Spektakulärer TransportWindradflügel fahren im Schritttempo durch die Eifeler Nacht

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Knackpunkt Rechtskurve Richtung Reifferscheid:  45 Minuten dauert es, bis die 100 Meter lange Passage geschafft ist.  

  • Innerhalb von zwei Wochen werden sechs Blätter für zwei neue Windkrafttürme im Windpark Dahlem IV immer wieder nachts transportiert.
  • Die Art und Weise ist besonders: Zum ersten Mal in der Region wird ein selbstfahrendes Transportfahrzeug genutzt.

Dahlem/Blankenheim – Dafür lohnt es sich, mitten in der Nacht mal kurz aufzustehen. „Ja, ich habe ihn einfach geweckt“, sagt Heinz Hemmersbach aus Schmidtheim über seinen Nachbarn Heinz Thur von der Reifferscheider Straße. Um 1.30 Uhr stehen die beiden an der Abzweigung der Schmidtheimer Hauptstraße zu ihrer Straße mitten auf der Fahrbahn und unterhalten sich munter und ungestört.

Sie warten auf den ersten von sechs Schwertransporten, mit denen die 65 Meter langen Rotorblätter für zwei Windkraftanlagen vom Forstwalder Hof zum Windpark Dahlem IV im Wald oberhalb von Schmidtheim gebracht werden. Dazu ist zum ersten Mal in der Region ein selbstfahrendes Transportfahrzeug im Einsatz.

Schmidtheimer warten gespannt auf den Transporter

Noch ist es ruhig in Schmidtheim, was soll da schon passieren? Doch in dieser Nacht ist es besonders still. Denn die Fahrer eines auf die Begleitung von Schwertransportern spezialisierten Unternehmens haben die Hauptstraße ortsauswärts, die dann zur L207 wird, vor einer halben Stunde mit ihren Fahrzeugen blockiert. „Durchfahrt verboten“ leuchtet auf der Großanzeige auf dem Wagendach. In Richtung Milzenhäuschen kann gerade keiner fahren.

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Beobachter sind    Heinz Thur (l.) und Heinz Hemmersbach.

Die Nachbarn plaudern gut gelaunt weiter in der milden Sommernacht. „Ja, ich war schon da, als die die Fundamente für die beiden Türme gegossen haben“, sagt Hemmersbach. Und dass ihn das doch mächtig beeindruckt habe: „Die benötigen für einen Sockel 120 Betonfahrzeug-Ladungen.“ Und dann seien die Türme der Anlagen 18 und 19 im Windpark Dahlem IV immer weiter in die Höhe gewachsen. Was noch fehlt, sind die „Top-Tower-Elemente“ aus Stahl: die beiden Naben, die Maschinenhäuser und jeweils drei Rotorblätter. Jedes 65 Meter lang und 21 Tonnen schwer.

45 Minuten für 100 Meter und eine scharfe Rechtskurve

Währenddessen nähert sich in ihrem Rücken ein weiteres Begleitfahrzeug. Ein dumpfes Brummen wird immer lauter. Ein gelb-orange lackierter, gigantischer Tausendfüßler kriecht dahinter langsam auf zwölf Achsen heran. Günther Göbel und Daniel Schulz sowie drei Einweiser um das selbstfahrende Monstrum mit dem aufgelegten Rotorblatt sind hochkonzentriert.

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Alle Räder stehen still,  bis das  übersehene Verkehrsschild am Abzweig    nach Reifferscheid etwas beiseite gebogen  ist. 

Göbel und Schulz tragen mit einem Schultergurt befestigte Fernbedienungen. Schulz fährt, bremst und lenkt die sich im Schritttempo bewegende Einheit aus Gestell und Flügel sowie die Plattform für das aufliegende Rotorblatt. Göbel bedient den Rotorblattadapter, der die Tonnenlast mühelos bis zu 60 Prozent aufrichten, neigen und drehen kann. Auf Göbel wird es in den nächsten 45 Minuten ankommen. Eine dreiviertel Stunde, um 100 Meter um eine scharfe Rechtskurve zu fahren.

Übersehenes 80-Zentimeter-Schild hält alles auf

Was die beiden, unterstützt von den Einweisern per Funk, bewegen, ist eine Inter-Combi SP mit Rotorblattadapter Generation 4, erklärt die Pressestelle der TII-Group in Pfedelbach bei Stuttgart. Dort sitzt der nach eigenen Angaben Weltmarktführer bei selbstangetriebenen Schwerlastfahrzeugen, sogenannten SPMT. Eine Unterform ist die Inter-Combi, die das Tochterunternehmen Scheuerl an das auf komplexe Kranarbeiten spezialisierte Unternehmen Steil aus Trier verkauft hat.

Stopps auf der B51

Probleme hat der Schwertransport in der Nacht nicht nur in Schmidtheim. Gleich der Start um 22 Uhr am Forstwalder Hof ist holprig. Immer wieder veranlasst die begleitende Polizei auf den ersten Kilometern über die B51 einen Stopp, um den sich stauenden Verkehr abfließen zu lassen. Das Problem löst sich erst ab der Abfahrt auf die B258 Richtung Kreisverkehr oberhalb von Schmidtheim. Ab hier werden die L207 und die folgende Kreisstraße abschnittweise für den Verkehr gesperrt, bis der Schwertransport vorbei ist. Der Zeitplan für die 21 Kilometer lange Strecke verzögert sich so um eine gute Stunde. (sli) 

Was in diesen Nächten durch die Eifel rollt, sei für diesen Zweck gerade der Weltstandard, heißt es aus Pfedelbach. Doch der Weltstandard bleibt gerade an 80 übersehenen Zentimetern hängen: einem Verkehrsschild.

Das Rotorblatt wird über Häuser und Bäume geschwenkt

Dabei ist das Rotorblatt zuvor kontinuierlich auf 60 Grad in die Höhe gefahren worden. Das Diesel-Powerpack, das auch die Hydraulik antreibt, leistet ganze Arbeit. Günther Göbel hat die nötigen Meter zuvor exakt berechnet, um über Hausdächer und Bäume zu schwenken. Auch der Wind, der permanent entlang der 21 Kilometer langen Strecke berechnet wird, passt. Er darf nicht mehr als fünf Meter pro Sekunde für einen im 60-Grad-Winkel aufgestellten Flügel wehen. Fahrer Daniel Schulz jedoch drückt an seiner Fernbedienung auf Stop.

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Im Winkel von  60 Grad ist das Rotorblatt hochgestellt, um Häuser und Bäume zu überschwenken.

Bei der Testfahrt der Route haben die Experten offenbar die Straßenschilder am Abzweig Richtung Oberschömbach und Reifferscheid schlicht übersehen. Jetzt stehen sie auf der kleinen Verkehrsinsel im Weg – da sollte der Zwölf-Achser bitte nicht einfach drüberrollen.

Der Zeitplan gerät in Gefahr

Während das hochgestellte Rotorblatt über den ersten Schmidtheimer Häusern in die Nacht ragt – die von Hemmersbach und Thur liegen übrigens außerhalb des Schwenkbereichs –, wird an der Straße gebogen und gezerrt. Der schöne Zeitplan, nach dem man innerhalb des genehmigten Zeitfensters zwischen 22 und 6 Uhr vom Forstwalder Hof bis zum Abladeplatz im Wald kommen will, scheint zu platzen.

Dann endlich greift Daniel Schulz wieder zum Joystick. Ansatzlos setzt sich der Tausendfüßler auf zwölf Achsen mit seiner Last in Bewegung. In Zentimeterbreite kommt er am Straßenschild vorbei und um die Kurve. Langsam senkt sich der Flügel schon wieder ab, dann ist die Inter-Combi SP um die Ecke verschwunden.

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Eine Katze streunt unruhig über die Hauptstraße, der Mond leuchtet – und Heinz Hemmersbach macht sich auf den Rückweg. Er und seine Frau seien ja Nachtmenschen und gingen selten vor drei Uhr zu Bett, sagt er. Dazu hat er jetzt noch fünf Minuten Zeit.

Die nächsten Fahrten sind geplant von Montag, 15. August, täglich bis Donnerstag, 18. August. Der Start ist jeweils um 22 Uhr am Forstwalder Hof vorgesehen.

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