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Bornheimer PfarrerWarum niemand über den Tod durch Corona sprechen will

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Mit einem Wattebausch entnimmt Silvio Eick das Öl für die Salbung. Hostien, Kerze und Rosenkranz hat er dabei.

Bornheim – In keiner Sterbeanzeige kommt das Wort „Corona“ vor. Dabei weist die amtliche Zählung im Rhein-Sieg-Kreis 337 Corona-Tote aus – 36 allein in Bornheim. Der Bornheimer Pfarrvikar Silvio Eick weiß warum: „Sterben an Corona hat den Ruf, jemand habe nicht aufgepasst oder sei fahrlässig mit dem Virus umgegangen“, erklärt der Seelsorger im Gespräch mit der Rundschau.

Und obgleich er grundsätzlich behauptet, die Seelsorge habe sich in Coronazeiten nicht verändert, kann er doch davon berichten, wie er den Angehörigen nun umfangreiche Hygienetipps gibt und vor allem immer wieder gegen die falsche Scham anzukämpfen hat, die dem Virus-Tod offenbar anhaftet. Eick: „Die Leute denken: ,Jetzt haben sie die Oma umgebracht!‘, aber das ist Blödsinn.“

Angehörige reden nicht darüber

„Es ist kein ,Fehler‘, der gemacht wurde, wenn jemand an Corona stirbt. Es geht darum, diese Scham zu überwinden“, findet der Geistliche. Er hat erkannt, dass Angehörige den Seelsorger in der Pandemie mehr brauchen denn je. „Es kann jeden treffen, und wenn selbst die Regierung nicht weiß, wie die Ansteckung wirklich geschieht, ...“; Eick zuckt die Schultern: „Es passiert einfach.“

Was er in den Familien spürt, ist eine „gewisse Unruhe“: „Die Angehörigen dürfen oft nicht zu den Sterbenden, wenn diese in einem Heim oder in einem Krankenhaus untergebracht sind.“ Dass jemand an Corona gestorben ist, erfährt er selbst als Seelsorger kaum von den Angehörigen. „Ich frage meist den Arzt oder den Bestatter, was im Totenschein steht. Die Betroffenen sprechen einfach nicht darüber.“ Eick fühlt sich an den Umgang mit Aids erinnert. „Damals stand für viele fest: Aids bekommt man durch einen anderen Mann oder eine andere Frau. Wer dachte, dass man es auch durch eine Blutspende bekommen konnte? Also wurde Aids verschwiegen.“

Eick zieht sich nach jedem Hausbesuch um

Alle sind durch Corona vorsichtiger geworden – auch Eick. Er nutzt nicht nur die übliche Maske für Mund und Nase, sondern auch Handschuhe. Nach jedem Hausbesuch kehrt er nach Hause zurück und zieht sich komplett um. „Ich will das Virus nicht von einem zum anderen tragen. Es ist nun nicht die Zeit für eine lange Unterhaltung.“ Aber er will auf gar keinen Fall nun seltener zu Sterbenden oder deren Angehörigen gehen: „Wir können sie jetzt nicht alleine lassen.“

„Ich komme gerade erst von einem Kondolenzbesuch. Oft gebe ich Tipps wie ,Stellen Sie die Stühle weiter auseinander.‘“ Etwa 20 Personen gehören zum Seelsorgekreis im Vorgebirge, mit Gemeindereferenten, Diakon und Engagementkräften. Eine Notfallseelsorge gibt es ebenfalls. „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Angehörigen über den Tod eines Verwandten zu informieren. Es geht um die übliche Seelsorge.“ Wenn der Tod unausweichlich naht, wird der Geistliche für die Handlung gerufen, die vielfach noch „letzte Ölung“ oder „Versehgang“ genannt wird. Der Sterbende soll schließlich das letzte Sakrament erhalten. Viele hätten das Gefühl danach „muss ich sterben.“

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Das sei aber nicht zwingend der Fall: „Aber wenn sie die letzte Ölung haben, dann sind sie vorbereitet, und viele schöpfen sogar genau daraus neue Kraft.“ Früher hätte Pfarrer Eick einfach den Finger ins geweihte Öl getunkt und auf den Körper des Sterbenden gestrichen. „Jetzt trage ich Handschuhe, und damit kein Virus aus der Luft ins Öl gelangt, benutzte ich jedes Mal einen frischen Wattebausch.“ Das restliche Öl wird aufgefangen und gesammelt, um es im Osterfeuer zu verbrennen. Und wenn dann aller geistlicher Beistand für den letzten Weg gegeben ist und ein Mensch an Corona stirbt? Da ist Pfarrer Eick voll der christlichen Zuversicht: „Dann wird er hoffentlich wieder auferstehen.“