Made in WachtbergDeutsches Weltraum-Radar an den Haken genommen

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Wachtberg – Die Radarfalle für Weltraumschrott zerrt schwer an den acht Haken. Zwei Autokräne – der eine mit 500 Tonnen Tragfähigkeit, der ander mit rund 380 Tonnen – heben kurz nach 9 Uhr an diesem Freitag den ersten von zwei 18 Meter langen Spezialcontainern kurz an. Die Experten wollen das tatsächliche Gewicht ermitteln. In den fünf Jahren, in denen die 40 Millionen Euro teure Radaranlage in Wachtberg entwickelt und gebaut worden ist, waren nur Hochrechnungen möglich. „93 Tonnen“, meldet der Kranfahrer von der Firma Floßdorf in Bad Neuenahr, und Projektleiter Helmut Wilden vom Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik korrigiert die Zahl auf seinem Zettel geringfügig etwas nach unten. 96 Tonnen hatte die letzte Schätzung gelautet.

Lastzug mit 190 Tonnen

Die Verladeaktion neben der für das Drachenfelser Ländchen landschaftsprägenden weißen Kugel kann wie geplant weitergehen. Transportleiter Bernd Segbers von der Firma Pieper, die mit Kuhl-Schwerlast zusammenarbeitet, ist beruhigt. „190 Tonnen wiegt der Lastzug inklusive der Transportfahrzeuge. Wir werden am Sonntagabend starten und bis zum Ziel in Koblenz, auf der Schmidtenhöhe, zwei Nächte brauchen.“ Ein Tageshalt in Oberpleis ist vorgesehen. Ein dritter Transporter nimmt die beiden Radome, die weißen Antennenabdeckungen mit.

Die Achslast beträgt zwar nur zwölf Tonnen, für solche Spezialfirmen „kein wirklich großes Ding“, wie Segbers findet, aber für zwei Straßenbrücken musste eigens der statische Nachweis geführt werden, dass sie halten. Das betrifft einmal die Querung des verrohrten Mehlemer Bachs in Niederbachem und auch den Fußgängertunnel der A 562 in der Rheinaue. Mit 5,5 Metern Höhe ist dieser Transport auch zu hoch für jede Autobahn. Autobahnbrücken sind auf den maximal vier Meter hohen Straßenverkehr ausgelegt. Thomas Eversberg vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) überwachte als Projektleiter des DLR die Verladeaktion. „Wir haben verglichen mit dem Milliarden-Etat der USA kaum finanzielle Mittel und setzten darum auf unser technisches Können. Aber es darf nichts schief gehen.“

Biegt sich der Container wegen der deutlich unterschiedlichen Gewichtsverteilung von Kühlung, Rechner und Radarauge vielleicht durch? Verwindet er sich zu stark in den Haltebändern? Letztlich gab es nur ein winziges Randproblem: Der Kondenswasserablauf der Kühlanlage schaute am Boden zu weit raus, und musste kurz vor dem Aufsetzen auf den Transportanhänger noch schnell umgebaut werden. Doch sonst lief alles glatt.

Je ein Container mit Sender und Empfänger

In dem ersten Container steckt der Sender, im zweiten befindet sich der Empfänger – von außen nur an den zusätzlichen Kühlschlitzen zu unterscheiden, weil der Sender mehr Hitze erzeugt. Auf der Höhe östlich von Koblenz werden die beiden Geräte mit einer schnellen Glasfaserleitung an das Weltraumlagezentrum in Uedem am Niederrhein angeschlossen und von dort aus gemeinsam mit der Bundeswehr gesteuert.

Die Radarstrahlen und ihre Reflexionen ergeben Bilder von festen Teilen, die sich zwischen 300 und 2000 Kilometer von der Erde entfernt befinden, bei schräger Sicht sogar bis zu einer Entfernung von 4500 Kilometern.

Es geht vor allem um den Weltraumschrott im Orbit. „Diese Teilchen haben eine enorm hohe relative Geschwindigkeit und würden einen Satelliten wie in einem Hollywoodfilm auseinandersprengen“, erklärte Eversberg. Und solch ein Satellit in Kühlschrank-Größe kostet locker eine Viertel Milliarde Euro und soll nicht verloren gehen.

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„Es geht um eine kontinuierliche Überwachung. Darum wird alle 33 Millisekunden ein Signal ausgesendet. Das entspricht der Rücklaufzeit des reflektierten Signals, damit sich die Signale nicht stören“, erklärt DLR-Sprecher Jens Fiege. Bis zu 45 Grad lässt sich das Auge elektrisch kippen, weitere 20 Grad mechanisch. Daraus ergibt sich ein enormes Sichtfeld. Eversberg spricht von einem experimentellen System und plant ein weltweites Netz von Radaraugen. „30, auf der gesamten Welt gut verteilt, würden uns einen vollständigen Überblick geben. Das Gerät in Koblenz wird zunächst ehr einen Streifen im Blick haben, der sich vom Nord- zum Südpol zieht, also entlang unseres Längengrads. „Wir haben Anfragen aus Australien und auch in Finnland gibt es Interesse, um mit einem privaten, weltweiten Konsortium diese Technik zu nutzen“, so Eversberg. Die meist jungen Forscher von Fraunhofer leisten die Vorarbeit.

Wie es weitergeht

Die nächste Etappe ist schon eingeleitet: Innerhalb von drei Jahren soll ein zweiter Empfänger gebaut werden, der vielleicht sogar neben der Anlage in Koblenz aufgestellt würde. Das würde die Auflösung des Radarbildes verbessern, aber noch nicht die Bahngenauigkeit verbessern, also noch nicht so gut wie das dreidimensionale Bild sein, das etwa durch ein menschliches Augenpaar erkannt wird. „Dazu bräuchten wir die weiter voneinander entfernt liegenden Standorte“, sagt Eversberg. In Wachtberg ist jedenfalls auch in den nächsten Jahren noch genug zu tun. Das dortige Radargerät beobachtet im 1000 Kilometer-Umkreis alle Körper am Himmel, ist aber blind für Objekte, die kleiner als zwei Zentimeter sind.

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