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Drohnen über dem WaldDas Rotwild in Blankenheim wird erneut aus der Luft gezählt

7 min
Rotwild während der Brunft im Hellenthaler Wildgehege.

Vor allem Rotwild, hier ein Hirsch im Hellenthaler Wildfreigehege, bereitet den Förstern im Südkreis Sorgen.

Verbissschäden bereiten im Blankenheimer Wald massive Probleme und verursachen hohe Kosten. Die Bemühungen zur Waldumwandlung laufen ins Leere.

Die anhaltend zu hohe Rotwildpopulation in den Wäldern der Gemeinde Blankenheim, die zu teilweise massiven Verbissschäden führt, soll nun Konsequenzen haben: Im kommenden Frühjahr gibt es eine Drohnenüberfliegung der Waldgebiete der Gemeinden Nettersheim, Dahlem und Blankenheim zur genauen Ermittlung des Rotwildbestandes. In der Gemeinde Blankenheim soll es zudem neu berechnete, höhere und einheitliche Abschusspläne geben.

Martin Ritterbach, technischer Betriebsleiter des Forstbetriebs der Gemeinde Blankenheim, steht „Am Eichholz“, einem dichten Waldgebiet oberhalb von Nonnenbach, und könnte jetzt, wäre er Freund fernöstlicher Pflanzkulturkunst, jubeln: so viel natürlicher Bonsai! Die Wurzelstämmchen der jungen Buchen sind dick, die aufstrebenden Triebe dünn, und in rund 80 Zentimetern Höhe fast wie abrasiert. Doch der Schein trügt.

Das Rotwild frisst die neuen Triebe wie ein Rasenmäher.
Martin Ritterbach

Hier, in einem der 20 Eigenjagdbezirke der Gemeinde Blankenheim, wurden junge Buchen, 0,50 Euro das Stück, angepflanzt. Das ist ein Teil der Naturverjüngung in dem Waldgebiet. 5000 sind es pro Hektar, macht 2500 Euro pro Jahr an Wertsteigerung. Für nur einen Hektar Zukunftswald. Doch diese Rechnung geht nicht auf. Der deutlich zu hohe Rotwildbestand macht alle Bemühung von Ritterbach und seinem Team zunichte.

„Das Rotwild frisst die neuen Triebe wie ein Rasenmäher“, so Ritterbach. Wären mehr Rehe im Blankenheimer Gemeindewald und im angrenzenden Privatwald, wären die Schäden mutmaßlich andere. Rehe sind wählerischer bei der Nahrungsaufnahme, Rotwild gilt eher als Allesfresser.

Eine Kombination aus Wildschutzgatter und Bonsai hilft

Also muss Ritterbach nutzen, was die Wildschadenverhütungsmittelindustrie anbietet, um die nicht nur hier beabsichtigte „auflaufende Naturverjüngung“ zu unterstützen. Im kommenden Jahr sind so unter anderem zwei weitere neue Großgatter zum Jungpflanzenschutz im Gemeindewald von Blankenheim geplant. Mindestens zwei Meter hoch soll der Rotwildschutz sein, für den Übersprung durch Rehe reichen 1,80 Meter aus.

Im Waldgebiet „Am Eichholz“ kann Ritterbach so einen für den Laien nicht sofort als solchen zu erkennenden Effekt zeigen: Hier ein Wildschutzgatter, das bis zu zehn Jahre stehen soll, bis alle Bäume, die dahinter wachsen sollen, aus der „Äsungshöhe“ gekommen sind, davor die erwähnte Bonsai-Kultur. Beide Flächen wurden vor fünf Jahren angelegt.

Fast 100.000 Euro werden in Wildschutzmaßnahmen investiert

Wenige Meter weiter mussten an jungen Douglasien Einzelverbisshülsen, sogenannte „Cactusse“, angebracht werden, um dem Rotwild die begehrten jungen Triebspitzen zu verleiden. Futter, das das Wild hier findet, weil es nicht nur hier aus dem angestammten Habitat aus lichten Wäldern und Offenland am Waldrand mit dem gewohnten Nahrungsangebot aus Gräsern, Beeren, Eichen oder Kastanien durch menschlichen Einfluss immer tiefer in die Wälder getrieben wurde.

Dort wird es zum Problemwild und behindert den angesichts des Klimawandels eingeleiteten langjährigen Waldumbau. Bliebe als eine der bekanntesten Folgen dieses Wandels auch in vielen Eifelwäldern noch der Borkenkäferbefall, weshalb für die Gemeinden zeitweise auch die Holzpreise aus dem Einschlag in ihren Wäldern in den Keller rauschten.

Ungeschützte Pflanzen stehen vor, junge Buchen hinter einem Schutzgatter.

Die jungen Buchen vorne wurden wie die Pflanzen hinter dem Schutzgatter vor fünf Jahren angepflanzt. Vorne werden die ungeschützten Pflanzen ohne Schutz nicht über die Äsungshöhe hinauskommen.

Auf einer Douglasie steckt ein blauer Pflanzenschutz namens Cactus.

Sogenannte Cactusse sind ein Einzelpflanzenschutz gegen Wildverbiss, hier an jungen Douglasien.

Um was es geht, lässt sich für die 3860 Hektar Gemeindewald von Blankenheim – 3430 davon sind Wald in den Eigenjagdbezirken der Gemeinde, 430 gehören zu den gemeinschaftlichen Jagdbezirken – beziffern. In ihren 20 Eigenjagdbezirken und den 20 gemeinschaftlichen Jagdbezirken (1910 Hektar Wald insgesamt) entstehen der Gemeinde, die die Investitionen vorfinanziert, die sie dann von den Pächtern erstattet bekommt, 25.000 Euro Kosten in diesem Jahr. Im kommenden sind es 27.300 Euro. Dafür werden Dienstleister mit den nötigen Aufgaben betraut.

Hinzu kommen die Kosten durch schon entstandene Wildschäden: im kommenden Jahr 25.000 Euro (2025: 15.000 Euro). An Materialausgaben zur Wildschadensverhütung fallen zudem in diesem Jahr 38.600 Euro an, im kommenden sind es voraussichtlich 14.500 Euro. Für den Bau unter anderem von neuen Gattern werden in diesem Jahr 63.800 Euro angesetzt, im kommenden noch einmal 23.800 Euro. Macht alles zusammen im kommenden Jahr rund 90.600 Euro. Um die 100.000 Euro müssen pro Jahr derzeit so alleine für Wildschutzmaßnahmen investiert und vorfinanziert werden, kalkuliert Michaela Bell, stellvertretende kaufmännische Betriebsleiterin der Eigenbetriebe der Gemeinde Blankenheim.

Insgesamt 43.000 Hektar Wald werden mit Drohnen überflogen

Dass man bei diesen Summen handeln muss, ist den Verantwortlichen klar. Am 22. Mai dieses Jahres standen Rotwildpopulation und Wildschadenschutz auf der Tagesordnung des nicht-öffentlich tagenden Arbeitskreises „Strategie und Haushalt“ der Gemeinde Blankenheim. Der für die Diskussion des Themas eigentlich zuständige Fachausschuss wurde übergangen. Es reiche natürlich nicht aus, dann nur die Ergebnisse aus der Beratung hinter verschlossenen Türen dem Ausschuss für kommunale Betriebe mitzuteilen, kritisiert unter anderem Wilfried Wutgen für die SPD-Ratsfraktion das Prozedere.

Ergebnis der Besprechung war, dass man zum einen im April des kommenden Jahres vor Beginn der Vegetationsphase eine Drohnenüberfliegung zur Rotwildzählung durchführen lassen will. Die wird die Gemeinde Blankenheim für ihr Gebiet rund 28.000 Euro kosten. Überflogen werden sollen aber auch die Wälder der Nachbargemeinden Nettersheim, Dahlem sowie Teile der Gemeinden Kall und Hellenthal: insgesamt rund 43.000 Hektar. Die Kosten teilen sich die Gemeinden auf, so Jan Lembach, Bürgermeister der Gemeinde Dahlem.

Experte: Jährlicher Rotwildzuwachs muss wohl abgeschossen

So will man auch im Blankenheimer Forstbetrieb halbwegs verlässliche Zahlen erhalten, wie hoch die unstrittige Überpopulation des Rotwilds im Gemeindeforst tatsächlich ist. Das Problem kann Martin Ritterbach schon mit Blick auf einen der beliebtesten Äsungsplätze am Rand des „Eichholzes“ darstellen: „Hier stehen Großrudel von 40 bis 60 Tieren.“

Nehme man den empfohlenen Richtwert von „drei bis vier, maximal fünf Tieren je hundert Hektar“ (Ritterbach), würde das „Eichholz-Rudel“ also eine Waldfläche von um die 1200 Hektar abdecken können. Tatsächlich liegt die Rotwilddichte je 100 Hektar nur in den 20 Eigenjagdbezirken der Gemeinde Blankenheim derzeit bei „durchschnittlich“ 22 Stück Rotwild.

Die Gemeindemitarbeiter Martin Ritterbach und Michaela Bell stehen im Wald.

Der Wald macht ihnen Sorgen: Martin Ritterbach und Michaela Bell von der Gemeinde Blankenheim.

Michael Lange, Rotwildsachverständiger des Kreises Euskirchen, hat vor diesem Hintergrund in der Arbeitskreissitzung neue und aus seiner Sicht genauere Berechnungsmethoden zur Ermittlung der nötigen Rotwildabschussquote vorgestellt. Lange geht davon aus, dass mindestens der jährliche Zuwachs des Rotwildes im Jagdjahr abgeschossen werden muss. Nur so könne man wenigstens einen weiteren Anstieg des zu hohen Bestandes verhindern. Um ihn aber zu verringern, müsste mindestens ein Fünftel, besser ein Drittel des Mindestwildbestands an Strecke gemacht werden. Die Folge wären deutlich erhöhte Abschusspläne gegenüber der bisher gültigen Festsetzungspraxis durch den Kreis Euskirchen.

Ein Gruppenabschussplan für alle Jagdbezirke muss erstellt werden

Zudem sprach sich Lange für vermehrte Drückjagden zur Rotwildbestandsreduzierung aus und schlug die Umsetzung eines für alle Jagdbezirke geltenden, einheitlichen Gruppenabschlussplans in der Gemeinde vor. Bisher wird auch hier für jeden einzelnen Jagdbezirk ein eigener Abschussplan erstellt.

Das wäre schon deshalb ein Novum, weil offenbar aus Datenschutzgründen Blankenheims oberster Gemeindeförster die Abschusszahlen der Jäger in den Gemeinschaftsjagdbezirken oder den privaten Eigenjagden nicht kennt.

Die Abschussquoten im Jagdjahr 2024/25 wurden nicht erfüllt

Die aktuelle Bilanz für das Jagdjahr 2024/25 sieht jedenfalls zumindest für die 20 Eigenjagdbezirke der Gemeinde Blankenheim nicht allzu gut aus, auch wenn die Quoten steigen: Beim männlichen Rotwild wurden statt der festgesetzten 74 Tiere nur 51 erlegt, eine Quotenerfüllung von 68,9 Prozent. Beim weiblichen Rotwild waren es mit 178 von 188 Stück immerhin 94,7 Prozent, macht insgesamt eine Abschussquote von 87,4 Prozent: 229 Stück statt 262.

Martin Ritterbach zupft einen der „Cactusse“, also einen blauen Kunststoff-Verbissschutz, auf dem frischen Trieb einer jungen Douglasie zurecht. Dieses Bäumchen könnte es schaffen. An anderen, größeren Bäumen kommen etwa Fegeschäden – Hirsch oder Spießer streifen den Bast des nachwachsenden Gehörns ab – oder auch Schälschäden durch den Abriss von Baumrinden dazu.

Bisher wird das Rotwild im Gemeindewald per Autofahrt gezählt

Immerhin würden die Zählflüge per Drohne das Basismaterial für weitere Maßnahmen deutlich verbessern. Denn, man glaubt es kaum, bisher wird gezählt per Autofahrt: Zweimal im Jahr geht es offenbar zumindest in den Gemeinschaftsjagdbezirken des Nachts in Schleichfahrt zu den beliebtesten Rotwildtummelplätzen. 13.000 Kilometer fährt Martin Ritterbach nach eigenen Angaben pro Jahr durch den Blankenheimer Gemeindewald. Zu den Rotwild-Hotspots wie zwischen Ripsdorf und Waldorf, bei Dollendorf oder Blankenheimerdorf und bei Lindweiler.

Gute Laune immerhin können ihm dann die sich wieder stabilisierenden Holzpreise aus dem Verkauf des Einschlags machen. Sie liegen seit 2024 bei um die 1,25 Millionen Euro, das ist auch in etwa die Prognose für 2026. Und die Jagdpachteinnahmen sprudeln ebenfalls. Im laufenden Jahr sind es 270.500 Euro, im kommenden werden es 273.200 Euro sein.


Die Jagdbezirke in der Gemeinde Blankenheim

In der Gemeinde Blankenheim gibt es dreierlei Waldbesitzer: zum einen die Gemeinde selbst, dann die gemeinschaftlichen Jagdbezirke und die Eigenjagdbezirke. Die 20 gemeinschaftlichen Jagdbezirke sind insgesamt 8835 Hektar groß, davon sind 1910 Hektar Wald, davon wiederum sind 430 Hektar Gemeindewald. Die Kommune selbst hat 20 Eigenjagdbezirke mit über 4030 Hektar, davon sind 3430 Hektar Wald. Die Bejagungsfläche privater Eigenjagdbezirke ist 1130 Hektar groß, davon sind 660 Hektar Wald.