Versuchter MordMann soll Schwager in Bonn beim Gebet mit Messer angegriffen haben

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Prozessauftakt in Bonn. (Symbolbild).

Prozessauftakt in Bonn. (Symbolbild).

Bonn – Die Feiertage verbrachte der stille Mann immer bei seiner Schwester und ihrem Ehemann in einer Beueler Wohnung. Ansonsten lebte der 47-Jährige, der im Jahr 2000 aus politischen Gründen seine ostanatolische Heimat verlassen hatte, zurück gezogen in einem kleinen Zimmer. Die deutsche Sprache hat der Analphabet nie gelernt; in einem Gärtnereibetrieb soll er Sträuße gebunden haben, soziale Kontakte hatte er, bis auf die Familie seiner Schwester, keine.

Doch genau deren Mann soll er am Silvesterabend 2021 zu töten versucht haben. Seit Montag muss er sich wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung vor dem Bonner Schwurgericht verantworten.

Mann soll bei Festnahme in Bonn-Beuel ein Gebet gemurmelt haben

An jenem Abend, so die Anklage – soll er seinen Schwager, der sich nach dem gemeinsamen Abendessen zum Gebet zurückgezogen hatte, ohne weitere Ankündigung mit einem Obstmesser angegriffen haben.

„Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte“, übersetzte der Dolmetscher die leise geflüsterten Sprachfetzen des einstigen Ziegenhirten. Kurz zuvor habe die Schwester noch eine Schale mit Obst auf den Tisch gestellt. „Keine Ahnung, was in mich gefahren ist, dass ich das Obstmesser vom Tisch genommen habe.“

Trotz zahlreicher Nachfragen des Kammervorsitzenden Klaus Reinhoff konnte oder wollte er sich nicht an Details und an die Dramatik des Geschehens erinnern. Als er von einer jungen Polizeibeamtin im Hausflur festgenommen wurde, soll er – zusammengekauert und versunken – ein „arabisches Gebet“ gemurmelt haben. So jedenfalls steht es im Festnahme-Protokoll.

Angeklagter soll Schwager in den Hals gestochen haben

Zuvor soll er – so die Anklage – den 61-jährigen Ehemann seiner Schwester hinterrücks angegriffen, zu Boden geworfen, sich dann auf ihn gekniet und mit dem Messer in den Hals gestochen haben; dabei war die Klinge abgebrochen. Die Schwester war dazwischen gegangen, hatte versucht, den Bruder von ihrem Ehemann wegzuziehen.

So konnte der 61-jährige Angegriffene auf den Hausflur fliehen und dem Angeklagten, der immer noch hinter ihm her war, die abgebrochene Klinge abnehmen. Ein Nachbar schließlich überwältigte den Angreifer und hielt ihn fest, bis die Polizei eintraf.

Der Schwager erlitt eine tiefe Schnittwunde am Hals, bei der die Drosselvene verletzt wurde, es bestand akute Lebensgefahr. Bis heute sei der Frührentner traumatisiert, berichtete sein Anwalt.

Der Angriff in dem besonders geschützten Raum, im Kreis der Familie, habe bei ihm auch psychisch eine tiefgreifende Wunde hinterlassen. Von dem Angeklagten fordert er – in einem Adhäsionsantrag – 20.000 Euro Schmerzensgeld.

Sohn des Opfers soll Rolle in dem Kapitalfall spielen

Eine Rolle in dem Kapitalfall spielt offenbar der Sohn des 61-jährigen Opfers aus dessen erster Ehe: Kurz vor dem Attentat hatte der Angeklagte fast eine Stunde mit dem 41-Jährigen, der in Süddeutschland lebt, telefoniert.

Der Sohn soll seinen Vater verachten, weil er die Familie vor Jahren im Stich gelassen und ihm seine „Kindheit kaputt gemacht“ habe. Der Vater sei „ein schlechter Mensch“, soll er in dem Telefonat gesagt haben.

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Seinen Onkel, zu dem er ein vertrautes Verhältnis hat, soll er aufgefordert haben, ihm in dem Konflikt zu helfen. Nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte – damals zwischen allen Stühlen – sich plötzlich unter Druck fühlte, in dem Familienzwist „etwas klären zu wollen.“

Am Tag nach der Festnahme jedenfalls, so berichtete es seine Verteidigerin Astrid Aengenheister am Montag, habe er noch ganz anders gewirkt. „Wie einer, der abgekapselt, unerreichbar ist, wie in einem inneren Film gefangen.“ Heute dagegen wirke er wie gelöst.

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