Natur vs. NaturschutzBrenigerin muss ihren preisgekrönten Wildgarten zurückbauen

Lesezeit 5 Minuten
Seit 18 Jahren gibt es den Wildgarten in Brenig, das Gelände steht aber schon seit Mitte der 90er Jahre unter Naturschutz.

Seit 18 Jahren gibt es den Wildgarten in Brenig, das Gelände steht aber schon seit Mitte der 90er Jahre unter Naturschutz.

Bornheim-Brenig – Ihre eigenen Kinder haben früher hier gespielt, haben sich in der Natur bewegt, haben gebaut mit den Materialien, die sie vorgefunden haben, haben Figuren aus Matsch geknetet. Ein kleines Paradies. „Hier stehen auch nicht überall Verbotsschilder“, sagt Elisabeth Hillebrand-Guessant. Später waren es Kinder und Jugendliche aus Kölner Problemquartieren oder solche, die wenig Kontakt zur Natur hatten, die hier Sommerprogramme miterlebt haben. Es gab auch die Möglichkeit, in einer kleinen Hütte auf dem zwei Hektar großen Gelände in Brenig zu übernachten.

Die Sache hat nur einen großen Haken: Hillebrands Grundstück ist Teil des Naturschutzgebietes Mühlbachtal. Bis Ende dieses Jahres soll der Naturgarten ganz verschwunden sein. Unterstützer wie Aura-Shirin Riedel, deren Kind selbst schon im Naturgarten gespielt hat, versuchen nun, die Anlage mit einer Petition zu erhalten. Auch die SPD-Kreistagsfraktion Rhein-Sieg sorgt sich.

SPD-Kreistagsfraktion stellt Anfrage

„Es ist schwer zu vermitteln, dass ein für die Natur wertvoller Wildgarten ausgerechnet aus Gründen des Naturschutzes zurückgebaut werden muss“, so die Bornheimer Kreistagsabgeordnete Anna Peters, die die Initiative für den Erhalt des Wildgartens gemeinsam mit der SPD-Kreistagsfraktion unterstützt. „Da der Umweltbildungsaspekt hier groß ist und die Eigentümerin sogar von der UN-Dekade für biologische Vielfalt ausgezeichnet wurde, hoffen wir, dass dies doch noch ausschlaggebend für die Weiternutzung des Gartens ist.“

Denis Waldästl, Fraktionsvorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, und der umweltpolitische Sprecher Werner Albrecht begründen die Anfrage: „Wir wollen wissen, welchen rechtlichen Spielraum die Kreisverwaltung vor dem Hintergrund geltender rechtlicher Regelungen (Bundesnaturschutzgesetz, Landesnaturschutzgesetz NRW, Landschaftsplan Nr. 2) sieht, um den Wildgarten über 2021 hinaus in seiner heutigen Nutzung, einschließlich der Umweltbildung für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, zu erhalten. Die schwarz-grüne Koalition auf Kreisebene, die sich den Umwelt-, Klima- und Artenschutz auf ihre Fahnen geschrieben hat, müsste hier ein großes Eigeninteresse haben, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuloten, um den Wildgarten zu erhalten“. (jr)

Auszeichnung der Vereinten Nationen

2006 hatte Elisabeth Hillebrand-Guessant das Grundstück direkt am Wald gekauft und noch rund 1000 Quadratmeter gleich angrenzend hinzu gepachtet. „Alles war voller Brombeeren“, erinnert sich Hillebrand-Guessant. Viel Schneidearbeit sei nötig gewesen, um auch Kleinbäumen wieder Luft zu geben. „Ich möchte etwas für die Nachhaltigkeit tun“, sagt die Brenigerin.

Dass ihr Areal unter Schutz stand, sei ihr nicht klar gewesen. So kam es, dass sie in Kooperation mit Jugendämtern aus dem Kölner Stadtgebiet Aufenthalte vor allem für sozial benachteiligte Kinder organisierte, die im Garten auf vielfältige Weise etwas über sich und die Natur lernen sollten. Diese Projekte sind preiswürdig, fanden die Vereinten Nationen und zeichneten Hillebrand-Guessant in der UN-Dekade für biologische Vielfalt innerhalb des Sonderwettbewerbs „Soziale Natur – Natur für alle“ aus. Seit mehr als 18 Jahren leistet die mittlerweile 61-Jährige also pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in ihrem Wildgarten. Damit war 2020 Schluss, in diesem Jahr dürfen keine Veranstaltungen mehr stattfinden.

Stadt will helfen

Der Bornheimer Bürgermeister Christoph Becker unterstützt den Einsatz von Elisabteh Hillebrand-Guessant zum Erhalt der Artenvielfalt und den Gedanken, „dieses Thema durch Naturpädagogik vor allem Kindern und Jugendlichen näherzubringen“. Becker will sich noch einmal für eine Lösung für den Wildgarten einsetzen, möglicherweise an einem anderen Ort. Im Jugendhilfeausschuss war im Januar 2020 beschlossen worden, die Eigentümerin bei der Suche nach einem passenden Grundstück zu unterstützen.

Und das kam so: Unter Schutz gestellt wurde das Gelände bereits 1996, und zwar mit Inkrafttreten des Landschaftsplanes Nr. 2 Bornheim. Die hohe Struktur- und Artenvielfalt, der Wert als Lebensraum für Höhlenbrüter, Amphibien und Niederwild sowie einer gefährdeten Pflanzengesellschaft – all das war schutzwürdig. 2015 hatte ein Außendienstmitarbeiter der Bornheimer Verwaltung bei einem Ortstermin festgestellt, dass es vor dem Hintergrund des Naturschutzes für diverse bauliche Anlagen auf dem Grundstück keine bauaufsichtliche Genehmigung gab. Gemeint waren sechs Zelte, ein Toilettenhäuschen und vier Schuppen. Weil „die Errichtung nicht genehmigter Bauvorhaben eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellt“, wurde zunächst ein Bußgeldverfahren eingeleitet.

Als Elisabeth Hillebrand-Guessant ihr Grundstück gekauft hat, wusste sie nicht, dass es unter Naturschutz steht.

Als Elisabeth Hillebrand-Guessant ihr Grundstück gekauft hat, wusste sie nicht, dass es unter Naturschutz steht.

Der Rhein-Sieg-Kreis kam Hillebrand-Guessant entgegen, um „persönliche Härten zu vermeiden“. Beide schlossen einen Öffentlich-rechtlichen Vertrag ab, der der Rundschau vorliegt, in dem der vollständige Rückbau der Anlage bis Ende 2021 geregelt ist. Im Gegenzug verzichtet der Kreis auf ein Bußgeld.

Mit dem Betrieb der Anlage, „wird gegen die Schutzzwecke und diverse Verbote des Landschaftsplanes Nr. 2 verstoßen“, schrieb der Kreis in der Präambel. Was besonders aufstieß: Es waren „nicht bodenständige Pflanzen“ eingebracht worden, und zwar Bambus-Arten, die „gebietsfremd im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes“ sind. Also wurde im Vertrag der vollständige Rückbau der Anlage schrittweise bis Ende 2021 geregelt. Stattdessen soll eine Streuobstwiese entstehen.

Lob vom LSV

Die Auszeichnung im Rahmen der UN-Dekade für Biologische Vielfalt belegt eine naturpädagogisch wertvolle Arbeit des Wildgartens“, sagt Dr. Michael Pacyna, Vorsitzender des Landschafts Schutzvereins Vorgebirge, auf Anfrage. Diese Arbeit schätze der LSV, „dem es ein Anliegen ist, Kinder und Jugendliche mit der Natur vertraut zu machen und für den Naturschutz zu begeistern“. In die behördlichen Verfahren habe der LSV aus Datenschutz-Gründen keinen Einblick und auch kein Recht zur Einflussnahme.

Es ist detailliert aufgelistet, bis wann was verschwinden musste und muss. Einige Beispiele: Baumhaus, Erdgrube, Teich, Weidenbaum, Hainaprikose, Rosen und vor allem der Bambus bis Ende 2017, der Gemüsegarten und Kräuterbeete bis Ende 2019, Bambushütte, Baumhaus, Küche, Pizzaofen aus Lehm, Gemüsebeete und Bienenstöcke bis Ende 2020. Bis zum kommenden Jahreswechsel müssen noch der Geräteschuppen und das Kompostklo entfernt werden.

808 Unterstützer haben Petition unterschrieben

„Ausgerechnet aus Gründen des Natur- und Artenschutzes soll der Wildgarten geschlossen werden“, wundert sich Aura-Shirin Riedel. Die kontinuierliche Pflege und sanft-ökologische Bewirtschaftung des Geländes „hat aus einer anfänglich monotonen Brombeerfläche eine bunte und lebendige Naturlandschaft geformt. Hier haben zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ihr Zuhause gefunden“, schreibt sie in ihrer Petition. 808 Unterstützer haben sich seit Jahresbeginn bereits eingetragen, die Eingabe läuft noch gut zehn Wochen. Anschließend soll sie der Kreisverwaltung übergeben werden.

Die macht auf eine Anfrage der Rundschau hin aber schon deutlich: „Frau Hillebrand-Guessant hat in einem Naturschutzgebiet einen Garten mit vorwiegend Zierpflanzen und invasiven Arten wie beispielsweise Bambus angelegt. Dies ist nicht erlaubt. Gerade Bambus kann sich aggressiv ausbreiten. (...) An dem Vertrag ändert auch die Petition nichts.“

Rundschau abonnieren