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Erinnerung an Heinrich von Wittgenstein„Köln muss Roisdorf dankbar sein“

Lesezeit 4 Minuten
10. Februar 2023 Bornheim-Roisdorf. Der Vorsitzende der Heimatfreunde Roisdorf bei der Gestaltung des Karnevalswagens der Heimatfreunde. Foto: Frank Engel-Strebel

Der Wagen der Heimatfreunde, den Vorsitzender Ernst Gierlich vorstellte, ist eine Hommage an Heinrich von Wittgenstein und den Kölner Karneval.

Die Roisdorfer Heimatfreunde erinnern im Festzug an Weiberfastnacht an Heinrich von Wittgenstein. So steht auch der Wagen der Heimatfreunde beim Zug ganz im Zeichen des Organisators des ersten Kölner Rosenmontagszugs.

Wenn die Kölner Jecken in diesem Jahr ihren 200. Rosenmontagszug feiern, dann feiern auch die Roisdorfer mit. Denn die Narren aus der Domstadt haben einer bedeutenden Roisdorfer Persönlichkeit eine Menge zu verdanken: Heinrich von Wittgenstein (1797 bis 1869). Er war die treibende Kraft hinter dem ersten organisierten Kölner Rosenmontagszug, der am 10. Februar 1823 auf dem Kölner Neumarkt seine Runden drehte.

Zwar wurde von Wittgenstein nicht in Roisdorf geboren, doch sein Herz schlug für den Vorgebirgsort, befand sich doch dort zwischen Ehrental und Brunnenstraße die Sommerresidenz seiner Familie, das heute noch existierende Haus Wittgenstein, einst eine mittelalterliche Burg, die von Wittgenstein 1845 zu einer stattlichen Villa umbauen ließ (siehe Kasten). Folglich reimt Ernst Gierlich, Vorsitzender der Heimatfreunde Roisdorf, selbstbewusst: „Köln muss Roisdorf dankbar sein, gab’s hier doch von Wittgenstein! Mit dem kölschen Fasteleer wär’s ohn’ Heinrich nicht weit her. Auch der Dom wär’ kaum gelungen, ohne Roisdorfs guten Jungen!“

Heinrich von Wittgenstein stammte aus einer renommierten Kölner Familie. Sein Vater und Großvater waren jeweils Oberbürgermeister der Stadt. Er war gerade einmal 25 Jahre alt, als er 1822 das neue „Festordnende Comité“, dem er auch vorstand, mit anderen Honoratioren gründete, um ein Jahr später den ersten organisierten Kölner Rosenmontagszug, oder wie er damals auch genannt wurde, den ersten Maskenzug, zu organisieren. Dem Komitee gehörten damals unter anderem der Verleger Marcus DuMont, der Musiklehrer und Privatlehrer Christian Samuel Schier, der das erste Karnevalslied, die „Cölner Melodie“, komponiert hatte, der Kunstsammler Ferdinand Franz Wallraf und der Eau de Cologne-Hersteller Emanuel Ciolina Zanoli, der als erster Prinz Karneval in die kölsche Geschichte einging.

Früher noch „Held Carneval“ statt Prinz Karneval

10. Februar 2023 Bornheim-Roisdorf. Der Vorsitzende der Heimatfreunde Roisdorf Ernst Gierlich (links) und Karl-Heinz-Hundhausen von den Heimatfreunden präsentieren die Roisdorfer Karnevalstasse. Foto: Frank Engel-Strebel

Die Roisdorfer Karnevalstasse präsentieren Ernst Gierlich (l.) und Karl-Heinz-Hundhausen.

Allerdings durfte er damals noch nicht so genannt werden. Die Kölner Polizei untersagte dies, weil die preußische Regierung darin eine Majestätsbeleidigung sah. Da es jedoch jemanden geben sollte, der den Zug anführte, einigte man sich auf einen Kompromiss: Die Bezeichnung „Held Carneval“. Natürlich feierten die Kölner schon seit Jahrhunderten Karneval, doch die tollen Tage uferten immer mehr aus und einem anarchistischen Tohuwabohu, so kam es vor 200 Jahren zur Gründung des „Festordnenden Comite“, dem Vorläufer des heutigen Festkomitees Kölner Karneval, um die Feierlichkeiten in geordnete Bahnen zu lenken und ein Verbot durch die preußische Besatzung zu umgehen. Der erste Zug hatte gerade einmal 15 Nummern.

Heinrich von Wittgenstein, erfolgreicher Unternehmer, galt nicht nur als Freund und Förderer des Kölner Karnevals, sondern auch als Unterstützer des Kölner Doms. So wählte ihn 1842 der damals neu gegründete Zentral-Dombauverein zu Köln zu seinem ersten Präsidenten. Von Wittgenstein war maßgeblich daran beteiligt, dass der Kölner Dom nach mehr als 630 Jahren Bauzeit vollendet wurde, was dann aber noch einmal knapp 40 Jahre bis 1880 dauern sollte. 1848 wurde von Wittgenstein Regierungspräsident in Köln. Wegen seiner Seilschaften und guten Kontakte zu anderen Geschäftsleuten und Politikern wurde er auch gerne als „Beherrscher des Kölschen Klüngels“ bezeichnet.

Ernst Gierlich ist sich sicher: „Ohne ihn wäre Köln heute um seine beiden größten Attraktionen ärmer.“ Zu Ehren des „großen Sohnes“ von Roisdorf hat Ernst Gierlich eigens einen bunten Jubiläums-Kaffeebecher kreiert und mit einer Auflage von 40 Exemplaren herstellen lassen. Es gibt auch einen passenden Jubiläums-Pin. Zu sehen sind darauf das Konterfei des Karnevalisten, die Wappen von Roisdorf und Köln, das Haus Wittgenstein, der Kölner Dom sowie zwei zeitgenössisch kostümierte Jecken. Auch der Wagen der Heimatfreunde beim Weiberfastnachtszug, der heute durch Roisdorf zieht, steht ganz im Zeichen des Organisators des ersten Kölner Rosenmontagszugs. Kontakt: Wer eine der Karnevals-Tassen zum Stückpreis von zehn Euro erwerben möchte, der wendet sich an Ernst Gierlich, E-Mail: heimatfreunde.roisdorf@t-online.de, Tel.: (0 22 22) 20 30, Internet: www.heimatfreunde-roisdorf.de oder www.oas-roisdorf.de.


Haus Wittgenstein

Die heutige klassizistische Villa geht auf eine mittelalterliche Höhenburg zurück, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts in den Besitz der Familie Wittgenstein überging. 1844/45 ließ sie Heinrich von Wittgenstein nach einem Entwurf des Kölner Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner zu einer Villa und zur Sommerresidenz der Familie umbauen. Zu dem Anwesen gehörte auch ein etwa fünf Hektar großer Landschaftspark. Nach mehreren Besitzerwechseln kaufte in den 1980er Jahren die damals noch junge Partei Die Grünen das Gebäude und errichtete dort eine Zukunftswerkstatt, ein „Zentrum für eine neue politische Kultur“. 1987 wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Seit 1996 ist das Haus Sitz des Bibelseminars Bonn, einer theologischen Ausbildungsstätte. (fes)