Um den Friedhof im Ort zu retten, haben die Roderter die Pflege des Geländes in die Hand genommen. Sie starteten eine ungewöhnliche Umfrage.
Interesse an Bestattung?Rodert gibt seinen Friedhof nicht auf – Initiative gegründet

Viele Gäste waren dabei, als das neue Friedhofstor eingeweiht wurde. Gestaltet hat es Günther Hamacher.
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Manch einer dürfte schon gezuckt haben, als er – oder sie – vor Wochen einen Fragebogen im Briefkasten fand. Der erste Punkt der Abfrage: „Ich habe ein grundsätzliches Interesse, auf dem Roderter Friedhof bestattet zu werden.“ Die Antwortmöglichkeiten: Ja. Vielleicht. Nein. Es folgte die Frage, welche Bestattungsform bevorzugt würde, und ob man bereit sei, vorab eine Grabstelle auszuwählen und zu kaufen. Nun ist Sterben ja eher ein Thema, das die meisten gern verdrängen, solange sie können.
Doch die Friedhofsinitiative Rodert hatte gute Gründe für ihre ungewöhnliche Umfrage. Sie will, der Name lässt es erahnen, den Friedhof in dem kleinen Ort erhalten. Der Roderter Friedhof ist der einzige auf Bad Münstereifeler Stadtgebiet, der nicht von der Stadt betrieben wird. Ende Mai des vergangenen Jahres hatte die Pfarrgemeinde St. Chrysantus und Daria mitgeteilt, dass es Probleme mit der Pflege und Unterhaltung gebe.
Aufgeben war keine Option für die Roderter
Für die Roderter war es keine Option, ihren Friedhof aufzugeben. Sie haben gekämpft – und gewonnen. Der Friedhof, der rund 30 Jahre alt ist, hat sein Gesicht verändert. Da ist zum einen das neue, schmiedeiserne Tor. Und zum anderen ein Blühstreifen dort, wo keine Gräber sind. Die Wege sind von Unkraut befreit und gepflegt.
Im Hintergrund, neben der Kirche, ist eine Benjeshecke angelegt worden. Das ist keine richtige Hecke, sondern ein Streifen, auf dem Strauch- und Baumschnitt aufgeschichtet wird. Dort siedeln sich binnen kurzer Zeit weitere Pflanzen an, so dass wertvoller Lebensraum auch für allerlei Getier entsteht. Die Benjeshecke wird so zum ökologisch wertvollen Ersatz für den Container, der bisher dort stand.

Neben der Kirche werden Benjeshecken angelegt. Das Friedhofsgelände solle ökologisch aufgewertet werden, erklärt Heinz Geusen.
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Der erste Schritt der Friedhofsinitiative – Organisatoren sind Andreas Berens, Regina Schlierf-Herborn, Heinz Geusen, Antje Olbricht und Dennis Poensgen – war es, am BICK-Förderprojekt des Erzbistums Köln teilzunehmen. BICK steht für Biodiversitäts-Check in Kirchengemeinden. Will sagen: Friedhöfe sollen so umgestaltet werden, dass sie einerseits wenig Pflegeaufwand brauchen und andererseits ökologisch aufgewertet werden. Dafür wird mit der Biologischen Station ein Konzept erarbeitet. Im Oktober 2024 fand die erste Pflegeaktion statt, im November bewilligte das Erzbistum Fördermittel.
Wir sind in Vorleistung gegangen, da konnte die Kirche nicht Nein sagen.
Die Roderter sind nicht nur bereit anzupacken, sie sind auch spendenfreudig. Das zeigte sich, als das unansehnliche alte Friedhofstor erneuert werden sollte. Knapp 6000 Euro gingen auf dem Konto der Dorfgemeinschaft ein. „Wir sind in Vorleistung gegangen, da konnte die Kirche nicht Nein sagen“, erläutert Heinz Geusen, der auch Vorsitzender der Dorfgemeinschaft ist, den durchaus listigen Plan.
Schlossermeister aus Antweiler fertigte das neue Tor
Der Zufall kam den Rodertern zu Hilfe. Günther Hamacher, Schlossermeister aus Antweiler, hatte für die Dorfgemeinschaft eine Rundbank unter der Linde vor der alten Schule montiert. Er hörte vom Friedhofsthema, schaute sich vor Ort um und sagte sofort zu, das Tor zu bauen. Zückte Zollstock, Zettel und Notizblock und machte eine erste Skizze.
Doch dann traf den 81-Jährigen ein Schicksalsschlag: Seine Werkstatt brannte ab. „Das war eine schwierige Zeit“, sagt er rückblickend. Er sei unterwegs gewesen, auf dem Heimweg habe er eine Rauchwolke gesehen. Der Schock: „Es war alles kaputt.“ Das war der erste Eindruck. Und kurz darauf die Erleichterung, dass das Wohnhaus verschont geblieben war.
Kreuz fürs Tor verhinderte weiteres Ausbreiten eines Brandes
Hamacher hatte schon begonnen, das neue Friedhofstor vorzubereiten. Nicht nur mit Skizzen, er hatte Metallteile auf den Boden gelegt, die das künftige schmiedeeiserne Kreuz formten. Genau bis dahin hatten sich die Flammen gefressen. Das Kreuz lag unverrückt, obwohl die Feuerwehrleute im Einsatz durch die Werkstatt gestiefelt waren und dort Schläuche verlegt hatten.
„Da kommt man schon ans Denken“, sagt der Handwerksmeister. Das Kreuz habe sein Haus geschützt. Aus Dankbarkeit dafür stellte er der Friedhofsinitiative lediglich die Materialkosten und den Aufwand fürs Montieren des Tores in Rechnung und verzichtete auf den Lohn für seine Arbeit.
Die Roderter sind nicht nur engagiert und großzügig, sie sind auch feierfreudig. Die Einweihung des neuen Tores wurde zu einem kleinen Dorffest – auf dem Friedhof. Und weil ja fast 6000 Euro zusammengekommen sind, Günther Hamacher aber nur 5117 Euro in Rechnung gestellt hat, überlegen sie nun schon, was sie mit dem Rest des Geldes machen. Die Themen gehen ihnen nicht aus. Denn die Kirchengemeinde hat zwar die Pläne zur Friedhofsschließung wieder in die Schublade gepackt.
Aber da ist ja noch das Problem mit der Kirche, die seit längerem ungenutzt ist. Dort finden längst keine sonntäglichen Gottesdienste mehr statt. Deshalb fürchten die Roderter, dass die Sparpläne des Erzbistums dort ein neues Ziel finden könnten. Ideen, wie man das Gebäude erhalten und auch wieder mit Leben füllen könnten, gibt es bei der Friedhofsinitiative bereits. Getreu ihrem Motto: Nicht hinnehmen, sondern einfach mal machen.
Mittlerweile liegen auch die Ergebnisse der Umfrage vor. Aus rund 250 Haushalten im Dorf sind 53 Rückmeldungen eingegangen. 44 Teilnehmer wollen definitiv auf dem Roderter Friedhof bestattet werden, fünf sind noch unentschlossen, vier haben bereits einen anderen Ort ausgewählt. 20 Roderter und Roderterinnen sind schon jetzt bereit, eine Grabstätte zu kaufen, fünf besitzen bereits ein Familiengrab. Die Zukunft des Friedhofs scheint gesichert.
Eine botanische Rarität
Man muss sehr genau hinschauen. Die Blüten des Venus-Frauenspiegels sind klein, um nicht zu sagen winzig. Umso größer war die Freude, als die zarten, violetten Sternchen auf dem Roderter Friedhof entdeckt wurden. Denn das Pflänzchen ist eine botanische Rarität. Lediglich ein weiterer Standort im Kreis Euskirchen sei ihm bekannt, sagt Sven Schwarz von der Biologischen Station.

Die Blüten des Venus-Frauenspiegels sind leicht zu übersehen.
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Der Venus-Frauenspiegel sei ein Ackerkraut, das offene Böden brauche, um zu gedeihen. Vermutlich hat es auf dem Roderter Friedhof jahrzehntelang in der Erde geschlummert, bis in diesem Jahr dort ein Blühstreifen angelegt wurde. Denn das Gelände ist früher landwirtschaftlich genutzt worden, wie auf alten Landkarten unschwer zu erkennen ist.