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Festakt für Heinrich Böll in BornheimHommage an einen Unbequemen

Lesezeit 5 Minuten
Bilder von Heinrich Böll beim Festakt für den Wahl-Bornheimer und Nobelpreisträger. Foto: Meike Böschemeyer

Ein Festakt für den Wahl-Bornheimer und Nobelpreisträger Heinrich Böll. 

50 Jahre ist es her, dass der Wahl-Bornheimer Heinrich Böll den Literatur-Nobelpreis bekommen hat. Vor diesem Hintergrund haben die Stadt Bornheim und das Katholische Bildungswerk Rhein-Sieg einen Kulturabend organisiert.

Sirenen heulen. Menschen fliehen in Bunker und in die Keller von Häuserruinen. Angstverzerrte Gesichter sind zu sehen, während über ihnen Flugzeuge Bomben abwerfen und ganze Städte in Schutt und Asche legen. Es ist ungewiss, ob die Frauen und Männer in den Kellern dort wieder lebend herauskommen. Dies ist kein Filmbericht aus der Ukraine, sondern eine der finalen Szenen des 1977 von Regisseur Aleksandar Petrović verfilmten Romans „Gruppenbild mit Dame“ von Heinrich Böll, mit Romy Schneider und Brad Dourif in den Hauptrollen. Gezeigt wurde dieser seinerzeit von den Kritikern verrissene Film am Samstagabend im Bornheimer Ratssaal – und es wurde deutlich, dass diese Geschichte nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Auf den Tag genau vor 50 Jahren

Auf den Tag genau 50 Jahre war es am Samstag her, dass der Wahl-Bornheimer Heinrich Böll den Literatur-Nobelpreis bekommen hatte. Aus diesem Anlass hatten die Stadt Bornheim und das Katholische Bildungswerk Rhein-Sieg, vertreten durch Anne Schmidt-Keusgen, einen Kulturabend organisiert. Stadtarchivar Jens Löffler hatte dafür eine Ausstellung in der Bürgerhalle des Rathauses zusammengestellt, bei der bis Mitte Januar unter anderem viele Bilder, Zeitungsartikel und Berichte aus der Zeit zu sehen sind, als Heinrich Böll von 1982 bis zu seinem Tod 1985 in Merten lebte. Dorthin war er damals zu seinem Sohn René und dessen Familie gezogen.

Für Bürgermeister Christoph Becker war Heinrich Böll mehr als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Nachkriegszeit, er war auch ein „Chronist deutscher Gesellschaftsgeschichte vom Zweiten Weltkrieg bis in die letzten Jahre der Bonner Republik. Ein Mahner, aber auch ein Versöhner, der seine literarische Stimme sowohl der Kriegs- als auch der Nachkriegsgeneration geliehen hatte.“ Zudem sei er ein Friedensaktivist und ein „stetig mit seiner Kirche hadernder Christ gewesen, aber auch ein bekennender Rheinländer“.

Auf dem alten Bergfriedhof in Merten fanden Heinrich Böll und seine Frau Annemarie ihre letzte Ruhe. Das Grab hatte René Böll gestaltet. Der heute 74-Jährige war mit seiner Frau Carmen ebenfalls zu dem Kulturabend nach Bornheim gekommen. 24 Jahre alt war er damals, als sein Vater per Telegramm bei einem Familienurlaub in Athen die freudige Nachricht erhielt, dass ihm der Literaturnobelpreis zuteil werde. „Für ihn und für uns als Familie war dies eine große Freude.“ Die Auszeichnung sei auch eine Art Genugtuung gewesen, da Heinrich Böll damals sowohl von „der Springer-Presse mit ihrer tendenziösen Berichterstattung in die Nähe der RAF-Terroristen gerückt, aber auch aus den Reihen der CDU sehr stark diffamiert worden war“.

Zum Festakt für seinen Vater Heinrich Böll in Bornheim war auch René Böll gekommen.

Zum Festakt für seinen Vater war auch René Böll gekommen.

Auch in den drei Jahren im Vorgebirge habe sein Vater diese Stimmung gespürt: „Wir sind von vielen der stark konservativ und dörflich geprägten Einwohner nicht sehr freundlich aufgenommen worden. Es gab anonyme Anrufe und viele ablehnende Äußerungen“, erklärte René Böll gegenüber der Rundschau.

„Ein wertvoller Bürger“

Im Anschluss an die Ausstellungseröffnung wurde das Kulturprogramm im Ratssaal fortgesetzt. Böll-Expertin Christel Diesler führt in Leben und Werk des Schriftstellers ein. Diesler organisierte viele Jahre lang gemeinsam mit Archivar Löffler Führungen über den rund drei Kilometer langen Heinrich-Böll-Weg, der in Merten vor dessen damaligem Wohnhaus in der Martinstraße beginnt. Auch sie hob darauf ab, dass Böll nicht nur geliebt wurde und auch die Nachricht vom Literaturnobelpreis ein geteiltes Echo fand.

Die beiden Städte Köln und Bornheim, in denen Böll gelebt hatte, haderten lange Zeit mit ihrem berühmten Sohn: „Erst nachdem er weg war, wurde man sich sowohl in Köln als auch in Bornheim bewusst, was für ein wertvoller Bürger er war“, erklärte Diesler. Die Kölner machten ihn zwar noch zu Lebzeiten 1982 zum Ehrenbürger – aber erst, nachdem er bereits nach Merten gezogen war. Die Bornheimer brauchten deutlich länger. Dort wurde ihm erst 2010 posthum die Ehrenbürgerwürde zuteil, maßgeblich angestoßen durch den damaligen Bürgermeister Wolfgang Henseler, betonte Diesler.

Der Böll’sche Humor

Böll sei ein Autor gewesen, der authentisch über die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geschrieben habe: „Er war ein bescheidener Mann, der bereit war, seine Finger in die Wunden zu legen, schade, dass er nicht mehr lebt. Wer weiß, was er uns zu sagen hätte“, meinte Diesler. Schauspieler Gerhard Fehn trug Bölls Rede vor, die er beim Empfang des Nobelpreises in Stockholm gehalten hatte. Mit seiner Frau, Schauspielerin Cécile Kott, las er noch einige Kurzgeschichten und Gedichte Bölls, etwa die „Bekenntnisse eines Hundefängers“ als Ausdruck des Böll’schen Humors.

Gerhard Fehn wuchs mit Heinrich Bölls Werken auf. Bevor er ins Schauspielfach wechselte, war Fehn von 1972 bis 1982 Deutschlehrer und hatte dessen Werk im Unterricht behandelt: „Mir hat immer gefallen, dass er sich nicht nur gegen Gewalt aussprach, sondern auch gegen die Gegengewalt.“ Dorothee Böttges-Papendorf und Willi Hermann haben eine lesenswerte Hommage an den Bornheimer Ehrenbürger herausgebracht (wir berichteten). Sie stellten einige Auszüge aus ihrem Buch vor. Die beiden Autoren möchten zum Lesen und Schmökern in den Werken Bölls anregen oder ihm auf den Spuren des Vorgebirges folgen – ganz im Zeichen der Baskenmütze, die er wie ein Markenzeichen stets trug. Das Kleidungsstück markiert auch die Stationen des Heinrich-Böll-Wegs im Vorgebirge. Die Filmvorführung von „Gruppenbild mit Dame“ rundete das Programm ab. Die 1971 erschienene Romanvorlage soll maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Böll ein Jahr später den Literaturnobelpreis erhielt. Als zweiter deutscher Autor damals galt übrigens Günter Grass als Anwärter für den Preis. Bölls jahrzehntelangem Weggefährten wurde diese Würdigung schließlich 1999 zuteil.