Observatorium eingerichtetBonner Uni erforscht bei Rheinbach Gravitationseffekte

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Das Observatorium Todenfeld
in der Nähe von Rheinbach.

Das Observatorium Todenfeld in der Nähe von Rheinbach.

In einem Oberservatiorium bei Rheinbach wird nach Schwerkrafteffekten geforscht. Wissenschaftler der Universität Bonn haben dort Messgeräte installiert.

Forscher der Universität Bonn haben im Observatorium Todenfeld wenige Kilometer von Rheinbach entfernt ein Supraleitgravimeter installiert. Mit dem extrem empfindlichen und dennoch transportablen Gerät lassen sich winzige Änderungen im Milliardstel-Bereich der Schwerkraft messen. Es ist eines von nur vier vergleichbaren Instrumenten in Deutschland und das einzige, das von einer Universität betrieben wird.

Mit dem Supraleitgravimeter lassen sich unter anderem minimale Änderungen von Grundwasserständen, die Verformung der Erde aufgrund der Anziehungskräfte von Mond und Sonne, Bewegungen des Erdkerns sowie Erdbeben messen.

Niob wird bei minus 269 Grad zum Supraleiter

Herzstück ist eine 2,5 Zentimeter große und nur fünf Gramm schwere Kugel. Sie besteht aus dem Übergangsmetall Niob. Dieses Metall wird nahe dem absoluten Nullpunkt zum Supraleiter. In diesem Zustand kann die Kugel in einem äußeren, nestartigen Magnetfeld ohne nennenswerte Verluste frei schweben. Sie ändert dann ihre relative Position nur noch aufgrund von Schwankungen der gravitativen Anziehung oder wenn sich der Untergrund bewegt.

Die schwebende Kugel reagiert auf Gezeiteneffekte durch die Anziehung von Mond und Sonne, auf Deformationen der festen Erde oder Schwingungen des Erdkerns, auf Änderungen des Wassergehalts im Untergrund oder auf seismische Ereignisse wie Erdbeben. Das Instrument mit der Bezeichnung „iGrav-043“ beschafften die Forschenden der Universität Bonn mit finanzieller Beteiligung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Landes Nordrhein-Westfalen.

Es ist eines von nur vier vergleichbaren Instrumenten in Deutschland
Prof. Dr. Jürgen Kusche vom Institut für Geodäsie und Geoinformation

„Es ist eines von nur vier vergleichbaren Instrumenten in Deutschland und das einzige, welches von einer Universität betrieben wird“, sagt Prof. Dr. Jürgen Kusche vom Institut für Geodäsie und Geoinformation, Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) „Matter“ und „Sustainable Futures“ der Universität Bonn.

Das empfindliche Gravimeter wurde von seinem bisherigen Einsatzort, einem Labor in einem stillgelegten Luxemburger Bergwerk, nach Todenfeld transportiert. Das Forschungsteam montierte das Messgerät auf einen Betonsockel, und kühlte es auf minus 269 Grad Celsius ab. Hierfür musste es mit einem Kompressor zur Kühlung des Sensors und einer GNSS-Antenne zur exakten Zeitsynchronisation verbunden werden.

Während der Aufbau selbst nur einige Tage dauerte, erwies sich die Einrichtung als langwierig. „Weil das iGrav sehr empfindlich ist, müssen zahlreiche Schritte berücksichtigt werden, um das Gerät mechanisch zu isolieren und die Feinjustierung und den Ausgleich der lokalen Schwerkraft im Observatorium in 400 Metern Höhe vorzunehmen“, berichtet Kusche.

Kugel muss frei schweben

Das Team kühlte das Instrument in einem mehrstufigen Prozess mit gasförmigem und flüssigem Helium ab. Dann schalteten die Forscher nacheinander mehrere im Gravimeter verbaute Spulen ein, um ein stabiles Magnetfeld zu erzeugen, damit die Niobkugel frei schweben kann. „Bei ähnlichen Versuchen während des Aufbaus am vorherigen Standort in Luxemburg schwebte die Kugel nicht auf Anhieb, sondern schien am Boden zu haften“, berichtet Kusche, „deshalb mussten wir extrem vorsichtig sein“.

Geduld und Ausdauer waren gefragt. Mit Unterstützung des Herstellers aus San Diego/USA konnte die Installation schließlich abgeschlossen werden. „Das war hervorragendes Teamwork aller Beteiligten“, sagt Professor Kusche. „Jetzt sind alle gespannt, was die ersten Messungen zeigen werden.“ Seitdem überwacht das iGrav im Observatorium Todenfeld kontinuierlich die Variationen der Beschleunigung des Schwerefeldes.

Wir sehen bereits sehr deutlich die Gezeiteneffekte von Mond und Sonne
Dr. Basem Elsaka, Universität Bonn

„Wir sehen bereits sehr deutlich die Gezeiteneffekte von Mond und Sonne“, freut sich Dr. Basem Elsaka aus Kusches Arbeitsgruppe Astronomische, Physikalische und Mathematische Geodäsie. Und sein Kollege vom Sonderforschungsbereich „Regionaler Klimawandel: Die Rolle von Landnutzung und Wassermanagement“ (SFB 1502), Dr. Benjamin Gutknecht, ergänzt: „Das Gerät ist so empfindlich, dass wir auch Bewegungen von Erdbeben beobachten können. In dieser Hinsicht ist das Gravimeter sogar ein Seismometer.“

Im Observatorium Todenfeld kontrolliert Dr. Basem Elsaka die mechanische Isolierung des Kühlkopfes eines Supraleitgravimeters.

Im Observatorium Todenfeld kontrolliert Dr. Basem Elsaka die mechanische Isolierung des Kühlkopfes eines Supraleitgravimeters.

Unter idealen Bedingungen ist das iGrav theoretisch in der Lage, Massenveränderungen mit einer Zeitauflösung von etwa einer Minute zu erkennen, die einer Wasserhöhenänderung von nur einem Millimeter entsprechen. Diese Messgröße ist wichtig, um Veränderungen des Gesamtwasserspeichers im Untergrund zu erkennen, wie sie der SFB 1502 untersucht.

In den nächsten Wochen wird das Team das System weiter beobachten, die Drift- und Rauschbedingungen analysieren, den Einfluss der Gezeiten durch Mond und Sonne herausrechnen sowie eine permanente Internetverbindung installieren. Kusche: „In Zukunft wird es möglich sein, das iGrav der Universität Bonn auch an anderen Orten im Rahmen von Forschungskampagnen einzusetzen.“

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