KindesmissbrauchAcht Monate Haft für 72 Jahre alten Rentner

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Gericht

Symbolbild

Bonn – Seit Jahren kämpfe er gegen Windmühlen, gegen den Staat, gegen Gerichte, gegen Verdächtigungen, er könne ein Exhibitionist sein. Lange wurde ihm geglaubt, aber vor dem Bonner Landgericht hat der 72-jährige Rentner jetzt richtig verloren. Denn in einem Missbrauchsverfahren wurde das Urteil des Amtsgerichts Bonn jetzt zum dritten Mal bestätigt: acht Monate Haft mit Bewährung wegen eines Vorfalls an einem Schulhof am 30. Juli 2016, wo vier Kinder im Alter zwischen fünf und neun Jahren an einem Klettergerüst Zirkus spielten.

An diesem Tag hatte sich der Angeklagte bis auf zehn Meter genähert, die Hose geöffnet und sich nackt gezeigt. Die Neunjährige hatte die Mutter sofort informiert und den Sexualtäter später in einer Wahllichtbildvorlage eindeutig wiedererkannt.

Der gelernte Rechtsanwaltsgehilfe hat den Vorwurf immer bestritten: Er werde – wie seit Jahren schon – zu Unrecht verfolgt. Immer wieder hatte er Berufung oder Revision eingelegt: Im dritten, neu aufgelegten Prozess vor der 2. Kleinen Jugendschutzkammer sollte geprüft werden, ob der Angeklagte – so der Auftrag des Oberlandesgerichts Köln (OLG) – möglicherweise eingeschränkt schuldfähig war, weil er erst im hohen Alter mit einem sexuellen Delikt aufgefallen ist. Entsprechend sollte er sich einem Gutachter stellen.

Aber der Angeklagte verweigerte sich; er ließ den Termin platzen. Ein großer Fehler, hieß es jetzt im Urteil. Denn, so der Kammervorsitzende: „Ein Rechtsstaat lässt sich so nicht vorführen.“ Entsprechend ließ die Kammer das Haus des Angeklagten durchsuchen und Akten beschlagnahmen. Damit wurde die erschütternde Wahrheit offenbar: Denn der Mann ist nicht wegen einer Depression in Frührente, so Richter Wolfgang Schmitz-Justen, sondern weil er bereits seit den 80er Jahren wiederholt als Exhibitionist aufgefallen sei. Zweimal soll er von Anwaltskanzleien, bei denen er einen guten Job hatte, rausgehauen worden sein, auch im Zeitungswesen hatte er noch eine gute Stelle, aber sie schließlich auch einschlägig verloren. Trotz der Vorwürfe als exhibitionistischer Serientäter ist es zwar zu Prozessen, aber nie zu einer Verurteilung gekommen.

Der Angeklagte hatte im Prozess sogar noch seine 26-jährige Tochter als Zeugin ins Rennen geschickt, die seine Unschuld beteuern musste. Angeblich habe der Vater ihr am Tattag bei Prüfungsvorbereitungen geholfen. Eine klare Falschaussage, so Schmitz-Justen. „Eine Tochter so reinzuziehen, das ist unverantwortlich“, hieß es im Urteil. Anstatt sich seinem pädophilen Problem zu stellen, verfolge er alle mit seiner „zwanghaften Verbiesterung“ (Gutachter).

Da es bei einem Berufungsprozess ein Verschlechterungsverbot gibt, konnte die Kammer die Strafe nicht erhöhen. Erhöht wurden jetzt nur die Bewährungsauflagen: 4000 Euro muss er an zwei Kindereinrichtungen zahlen (Bonner Kinderheim Maria im Walde und „Kinder stark machen. Prävention gegen Missbrauch“).

Darüber hinaus darf der Angeklagte sich Kinderspielplätzen oder Schulhöfen nicht nähern – dabei muss er einen Abstand von 50 Metern halten.

Zum Verhängnis war dem Angeklagten geworden, dass er einen Tag nach seinem nackten Auftritt am Schulhof erneut mit dem Fahrrad vorbeigefahren war – und erkannt wurde: Ein Vater der Kinder hatte den Sextäter über zwei Kilometer mit dem Rennrad verfolgt, bis die Polizei ihn festnehmen konnte. Auf dem Weg hatte er wiederholt an Spielplätzen, Schulhöfen oder auch an einer Wiese gestoppt, wo sich Kinder aufhielten, und er versucht hat, sich zu zeigen.

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