Zweiter WeltkriegDampfwalze rollte auf Bonn zu

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Bonn – „Wie eine Dampfwalze rollte die 1. Infanteriedivision von der Rur an den Rhein“, schrieb der amerikanische Autor H. D. Knickerbocker über den US-Angriff auf den Rhein Anfang März 1945. Teil dieser „Dampfwalze“ war das 16. Infanterieregiment, das entscheidenden Anteil an der Eroberung Bonns am 8. und 9. März 1945 hatte. Die Bonner wussten längst, dass die Amis anrücken würden.

Große Verunsicherung machte sich unter den Bürgern breit. Würde die im Januar 1945 zur „Festung“ erklärte Stadt wirklich bis zur berüchtigten „letzten Patrone“ verteidigt werden? In der Innenstadt und in der Südstadt wurden am 5. und 6. März die letzten Karten-Rationen abgeholt, dann wurde gewartet. Im Windeckbunker drängelten sich am 8. März 5000 Menschen zusammen.

Das Ende kam dann überraschend schnell – und vergleichsweise unblutig. Vor allen Dingen die deutschen Truppen wurden überrascht. Sie hatten mit einem großen Angriff der US-Truppen mit heftigen Bombardements und Artilleriebeschuss gerechnet – doch die Amis kamen sozusagen auf leisen Sohlen. Der entscheidende Vorstoß auf die Innenstadt kam von drei Bataillonen jenes 16. US-Infanterieregiments in den Morgenstunden des 8. März aus Roisdorf, Alfter und Duisdorf, unterstützt von Panzern. Bereits um 7 Uhr war der Rhein erreicht, das III. Bataillon schwenkte nach Süden ein, andere Bataillone stießen über Lengsdorf und Endenich vor.

Die deutschen Truppen, ausgemergelt und schlecht ausgerüstet, leisteten bis auf wenige Ausnahmen im Westen der Stadt keinen großen Widerstand mehr. Es spielten sich groteske Szenen wie aus einer Filmsatire ab. Zugführer Leutnant R. Smith ließ seine „Boys“ zügig vorrücken, so zügig, dass sie zwölf deutsche Soldaten einholten, denen gar nicht bewusst war, dass das neben ihnen Amis waren. Die Landser marschierten einfach weiter, die US-Soldaten auf der anderen Straßenseite parallel daneben – bis zur Kölnstraße: Die Amerikaner bogen am Rosental links ab, die Deutschen zogen weiter!

Die Liste der beim Kampf um Bonn getöteten deutschen Soldaten führt 56 Namen auf. 1700 Wehrmachtssoldaten gerieten bei der Besetzung der Stadt in US-Kriegsgefangenschaft.

Als letzte wichtige Maßnahme vor der Kapitulation hatte die Stadtverwaltung im Rahmen ihrer geheimen, gegen die Anordnung der Kölner Gauleitung verfolgten Bevorratung Lastwagen mit Lebensmitteln auf ihrem Weg ins Rechtsrheinische in Bonn festgehalten. Im Hauptquartier des alliierten Oberkommandierenden, US-General Dwight D. Eisenhower, soll die Stadt Bonn deshalb später als die „einzige einigermaßen gut versorgte Stadt des linken Rheinufers“ bezeichnet worden sein.

Einige amerikanische Fotos von der Eroberung Bonns wie die Beethoven-Statue auf dem Münsterplatz „schoss“ die berühmte Kriegsberichtserstatterin und Fotografin Lee Miller. (al)

Die Wehrmachtsleitung im Windeckbunker – Oberkommandierender General Georg von Küchler und Kampfkommandant Generalmajor Richard von Bothmer – verzichteten angesichts von 5000 Zivilisten im Windeckbunker auf großen Widerstand. Von Küchler und von Bothmer, der kurz darauf Selbstmord beging, setzten sich mit den verbliebenen Truppen über den Rhein ab, am 8. März um 20.20 Uhr wurde befehlsgemäß von einem deutschen Hauptmann die bereits seit Spätsommer 1944 verminte Bonner Rheinbrücke gesprengt.

Die zivile Übergabe Bonns an die Amerikaner erfolgte am 9. März 1945 um 9 Uhr im Stadthaus (wird derzeit zum Haus der Bildung erweitert) durch den Rechtsdezernenten Max Horster. Die oberen Nazi-Bonzen wie Oberbürgermeister Ludwig Rickert und Gauleiter Josef Grohé hatten schon längst das Weite gesucht. Auf deutscher Seite starben 56 Soldaten, die US-Armee beklagte gerade mal sechs Opfer.

Ähnlich unspektakulär erfolgte auch die Einnahme der damals noch selbstständigen Stadt Bad Godesberg am 8. März 1945. Der befehlshabende General Richard Schimpf, der die 3. deutsche Fallschirmjägerdivision kommandierte, sah aufgrund von Nachschubschwierigkeiten und nur 6000 einsatzbereiten Soldaten keine Chance auf einen ernsthaften Widerstand gegen die anrückenden US-Verbände. Noch in der Nacht zum 8. März entschloss sich General Schimpf, den größten Teil seiner Division auf die rechte Rheinseite zu verlegen.

Buchstäblich in letzter Minute konnten die zurückgebliebenen Behördenvertreter der Kurstadt nach Flucht der Godesberger Nazi-Bonzen wie Bürgermeister Heinrich Alef wenigstens Einfluss auf die Übergabeentscheidung gewinnen. Dem stellvertretenden Bürgermeister, Stadtrat Heinrich Ditz, gelang es, den US-Kampfkommandanten, der von der schon eroberten Godesburg aus die sofortige Kapitulation forderte, von angedrohten Kampfmaßnahmen zurückzuhalten, bis die letzten deutschen Soldaten aufs Rechtsrheinische gewechselt waren.

Wertvolle Hilfe bei der unblutigen Kapitulation leistete der Schweizer Konsul Dr. Franz-Rudolf von Weiss, der sich in die telefonischen Verhandlungen einschaltete. Die formelle Kapitulation der Stadt Bad Godesberg fand dann im Hauptquartier des US-Generals Craig in Miel statt.

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