Heidschnucken in Züllighoven„Schnucki“ wird liebevoll mit der Flasche aufgezogen

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Züllighoven – „Schnucki“ saugt an der Milchflasche, die Dorothee Hochgürtel ihr hinhält. Binnen Sekunden verschwindet die komplette Ration der weißen Flüssigkeit in dem wollig schwarzen Wesen. Es wedelt aufgeregt mit dem Schwanz und leckt auch noch an der Kunststoffflasche, als diese längst leer ist. Die Mutter hatte der an Palmsonntag geborenen Grauen Gehörnten Heidschnucke ihre Milch verwehrt. „Sie hat sie zum Verrecken nicht trinken lassen“, sagt Hochgürtel. Und nun stiehlt ihr Ziehkind den echten Osterlämmern auf dem Biolandhof am Rande von Züllighoven die Schau. Die „echten“ Osterlämmer, also jene, die zwischen Karfreitag und Osterdienstag geborenen wurden – staksen noch am Stallgebäude um ihre Mütter, während die kleine Herde auf einer benachbarten Weide direkt neben einem bei Wanderern beliebten Feldweg den Schatten eines alten Bauwagens sucht.

Die Zahl klettert ständig nach oben

33 große und 23 ganz kleine Schafe leben auf den Wiesen unterhalb des Wachtberger Dorfes. Fast täglich werden es derzeit mehr. Die 15 Ziegen haben ebenfalls gerade Lämmer. 13 an der Zahl. Sie vollführen die abenteuerlichsten Sprünge oder Kletterkunststücke, hüpfen der Mutter auf den Rücken oder kriechen unter dem Bauch hindurch, wenn sie nicht sofort den Weg zum prallen Euter nehmen. Die Milch gehört auf diesem Biohof allein den jungen Tieren. „Käse gibt es hier nicht. Die Lämmer bleiben bei den Müttern bis zum Absetzen“, erklärt die Bäuerin.

Die Lämmer folgen ihren Müttern und die wiederum dem Leitbock, sobald dieser den Platz wechselt. Spaziergänger haben ihre Freude.

Die Lämmer folgen ihren Müttern und die wiederum dem Leitbock, sobald dieser den Platz wechselt. Spaziergänger haben ihre Freude.

Auch vier Ponys, ein Pferd und der Esel „Bruno“ leben auf dem Hof. Und nicht jedes Tier hat einen Namen. Die Ziege „Frieda“ ist so eine Ausnahme. Sie steht in der Hackordnung der Herde ganz unten, ist entsprechend mager, aber trotzdem gerade Mutter geworden. Und das mit ihren acht Jahren.

Hof nach Bio-Richtlinien

Seit 2001 betreibt Hochgürtel den Hof nach Bio-Richtlinien. Eigentlich ist die 61-Jährige Apothekerin, aber seit August widmet sie sich dem Hof als Biobäuerin im Vollerwerb. Trotz Corona-Krise hat sie viel zu tun. Nur die Vermarktung des Veranstaltungsraums, der Platz für 35 bis 50 Personen bietet, pausiert derzeit notgedrungen. Ansonsten regieren hier auf dem Hof die Tiere. Und Hochgürtel kennt sie alle ganz genau mit all ihren schon in den ersten Lebenstagen erkennbaren Veranlagungen und schwärmt von der Schönheit ihrer Tiere. Die Schafe tragen mit dem im Zuchtbuch verzeichneten Bock zum Erhalt der vom Aussterben bedrohten alten Rasse bei. Und „Schön“ bedeutet hier „kräftig“, „wohlgeformt“ und „stark“, um ohne große Hilfe zu überleben. „Die Ziegen ziehen irgendwie jede Krankheit an, aber die Heidschnucken sind absolut robust. Im Sommer brauche ich mich fast gar nicht um sie zu kümmern. Sie müssen nur geschoren werden“, sagt Hochgürtel und freut sich, dass die nächste Generation noch etwas mehr als die vorige auf die Waage bringen wird: „Das ist der Zuchterfolg.“ Die Rasse sei vor allem deshalb aufgegeben worden, weil die Tiere bei gleicher Haltung nur halb so viel Fleisch brachten, wie moderne Rassen. „Der Schlachter kostet aber bei jedem Tier das Gleiche. Und ich muss mir immer überlegen, ob es sich lohnt, ein Tier aufzuziehen, dass im Ende kein Geld einbringt.“ Die Wolle ist seit Jahrzehnten kein Geschäft mehr. Und das Fleisch schwer zu vermarkten.

Herz siegt über Verstand

„Das mag kalt klingen, aber eigentlich ist es besser, ein Tier sterben zu lassen, das von der Mutter nicht angenommen wird, oder es zu verschenken.“ Was das Herz dann wirklich sagt, beweist die leere Trinkflasche in ihrem Arm und das Gefühl das sie hat, wenn das kleine Tier, sobald es die Bäuerin sieht, freudig meckernd auf sie zugerannt kommt, so schnell die jungen Beine es tragen. „Es wird mir immer nachlaufen. Das ist der Preis dafür“, sagt Hochgürtel und klingt dabei beinahe so, als wäre das eine Bürde.

Osterlämmer

Ostern gegessen oder Ostern geboren? Der Volksmund spricht bei beidem vom Osterlamm. Allerdings sind die Lämmer, die zum Osterfest auf den Teller kamen, allesamt schon lange vorher geboren. Die meisten diese Osterlämmer kamen bereits im Dezember oder im Januar zur Welt.

Für manchen Schäfer macht es keinen Unterschied, wann die Lämmer geboren werden. Theo Burbach, Inhaber einer Schäferei in Alfter, etwa sagt: „Ob vor oder zu Ostern geboren macht keinen Unterschied. Gegessen werden sie letztlich alle.“

Die richtigen Osterlämmer aber, sagt Dorothee Hochgürtel, sind jene Tiere, die an den Feiertagen zur Welt kamen. In diesem Jahr ist allerdings keines ihrer Tiere genau an Ostersonntag geboren. „Sie haben wohl gespürt, dass es Kalt wird und etwas gewartet. Das können sie.“ So sind auf ihrem Hof an Karfreitag und an Osterdienstag Osterlämmer geboren. (mfr)

„Namen bekommen nur die Tiere, die bleiben. Die nicht gegessen werden. Darum rufe ich jede der jungen Heidschnucken ,Schnucki‘“, erklärt Hochgürtel. Aber sie nutzt auch andere Allerweltsnamen. Als eine Erstlingsmutter ausweicht, ruft sie: „Mäuschen! bleib ruhig hier.“ Die Heidschnucke bleibt auch tatsächlich stehen. Aufgeschreckt von unbekannten Besuchern auf ihrer Weide waren die weiblichen Tiere alle dem Leitbock gefolgt – außer „Mäuschen“, die mit ihrem staksigen Jungen eine andere Richtung einschlug. Dieses Lamm ist erst gestern Abend geboren“, sagt Hochgürtel stolz. „Die Mütter der ganz jungen Tiere separieren sich immer ein wenig von der Herde“, erklärt Hochgürtel. Einige der Schafe sind noch Kugelrund, und so können Wanderer vom Zaun aus in diesen Tagen vielleicht Geburtszeuge werden.

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