Das Ende einer Ära in RoisdorfLandgasthaus „Zur gemütlichen Ecke“ schließt

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11. Januar 2023 Bornheim-Roisdorf: Karin und Hans Hamacher (mit ihren Enkeln Emma und Matheo) schließen ihr Landgasthaus "Zur gemütlichen Ecke" Ende Januar. Foto: Frank Engel-Strebel

Karin und Hans Hamacher (mit ihren Enkeln Emma und Matheo) schließen ihr Landgasthaus „Zur gemütlichen Ecke“ Ende Januar.

Eine echte Institution in Roisdorf schließt Ende Januar ihre Türen: Das Landgasthaus „Zur gemütlichen Ecke“ bewirtete bereits viele Generationen. 

„Für uns ist das gerade eine sehr emotionale Zeit, wir erfahren so viel Wertschätzung und wussten nicht, dass wir so eine Stellung im Dorf haben, viele bedanken sich für das gute Essen und rufen uns an, dass sie sehr traurig sind, dass wir aufhören“, schildert Karin Hamacher. Gemeinsam mit ihrem Mann Hans übernahm sie 1988 das Landgasthaus „Zur gemütlichen Ecke“ in Roisdorf. Ende Januar geht eine Ära zu Ende, sie schließen ihr Lokal, eine Institution für Roisdorf. „Leicht haben wir uns die Entscheidung nicht gemacht, aber gesundheitliche Gründe zwingen uns dazu, außerdem wäre sowieso irgendwann der Zeitpunkt gekommen, den Betrieb zu schließen, dann lieber jetzt, damit wir noch lange unsere gemeinsame Zeit genießen können“, meint Hans Hamacher (64), der bereits als 18-Jähriger hinter dem Tresen stand.

Die Kinder von Karin und Hans Hamacher hätten andere berufliche Ambitionen: „Außerdem haben sie mitbekommen, wie viel Stress es bedeutet, ein Lokal zu leiten. Wir haben kaum Urlaub gemacht, unser Leben drehte sich immer nur um das Gasthaus“, erklärt Hans Hamacher. Die Zeiten haben sich gewandelt: „An der Theke, wo früher die Gäste in Dreierreihen hintereinander standen, spielt sich schon lange nichts mehr ab“, sagt Hans Hamacher. Dies sei auch bei den traditionellen Veedels-Kneipen in Bonn oder Köln zu beobachten. Vor allem Jugendliche ziehe es kaum noch in Landgasthäuser wie die „Gemütliche Ecke“, so die Eheleute Hamacher, die seit 1981 verheiratet sind.

1900 begann die Geschichte des Lokals

Die Geschichte des Gasthauses, damals noch „Restauration Schlitzer“, an der Bonner Straße beginnt im Jahr 1900, als die Eheleute Peter Schlitzer und dessen Ehefrau Christine das Haus erbauten. Der Gewinn aus der Gastwirtschaft war eher spärlich, die Haupteinnahmequelle der beiden war die Landwirtschaft. Gegenüber der Gaststätte befand sich seinerzeit eine Haltestelle der Vorgebirgsbahn „Zum Feurigen Elias“, in der heutigen Restaurantküche befand sich ein Wartesaal. Der Name Hamacher kam erst 1929 ins Spiel, als ein gewisser Johann Hamacher aus Harff bei Bedburg seine Schwester öfter in Roisdorf besuchte und dort Margarete Schnitzer, eine von vier Töchtern der Eheleute Schnitzer, kennen und lieben lernte.

11. Januar 2023 Bornheim-Roisdorf: Thekengeselligkeit in der "Gemütlichen Ecke" in den 1960er Jahren. Foto: Privat/Repro: Frank Engel-Strebel

Thekengeselligkeit in der „Gemütlichen Ecke“ in den 1960er Jahren.

Schließlich heirateten sie im Januar 1929 und ein Jahr später, 1930, kam Sohn Adam („Adi“) auf die Welt. Noch im selben Jahr verstarb Margret Hamacher. Johann Hamacher heiratete erneut, seine zweite Frau war Christine Heister. Das Paar baute einen Saal an die Gastwirtschaft an, der im Zweiten Weltkrieg als Lazarett diente. Nach dem Krieg, das Lokal war mittlerweile als „Gemütliche Ecke“ bekannt, hatten die Menschen nicht viel zu Essen und auch Bier und Schnaps waren Mangelware. Am Tresen wurden daher das günstige „Schlabberbier“ und selbstgebrannter Pflaumenschnaps ausgeschenkt.

Auch vor dem Krieg wurde das Gasthaus bereits von den Vereinen für Feiern genutzt, vor dem Lokal gab es sogar in den fünfziger Jahren die Kirmes mit Karussells und Buden. Adi und seine Frau Trudi Hamacher, die das Lokal Ende der fünfziger Jahre übernommen hatten, führten eine Neuerung ein, die bei ihren Vorgängern nicht auf Begeisterung stieß: Speisen wurden bislang nur an Kirmes und Karneval ausgegeben. Adi und Trudi Hamacher beschlossen allerdings, die Gäste künftig zu bewirten und stellten einen Kellner ein, der die Bestellungen aufnahm. Die Speisen wurden in der Gaststätte eingenommen.

Die „Ära der Jägerschnitzel“

Eine Speisekarte gab es allerdings noch nicht, gekocht wurde zunächst nur für die Familie. Wenn ein Gast kam, hieß es: „Wir haben keine Speisekarte, aber wenn Sie mit dem zufrieden sind, was wir für uns gekocht haben, servieren wir Ihnen das gerne.“ Die Zeiten wandelten sich jedoch und durch die Nähe zur Roisdorfer Versteigerung kehrten immer mehr Händler, Landwirte und Marktfrauen ein. Anfang der sechziger Jahre begann laut Hans Hamacher die „Ära der Jägerschnitzel“ und Adi und Trudi waren die ersten Gastwirte, die im Vorgebirge Pommes frites angeboten hatten. 1988 übernahmen schließlich Hans und Karin Hamacher das Traditionshaus in dritter Generation. Hans Hamacher ließ sich im mittlerweile abgerissen Hotel Beethoven in Bonn zum Koch ausbilden, seine Frau Karin kam jedoch nicht aus der Gastronomie und musste sich erst einarbeiten.

1986 war die „Gemütliche Ecke“ sogar in der „Tagesschau“ und im „Heute-Journal“ zu sehen. So ist es in der Chronik des Gasthauses nachzulesen. Es war der 26. April, als die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl bekannt wurde. Der damalige Landwirtschaftsminister Klaus Matthiesen sollte in Roisdorf die rheinische Obst- und Gemüsesaison eröffnen und dabei auch einen Salat verzehren. Doch dazu kam es wegen der Nachrichten aus Tschernobyl nicht mehr. Was folgte war ein gewaltiger Medienrummel, der sich in der „Gemütlichen Ecke“ abspielte.

Immer wieder konnten Hamachers übrigens auch Prominente in ihrem Gasthaus begrüßen, darunter die Witwe Willy Brandts, Ruth Brandt, die in Roisdorf lebte, Wolfgang Overath, Dieter-Thomas Heck, Bernhard Brink, Bodo Illgner oder Konrad Beikircher.

Endlich ordentlich Karneval feiern

11. Januar 2023 Bornheim-Roisdorf: Im Januar 2014 wurde Karin Hamacher zur Roisdorfer Prinzessin Karin II. auf der Kolpingsitzung proklamiert. Foto: Frank Engel-Strebel

Im Januar 2014 wurde Karin Hamacher zur Roisdorfer Prinzessin Karin II. auf der Kolpingsitzung proklamiert.

2014 erfüllte sich Karin Hamacher einen Kindheitstraum: Als damals 40. Roisdorfer Karnevalsprinzessin in Folge Karin II. regierte sie über die Roisdorfer Narren. Ihr Mann ist ebenfalls begeisterter Karnevalist und seit vielen Jahren Sitzungspräsident der traditionellen Karnevalssitzung der Kolpingfamilie, auf der auch die Roisdorfer Prinzessinnen proklamiert werden. Das wolle er auch weiter machen. „Über die Jahrzehnte war die „Gemütliche Ecke“ auch Hofburg der regierenden Prinzessinnen, seit diesem Jahr ist es die „Marktschänke“.

Dank gilt auch den Mitarbeitern, allen voran Kellner Franco Zaccheddu, der 33 Jahre bei den Hamachers arbeitete, und nun ins Gasthaus „Zur Krone“ wechselt. Was aus dem Gaststättenbereich wird, wissen Hans und Karin Hamacher noch nicht. Die im Haus befindlichen Hotelzimmer werden allerdings weiter vermietet. In ihrer Freizeit möchten die beiden in den kommenden Jahren Deutschland mit dem Fahrrad erkunden, sich verstärkt ihren Enkeln widmen und endlich ordentlich Karneval feiern: In diesem Jahr wird Hans Hamacher erstmals beim Weiberfastnachtszug selbst mit fahren und Kamelle werfen.

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