben.
Christine Herm, Rektorin der Martinus-Schule, erklärte: „Wir haben Bauchschmerzen mit der Lage. Sie ist im Me 18 deplatziert, denn wir möchten ein zentrales Element im Dorf bleiben. Wir identifizieren uns mit dem Dorfleben, gehen in den Wald, zur benachbarten Senioreneinrichtung der GFO oder in die Kirche, und die Kinder haben kurze Wege, um die Schule zu erreichen.“
Wir wären dann vor den Türen Mertens. Ich sehe schon die vielen Elterntaxis runterfahren
Ziehe die Schule ins Neubaugebiet, müssten die Kinder die stark befahrene Bonn-Brühler Straße überqueren, was erhebliche Gefahren mit sich brächte: „Wir wären dann vor den Türen Mertens. Ich sehe schon die vielen Elterntaxis runterfahren“, so Herm. Sie erklärte aber auch, dass die Grundschule dringend – nicht zuletzt wegen der großen Nachfrage nach OGS-Betreuung – mehr Platz brauche.
Die Nöte und Bedenken konnten sowohl Bürgermeister Becker als auch Sozialdezernentin Alice von Bülow nachvollziehen. Die beiden verteidigten dennoch ihre Pläne: „Wir als Verwaltung haben Angst, dass uns die Planungen sonst wieder um die Ohren fliegen, wenn es zu einem Neubau der HBG kommt. Gerne würde ich der HBG einen Neubau gönnen“, sagte von Bülow.
Zu den befürchteten Einschränkungen durch die Baumaßnahmen erklärte Becker: „Der Normalfall ist, dass ein solches Gebäude während des laufenden Betriebes instandgesetzt wird.“ Anders sei dies bei der Europaschule, wo aufgrund der veralteten Technik das Gebäude von rund auf saniert werden und Teile sogar abgerissen und neu gebaut werden müssten.
Mehrfach wurde sowohl aus der Politik als auch von der Elternschaft der HBG nachgefragt, ob es nicht dennoch möglich sei, doch eher die Gesamtschule neuzubauen, da es „nur“ um eine Differenz von 25 bis 35 Millionen gehe.

Gefordert: Wachstum bei Bildung.
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Dazu fand Kämmerer Ralf Cugaly mahnende Worte und legte die Zahlen auf den Tisch: 95 Millionen Euro seien für eine Stadt wie Bornheim mit einem jährlichen Haushaltsvolumen von 150 Millionen Euro „gewaltig“. Das Projekt würde zwei Drittel des Haushaltes binden. In den vergangenen Jahren hatte die Stadt zwischen 10 bis 15 Millionen Euro in den Hochbau investiert: „Wir mussten in den letzten Jahren gewaltige Kostenexplosionen erfahren, schieben im Moment ein Defizit von 80 Millionen Euro vor uns her und stehen kurz vor der Überschuldung.“
Viel Zeit dieses Defizit abzubauen, habe Bornheim nicht mehr. Bis Ende des Jahres wolle die Kommunalaufsicht Zahlen sehen, machte der Kämmerer klar: „Wären wir bereits im Haushaltssicherungskonzept, würden wir diese Diskussion heute hier gar nicht mehr führen.“ Cugaly sieht nur zwei Möglichkeiten: Deutliche Einsparungen oder eine Erhöhung der Einnahmen, was übersetzt bedeute, dass die Grundsteuer B deutlich angehoben werden müsse.
Der Bürgermeister stellte dazu fest: „Die Politik muss entscheiden, ob sie das möchte, denn davon wären am Ende alle Bürger betroffen vom Eigentümer bis zum Mieter.“ Käme es zur „Wunschlösung“, dem HBG-Neubau, dürfte die Grundsteuer Beckers Einschätzung zufolge um das Doppelte steigen. Allerdings nicht nur wegen der Schule.
Das sagt die Politik
Maria-Charlotte Koch (Grüne): „Ich fühle mich unter Druck gesetzt, wenn wir uns jetzt schon darauf einschießen, die Gesamtschule nicht neuzubauen. Wir brauchen verlässliche Zahlen für andere Optionen, was mir mit einem Budget von 60 Millionen erreichen können.“
Dies sah Christina Flamme (CDU) ähnlich. Sie forderte genauere Zahlen für eine Modulbau-Variante. Dem pflichtete der Technische Beigeordnete Robert Lehmann bei und sicherte zu, diese beim nächsten Mal vorzulegen.
Manuel van Eikelen (UWG): „Wir unterstützen tendenziell weiterhin einen Neubau der HBG.“ Rainer Züge (SPD): „Ich bin noch unentschieden, bis Juli müssen wir mit Restunsicherheiten leben.“ FDP-Mann Sascha Klein forderte weiterhin einen Neubau der Böllschule: „Containerunterricht ist eine Vollbremsung für die Bildung.“
Das fordern Schüler und Eltern
„Ja für den Neubau, ein klares Nein für den Umbau. Wir wollen keine Notlösungen. Unsere Kinder brauchen das, was sie verdient haben und worauf sie seit sieben Jahren warten“, forderte Zelina Abou Sleimann von der Elternpflegschaft der HBG, die nach der ersten Demonstration auf dem Schulhof in Merten auch die Kundgebung Dienstag vor dem Rathaus organisiert hatte.
HBG-Schülersprecher Julian Schwindt betonte: „Wir wollen ein Zeichen setzen, denn so kann es nicht weiter gehen. Die Schule ist ein absoluter Dammriss, dort sieht es aus wie auf einer Baustelle. Überall gehen die Wände kaputt, ein vernünftiger Unterricht ist nicht möglich.“