„War eine tolle Zeit“Nach 46 Jahren geht Manfred Poth in den Ruhestand

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Manfred Poth an seinem letzten Tag im Büro.

Manfred Poth an seinem letzten Tag im Büro.

Eifelland – Sein größtes Vorhaben beginnt mit einer Fehleinschätzung. „Das ist jetzt dein Projekt“, sagt Landrat Günter Rosenke im April 2002 zu Manfred Poth. „Na gut“, denkt der, „dann habe ich für die nächsten fünf Jahre ja was zu tun.“ Erst 14 Jahre später wird das Forum Vogelsang eröffnet. „An diesem Tag schien die Sonne“, erinnert sich Poth. 1000 Gäste sind an den Urftsee gekommen, zur Eröffnung des Forums, der Dokumentation „Bestimmung Herrenrasse“ und der Erlebnisausstellung „Wildnis(t)räume“. Für Poth im Nachhinein „der schönste Tag meiner beruflichen Laufbahn“.

Nun endet diese Laufbahn. In Vogelsang. Wo auch sonst? Mit einer Kreistagssitzung. Wie auch sonst? Symbolik pur für einen, der vor 46 Jahren in der Kreisverwaltung klein anfängt und es bis in die dritte Etage schafft, dorthin, wo die Führung sitzt. Unzählige Vorgänge gehen in dieser Zeit über seinen Schreibtisch. Die Konversion Vogelsang ist der herausragendste.

Angefangen als Gewerbeabfallberater

Im Gespräch erinnert sich Poth aber auch an andere Projekte, die etwas tiefer unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung fliegen. Das erste Kreis-Abfallbeseitigungskonzept etwa stammt aus seiner Feder. Als die Tonnen mehr und bunter werden, Worte wie Mülltrennung skeptische Blicke hervorrufen, wird Poth in ein spärlich möbliertes Büro voller Gesetzestexte platziert.

Als Gewerbeabfallberater tourt er durch chemische Reinigungen, um dort die nachhaltige Entsorgung chemischer Stoffe nahezubringen. In Bürgerversammlungen, die zuweilen ihre eigene Dynamik entwickeln, eignet er sich das rhetorische Rüstzeug für spätere Aufgaben an. An seiner Seite sein Geschäftsbereichsleiter. „Franz Unterstetter war der Macher, ich der Verwaltungsmann“, blickt der 65-Jährige auf das „Traumduo“ (Poth) zurück.

Er fühlt sich wohl, widersteht Avancen des Aachener Kreisdirektors, der ihn mit Sprüngen auf der Karriereleiter und in der Gehaltstabelle lockt. Er sagt ab: „Bei drei kleinen Kindern wollte ich nicht jeden Tag nach Aachen fahren.“ Späteren Angeboten, etwa aus Blankenheim oder Schleiden, widersteht er ebenfalls. Mit dem Gemeindedirektoren-Posten in Dahlem liebäugelt er zuweilen selbst, wohl auch, weil sein Vater dort gearbeitet hat.

Allgemeiner Vertreter des Landrats ab 2003

„Bevor ich morgens zu Schule ging, saßen schon Leute bei uns im Wohnzimmer, die mein Vater mit zum Amt Schmidtheim nahm, damit sie ihren Pass verlängern oder anderes erledigen konnten.“ Das prägt. Hinzu kommt die Heimatverbundenheit. Es mache einen Unterschied, sagt er, ob man für die Menschen arbeitet, in deren Umfeld man aufgewachsen ist und lebt, oder woanders.

Poth bleibt also, erstellt das erste Leitbild des Kreises, führt beim ersten Kreishausanbau Regie, wird Büroleiter des Duos Landrat Rosenke/Kreisdirektor Dr. Christopher Metz. Als es zwischen beiden knirscht, versucht er sich als Puffer, Lehrgeld zahlt er auch: „Als Kreispressesprecher hatte ich mich unglücklich über die Stadt Euskirchen geäußert. Da hat mich Bürgermeister Friedl in der Bürgermeisterkonferenz sowas von parat gemacht“, erzählt er wie über einen Schulstreich.

2003 macht Rosenke ihn zum Allgemeinen Vertreter des Landrats. Nun ist er die Nummer zwei im Kreishaus – und wird zum Mann für besondere Aufgaben. Als 2002 beschlossen wird, dass der Kreis nach dem für 2005 angekündigten Abzug der belgischen Truppen bei der Konversion Vogelsang die Feder führt, wird ihm klar: Diese Aufgabe spielt in einer anderen Liga als die bisherigen. Er wird das Projekt prägen, aber das Projekt prägt auch ihn. „In meiner Schulzeit ist die Nazi-Zeit nicht behandelt worden“, sagt er. Warum auch immer. Nun aber soll er dazu beitragen, dass der Ort, den die Nationalsozialisten schufen, um ihrer sogenannten Nachwuchselite die mörderische Ideologie einzubläuen, ein Ort der Bildung, der Demokratie, der Menschlichkeit und der Kultur wird. Auch hier findet Poth den perfekten Mitstreiter: Klaus Ring.

Poth als Integrationsbeauftragter für zahlreiche Menschen

Der 2017 verstorbene Kreiskulturreferent wird für Poth zum „historischen Lehrmeister“. Keine Verlautbarung mit historischem Inhalt geht heraus, ohne dass er sie mit Ring abgesprochen ist. Auch wenn es zwei Jahre länger dauert, am Ende statt 32 gut 45 Millionen Euro kostet und es kritische Stimmen gibt, Poth blickt zufrieden auf das, was entstanden ist, auf die Besucherzahlen, die Bildungsangebote und den Umstand, dass eine dauerhafte Pilgerstätte für Neonazis verhindert wurde.

Als im Herbst 2015 zahlreiche Menschen Zuflucht aus Krieg und Elend suchen, wird Poth Integrationsbeauftragter. „Für mich war klar: Da muss man helfen. Das sagte mir mein christliches Menschenbild“, so Poth, der in einem streng katholischen Elternhaus aufgewachsen ist. Zwar habe er sich als Heranwachsender von dieser Strenge befreit, doch Bergpredigt und Nächstenliebe könne er immer noch sehr viel abgewinnen. Befragt nach seiner aktuellen Lektüre, antwortet Poth in jenem Herbst 2015: „Heiner Geißler: Was würde Jesus heute sagen?“

Dieses Menschenbild sei im Kreis weit verbreitet und Fundament für das rege Miteinander im Vereinswesen und im Ehrenamt, ist er sich sicher. Das habe sich auch 2015 gezeigt. Mit ihrem „Wir schaffen das“ spricht ihm Angela Merkel damals aus dem Herzen. „Ich oute mich“, sagt er sechs Jahre später: „Sie hat an diesem Tag genau das Richtige gesagt.“ Ihn ärgert es in dieser Zeit, wenn die Situation dramatischer dargestellt wird, als sie ist: „Ich habe damals Leute gefragt, wie viele Geflüchtete denn in den Kreis gekommen seien. 25 000, 30 000 lautete teilweise die Antwort.“ In der Hochzeit waren es jedoch 3000 bis 4000, bei 190 000 Einwohnern und elf Kommunen.

Verlorene Landratswahl 2015 gegen Rosenke

Sicher, auch das sei eine Herausforderung, doch die sei bisher gut gemeistert worden: „Die Städte und Gemeinden haben das Wohnungsproblem hervorragend gelöst, der Kreis sorgt für die Integration.“ Dafür wird 2015 mit Landeszuschüssen das Kommunale Bildungs- und Integrationszentrum (Kobiz) eingerichtet, um etwa Sprach- und Integrationskurse zu organisieren, Kindern Unterricht zu ermöglichen und den Helfern zu helfen: „Durch meine Ehrenämter glaube ich zu wissen, wie Ehrenamtler ticken.“

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Die wollten machen, anpacken, doch auch dieses Engagement will koordiniert werden. Dank der Kolleginnen und Kollegen im Kobiz, „die für die Sache brennen“, und der Politik, die den Kurs einmütig mitgeht, sei viel gelungen, macht Poth hinter dieser Aufgabe einen Haken in seiner beruflichen Bilanz.

Die mag er sich auch nicht durch die verlorene Landratswahl 2015 verhageln lassen, als er gegen Rosenke antritt, obwohl er gerade das nie gewollt habe. Darüber, ob Rosenke Jahre zuvor zugesagt habe, sich 2015 zurückzuziehen, oder nicht, sollen andere sich streiten. Von ihm kein Hadern, kein Nachkarten, nur das: „Ich habe damit abgeschlossen.“ Schließlich gelingt es beiden, fünf weitere Jahre die Verwaltung gemeinsam zu führen. Er gehe mit Wehmut, gesteht Poth: „Es war eine tolle Zeit. Was will man mehr?“

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