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„Lilien-Madonna“Bald pilgern Schmidtheimer wieder nach Barweiler – wie seit Jahrhunderten

6 min
Etwa 20 Personen, die durch einen Wald gehen, sind auf dem Bild zu sehen. Eine Person trägt ein Kreuz, eine andere eine Fahne.

Betend durch den Wald: Die Pilgergruppe aus Schmidtheim ist früh am Morgen auf der 32 Kilometer langen Tageswallfahrt nach Barweiler zur „Lilien-Madonna“.

1825, so die Überlieferung, wanderten Schmidtheimer erstmals zum Wallfahrtsort Barweiler. Im September ist es wieder so weit.

Seit 1825 pilgern Gläubige aus Schmidtheim im September zur 32 Kilometer entfernten „Lilien-Madonna“ nach Barweiler am Nürburgring. In diesem Jahr ist die Tageswallfahrt für den 20. September geplant. Vermutlich ist die Tradition noch um einiges älter als 200 Jahre.

„Wir haben ja nichts an Unterlagen über die Anfänge. Wir wissen nicht, wie lange es die Schmidtheimer Wallfahrt wirklich gibt. Es wurde nichts aufgeschrieben“, sagt Karl Poth und zuckt mit den Schultern. Der 73-Jährige ist seit  52 Jahren bei der jährlichen Tageswallfahrt aus seinem Heimatort nach Barweiler dabei. 

Karl Poth und Ludwig Krumpen haben sich für ein Foto aufgestellt.

Zwei der vier Brudermeister der Schmidtheimer Barweilerpilger: Karl Poth (l.) und Ludwig Krumpen.

Er ist einer der Brudermeister der Pilgergruppe. Das gilt auch für Ludwig Krumpen, in dessen Familie das Ehrenamt eine große Tradition hat. Doch beide können nur mutmaßen, wann alles anfing. Mit Sicherheit ist es mindestens 200 Jahre her.

So steht es in einem von zwei erhaltenen „Barweiler Wallfahrtbüchlein“ von 1914 und 1916: Seit 1825 sei man einmal im Jahr nach Barweiler gepilgert. Hier ist Schmidtheim neben Pilgergruppen aus Krekel, Nöthen, Kirspenich, Flamersheim, Wollseifen und anderen Orten erwähnt. In dem „Wallfahrtsbüchlein“ ist auch von einer Wunderheilung in Schmidtheim aus dem Jahr 1750 die Rede, was eine Dankwallfahrt schon ab diesem Jahr nahelege, mutmaßen Poth und Krumpen.

Barweiler ist seit Jahrhunderten ein bekannter Wallfahrtsort

Barweiler war jedenfalls nachweislich ab 1726 ein in der Nordeifel weithin bekannter Wallfahrtsort. Damals gingen etwa aus Krekel Fußwallfahrer als eine der ersten Pilgergruppen überhaupt dorthin. Man tat es aus tiefer Religiosität, um die Verschonung vor Feuer an Haus und Hof, vor Krankheiten des Viehs, aber auch um Verschonung vor der wieder grassierenden Pest zu erbitten. Nicht nur die Krekeler verbanden den Bittgang mit dem Gelöbnis, ihn alljährlich zu wiederholen.

Bis zum Jahr 2000 waren die Anfänge der Wallfahrer aus Schmidtheim hingegen völlig unbekannt. Die Prozessionsleiter riefen im Vorfeld der Jubiläumswallfahrt vor 25 Jahren dazu auf, vorhandene Unterlagen aus alten Zeiten für eine Festschrift zur Verfügung zu stellen – mit Erfolg. Ein „Wallfahrtsbüchlein“ von 1914 und eines von 1916, letzteres mit „Geschichte und Gebeten“, darunter auch die erwähnte Wunderheilung aus Schmidtheim von 1750, wurden gefunden. 1825 war damals als offizieller Beginn der Tradition benannt.

Es ist die Gemeinschaft unterwegs. Und man kann abschalten und zu sich kommen.
Karl Poth, Brudermeister der Pilgergruppe

Wenige Wochen vor der mithin mindestens 200. Wallfahrt der Schmidtheimer Pilgergruppe schauen Karl Poth und Ludwig Krumpen am Pilgerkreuz in der Gemarkung „Im Eichholz“ oberhalb von Schmidtheim nach dem Rechten. „Wir haben schon ein paar Mal erlebt, dass die Blumen, die wir rund ums Kreuz angepflanzt haben, vom Wild verbissen wurden“, so Ludwig Krumpen. Also haben sie es zuletzt mit Geranien und Rhododendron versucht. Und siehe da: Die Geranien leuchten rot, das Grün des Frühsommerblühers nebenan wirkt unberührt.

Am 20. September werden hier kurz vor 8 Uhr am Morgen rund 45 Pilger ihre erste Meditationspause einlegen. Die Gruppengröße ist seit einigen Jahren stabil, so Karl Poth. Die 300 Teilnehmer aus der Vergangenheit werde man aber wohl nicht mehr erreichen, da dürfe man sich keine Illusionen machen.

Die Madonna in goldener Farbe bildet den Mittelpunkt des Altars.

Die „Lilien-Madonna“ in der Kirche von Barweiler wird seit 1726 verehrt.

Kurz zuvor wird die Gruppe am 20. September mit dem Segen eines der beiden Pfarrer aus dem Team des Pastoralen Raums Blankenheim/Dahlem die Pfarrkirche St. Martin in Schmidtheim verlassen haben. Die 32-Kilometer-Strecke bis Barweiler führt sie dann zu rund 70 Prozent durch Wald und Flur, so Poth. Straßen werden, so gut es geht, vermieden.

Im Eichholz geht es über Esch, Alendorf und durch das schöne Lampertstal auf Wanderwegen nach Ahrhütte. Dort ist Mittagspause im Bürgerhaus. Im Anschluss führt der Pilgerweg über den Ahrradwanderweg bis nach Ahrdorf, wo schon eine dort lebende gebürtige Schmidtheimerin mit stärkendem „Pilgerwasser“ auf die Wallfahrer wartet.

Wallfahrer aus den Eifeldörfern kommen im Viertelstundentakt an

Denn es folgt der Anstieg nach Hoffeld. Unterwegs wird natürlich gebetet – etwa den dreifachen Rosenkranz – und gesungen. Während der Anstiege aber ist eine der Gebetspausen geplant. Im Wald vor Hoffeld werden mehrere Pilgerkreuze, auch das der Krekeler, erreicht. Hier gibt es eine Kaffeepause vor dem Abstieg ins Wirfttal. Danach geht es wieder  hinauf zum Ortseingang von Barweiler.

Pfarrer Rainer Justen wird die Schmidtheimer Pilger an der Pfarrkirche begrüßen. Eine für ihn gerade an den Wochenenden in den Pilgermonaten September und Oktober häufig gelisteter Dienst. Denn dann kommen Wallfahrer aus den Eifeldörfern im Viertelstundentakt in Barweiler an. Der Trubel ist vergleichbar dem während der Wallfahrtsoktav in Heimbach. Aus dem Rurtalstädtchen gibt es ebenfalls eine lange Pilgertradition in die Hocheifel.

Der Bagagewagen der Pilgergruppe war einmal ein Pferdefuhrwerk

Ungefähr zehn Stunden nach dem Start werden die Barweilerpilger aus Schmidtheim ihr Ziel erreicht haben und vor der in einer Vitrine geschützten „Lilien-Madonna“ ihr Dankgebet abhalten.

Danach wird der Großteil von ihnen von der Familie oder Freunden mit Autos abgeholt. Die Nacht verbringen sie zu Hause. Das war über viele Jahrzehnte hinweg anders. Man fand ein Bett, zur Not im Heu, in Barweiler. In den wenigen Pensionen des Dorfs übernachten heute noch wenige der Pilger aus Schmidtheim.

Die meisten werden tags darauf am frühen Morgen zurück nach Barweiler gebracht. Von dort steht für alle nach dem Morgengebet der Rückweg an: zu Fuß, über 32 Kilometer. Warum er das alles auf sich nehme? Karl Poth muss nicht lange nachdenken: „Es ist die Gemeinschaft unterwegs. Und man kann abschalten und zu sich kommen“.

Ludwig Krumpen, der aus gesundheitlichen Gründen den Weg nicht mehr zu Fuß gehen kann, meint schlicht: „Ich lebe so meinen Glauben.“ Auch am Steuer der „Kar“, wie die Schmidtheimer seit jeher den Bagagewagen – einst ein Pferdefuhrwerk – nennen, das die Pilgergruppe begleitet. Ausgestattet ist „de Kar“ mit Sitzbänken, Sonnenschirmen und Getränken für die Wallfahrtspausen unterwegs. Und natürlich ist er auch eine Art „Besenwagen“, der Platz für Fußkranke bietet.

So kann bei den Schmidtheimern auch mitpilgern, wer unsicher ist, ob er 32 Kilometer am Stück zu Fuß überhaupt schaffen kann. Dabei sein könne, wer es wolle, das reiche, sagt Karl Poth. Eine Anmeldefrist gibt es nicht. Der Rest findet sich, ist er überzeugt. „Das Beten verlernt man nicht.“


Die Legende rund um den Wallfahrtsort Barweiler

Im 16. Jahrhundert rettete der Legende nach ein Bettler aus dem knapp acht Kilometer von Barweiler entfernten Üxheim hierhin ein Muttergottesstandbild vor den Bilderstürmern im Zuge der Reformation.

Mädchen aus Barweiler schmückten im Jahr 1726 die Statue in der Barweiler Pfarrkirche mit einer Lilie. Sie erblühte Monate später plötzlich neu, das wiederholte sich im Jahr darauf.

Ob das alles wahr sei oder nicht, wollte der seinerzeit für Barweiler zuständige Kölner Bischof genau wissen. Er bat den Abt des Klosters Steinfeld, den Sachverhalt zu prüfen. Der Abt dokumentierte die wiederkehrende Blüte über 14 Jahre. Das „Lilienwunder“ war begründet.

Schon 1726 hatten erste Pilgergruppen auch aus Krekel den neuen Wallfahrtsort erreicht.