Wiederaufbau nach der FlutHändler in Rheinbachs Zentrum machen fast alle weiter

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Dirk Ronig bei euronics verkauft seine Waren nach der Flut aus Zelten heraus.

Rheinbach – Das Scherengitter in der Klinkerfassade ist offen, doch die Handtaschen im Schaufenster dahinter werden höchstens noch beim Räumungsverkauf vom 26. bis 28. Februar Käufer anlocken. Während in der Nachbarschaft ein Gewerbetreibender nach dem anderen seinen Laden wieder öffnet, gibt der Inhaber von Lederwaren Fingerhuth das Geschäft auf.

Die Flut hat dem Unternehmen den Rest gegeben. Zu hoch wäre die Investition für den Neuaufbau in dieser aussterbenden Einzelhandelssparte.

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Lederwaren Fingerhuth in Rheinbach wird troz der Ankündigung auf dem Schaufenster nicht weitermachen.

Das Banner „Wir kommen wieder“ trifft nun bloß noch auf die meisten anderen Geschäfte Vor dem Voigtstor und an der Hauptstraße in Rheinbach zu. Und da tut sich viel. Wir haben uns umgeschaut.

Bürobedarf im alten Fitnessstudio

An der übernächsten Straßenecke hat Engler Bürobedarf vorübergehend das gesamte Geschäft ins Obergeschoss verfrachtet. Schon seit dem 29. Juli.  Das ehemalige Fitnessstudio von Bernd Scheuren stand ohnehin leer. „Das Wasser stand einen Meter im Laden, bis zum dritten Regalbrett. Die Frontscheibe war weg, so dass eine Schlammwelle bis in den Altbau geschwappt ist. Papier und Wasser sind keine Freunde“, beschreibt Christine Weber die Ausgangslage für das Geschäft, in dem sie seit Jahren arbeitet.  

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Christine Weber packt bei Bürobedarf Engler Waren aus. Im Obergeschoss, in einem ehemaligen Fitnessstudio geht es derzeit weiter.

Im Erdgeschoss ist seit einer Woche ein neuer Estrich drin, wo früher auf Holzbalken ein sandgefüllter Fußboden ruhte. Nun hängt es noch an der Türanlage, dem Maler und der Decke.

„Von der alten Deckenverkleidung waren nur drei Elemente durch hängende Teile weggerissen worden, aber nach 50 Jahren gab es dafür keinen passenden Ersatz mehr.“ Die Firma Engler hatte Glück. Der Nachmieter für die erste Etage, der just am Tag der Flut, dem 14. Juli, den Vertrag unterschrieben hatte, wartet mit dem Einzug, bis das Erdgeschoss fertig ist. „Das wird Ostern“, schätzt Weber.

Möbellager in Oberdrees geflutet

Bisher ist die Versicherung aber nur bereit, einen Bruchteil des Schadens zu übernehmen, der sich auf eine sechsstellige Summe beläuft. Weber: „Wir hatten gerade acht Paletten Schulsachen in den Keller geräumt, als die Flut kam. Unser Möbellager in Oberdrees war auch geflutet.“

Die neun Mitarbeiter packten beim Aufräumen kräftig an, reinigten Metallregale, und ein befreundeter Berufskollege aus Honnef war plötzlich da und half. Jetzt lagern viele Dinge bei Pallotti und in höher liegenden Garagen, auch bei Holzkunst Mostert, dessen Inhaber schon nach der Flut anrückte, als das geborstene Schaufenster niemanden aufgehalten hätte, den Laden zu plündern.

Der Platz ist eng in Englers Haus. Der Konferenzraum ist gerade Packstation. Das Treppenhaus schmal, und ein Problem gärt im Keller des Altbaus: Von dort aus breitet sich seit der Flut Gestank aus.

Friseur Welzel baut ein zweites Mal neu

Haarstylistin Daniela Welzel schimpft auf den Gutachter. Seit Wochen wartet sie auf das Ergebnis, zumal ohnehin bloß der Inhalt ihres Geschäfts versichert war, dessen Wert sie mit 90 000 Euro errechnet hat. Den Gebäudeschaden hofft sie, mit der Hilfe eines befreundeten Versicherungsmaklers, der beim Ausfüllen des Antrags an die Bezirksregierung half, zu 80 Prozent vom Staat decken zu können. 290 000 Euro  Schaden am Haus, nennt sie. Freunde und Helfer von werweißwo haben nach der Flut geholfen. Denen sie sehr dankbar ist.

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Pauline Kreuser arbeitet im alten Laden am Haar einer Kundin. Türzargen lassen bis ins Mauerwerk blicken.

Neben dem alten Geschäft, das der Vater aufgebaut hat, hatte sich Welzel mit ihrer Tochter Paulina Kreuser vier Wochen vor der Flut einen neuen Laden eingerichtet. Während Handwerker ihn nebenan gerade zum zweiten Mal herrichten und die Möbel noch einmal gekauft wurden, werden im alten Laden Haare geschnitten – seit der Strom in der fünften Woche nach der Flut wieder da war.

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Bei Welzel wird verkauft, was die Flut übrig ließ: Produkte und die Möbel der Großmutter.

Der ramponierte Fußboden und Türzargen, hinter denen Mauersteine hervorlugen, stören dabei nicht. Die Heizung stand gerade hoch genug, um verschont zu bleiben. „Der große Laden wird vermietet, der kleine fein gemacht. Noch diese Woche wollen wir umziehen“, kündigt Welzel an. Von der Einrichtung ihrer Eltern blieben nur ein paar Stücke, weil die kurz vor der Flut wegen einer Renovierung nach unten getragen worden war. Spiegel und ein Tisch stehen noch im Laden. „Wenn sie einer kauft, sind sie  weg.“

Plastikfreier Laden verlor Holzregale und Lebensmittel

Auch „Unverpackt“ kommt wieder: Am 25. Februar. Yvonne und Lars Pfliegner richten sich gerade den Traum von einem plastikfreien Laden mit Bioprodukten neu ein. Der Vermieter hat teils in Eigenleistung die Innenwände neu hochgezogen, verputzt und gestrichen. Die Massivholzregale  im vorderen Ladenteil sind aufgequollen. Zwei Stufen höher  reichte es, einige Bretter auszutauschen.

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Yvonne Pfliegner von Unverpackt beschriftet die neuen Behälter in den neuen Regalen

Doch vor allem die Lebensmittelvorräte sind hinüber, bei dem, was nicht in der Flut unterging, ist das Haltbarkeitsdatum abgelaufen. Als die Flut kam, gelang es noch, das Kassensystem und ein paar Sachen, die auf dem Boden standen, zu retten. Das kleine rote Auto der Firma wurde weggespült. Für das junge Geschäft eine harte Prüfung: „Wir hatten neun Monate offen, nun sieben geschlossen“, sagt Yvonne Pfliegner. Sie sucht auch Alternativen. So hat sie sich das Ladenlokal von Fingerhuth angeschaut, aber ihr alleine ist das zu groß. Versichert ist das Paar im Geschäft – privat, am Eulenbach, gibt es noch Probleme.

Elektrogeräte aus dem Zelt

Dirk Ronig, Inhaber und Geschäftsführer von Euronics verkauft seine Elektrogeräte seit Monaten aus Zelten im Hof heraus. Auf die Ausstellung von Computern muss er dabei aus Sicherheitsgründen verzichten. Die Kasse steht auf Paletten, die Fernseher laufen in den provisorischen Regalen. „Der Vermieter tut, was er kann“, sagt Ronig.

Doch im Untergeschoss geht es trotz monatelangen Trocknens nicht voran. Lüftungs- und Fensterbauer sind aber am Werk. „Estrich, Elektro, die abgehängte Decke – wenn alles glatt läuft, bin ich Ende Mai zurück im alten Laden.“ Das Zelt hat er für ein Jahr gemietet, weil er unbedingt am vertrauten Standort bleiben will.

Schon vier Wochen nach der Flut legte er ein Garagen wieder mit dem Verkauf los. Versichert ist er, doch nur zum Zeitwert. „Was ist eine 30 Jahre alte Hilti wert, auch wenn sie top ist?“

Kreissparkasse baut Eingang um

Die Kreissparkasse Köln hat in ihrer Rheinbacher Filiale gerade das alte Foyer so weit hergerichtet, dass dort „im Laufe des Februars“, wie Regionaldirektorin Sonja Hertel mitteilte, wieder Geld am Automaten gezogen werden kann.

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Auch ein Gerät für Überweisungen werde aufgestellt. Im Bürocontainer vor der Filiale wird es weiterhin einen Geldautomaten geben, der auch eine Einzahlfunktion hat. Beratungen finden im  Obergeschoss der Filiale statt. Bis Frühjahr soll ein neues Foyer fertig sein, denn der Eingang wird zur Hauptstraße verlegt.

Zwei weitere Geschäfte haben aufgegeben

Bleibt der Abschied von Fingerhuth. Auf der Facebookseite ist zu lesen:  „Viele Kunden  sind bestürzt und traurig, fassungslos und geschockt. Es bleibt nur einmal mehr zu sagen: ,Schätzt, was eure Stadt euch gibt. Gute Beratung kann kein Onlineshop der Welt bieten. Ein leeres Ladenlokal ist eines zu viel‘.“

Oliver Wolf vom Gewerbeverein Rheinbach weiß noch zwei Geschäfte die wegen der Flut nicht mehr öffnen: „Besonderes Schenken“ sowie  das „Zentrum Kunst der Mitte“, das sich  Catharina Oldecop und Mario Mikut 2016 aufgebaut hatten – eine Praxis für ganzheitliche Gesundheit mit Galerie. Zudem gibt es Wackelkandidaten. So zweifeln Nachbarn bei einem kleinen Restaurant noch an der Wiedereröffnung, zumal dort schon „ewig niemand gesehen“ wurde. Vielleicht trocknen aber gerade bloß die Mauern.

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