Einigkeit im Rat EuskirchenHaushalt ohne Gegenstimme verabschiedet

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Für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur, dies beschloss der Rat, stehen bis 2025 pro Jahr 50 000 Euro im Etat bereit

Euskirchen – Wann ist das zuletzt vorgekommen? In diesem Jahrtausend jedenfalls nicht. Das Ergebnis der Abstimmung über die Haushaltssatzung der Stadt Euskirchen für 2021 ist eine Überraschung. Bürgermeister Sacha Reichelt (parteilos) registrierte in der Ratssitzung keine einzige Neinstimme, noch nicht einmal eine Enthaltung. Vorher war der Entwurf der Verwaltung in einigen Punkten geändert worden.

Die ungewohnte Einigkeit hat wohl zu einem bedeutenden Teil mit der Kooperation von CDU und Bündnis 90/Die Grünen zu tun. Sie hatten nach der Kommunalwahl im vergangenen Herbst eine Listengemeinschaft gebildet, die in der Stadtvertretung über eine knappe Mehrheit verfügt. Hatten die Grünen den Etat in der langen Ära von Bürgermeister Dr. Uwe Friedl (CDU) Jahr für Jahr abgelehnt, so konnten sie mit dem aktuellen Zahlenwerk offenbar gut leben. Dabei spielte wohl auch eine Rolle, dass der Rat mehrere Anträge annahm, die die Listenpartner zusammen eingereicht hatten.

Grüne Handschrift im Haushalt

Grünen-Sprecherin Dorothee Kroll leitete daraus ab, dass der Haushalt in Teilen eine grüne Handschrift trage. Er müsse allerdings noch dringend weiter begrünt werden, fügt sie hinzu. Unabhängig vom Farbton wartet der Etat mit einer schweren Hypothek auf. Erträgen in Höhe von gut 149,1 Millionen Euro stehen rund 176,7 Millionen Euro an Aufwendungen gegenüber, wie Kämmerer Klaus Schmitz erklärte. Daraus ergibt sich ein Defizit von knapp 27,65 Millionen Euro.

Das Minus ist in der Hauptsache auf die Systematik der Gemeindefinanzierung zurückzuführen. 2020 hatte eine unerwartete Gewerbesteuernachzahlung der Stadt rund 30 Millionen Euro beschert. Die Folge ist ein drastischer Rückgang bei den Zuweisungen, die Euskirchen 2021 vom Land erhält. Die Prognosen für die kommenden Jahre sind ebenfalls düster. Um die jeweilige Unterdeckung auszugleichen, muss die Stadt tief in die Rücklage greifen. Hinzu kommt die Ungewissheit in der Frage, wie sich die Pandemie finanziell auswirkt.

Investitionen zukunftsfähig machen

Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Michael Höllmann besteht dennoch kein Grund, „Investition, die unsere Stadt zukunftsfähig machen“, aufzuschieben. Im Gegenteil: Corona mache deutlich, was in Euskirchen schon vor der Krise nicht gut funktioniert habe. Höllmann nannte als Beispiel den Stand der Digitalisierung in Betrieben, Schulen und Verwaltung: „Hier wurde in den letzten 15 Monaten viel Boden gutgemacht, aber wir sind noch längst nicht am Ziel.“

In seiner Haushaltsrede wiederholte der SPD-Sprecher bekannte Forderungen seiner Fraktion: eine feste Quote beim öffentlich geförderten Wohnungsbau, einen Ausbau der Schulsozialarbeit und mehr Tempo bei der Aufstellung des von der SPD beantragten Klimaschutzplans.

Abrechnung mit Bürgermeister

CDU-Chef Klaus Voussem nutzte die Verabschiedung des Etats zu einer ersten Abrechnung mit Bürgermeister Reichelt. Mit Blick auf die Bahnhofstraße, die probeweise zur Fußgängerzone werden soll, warf er ihm „wenig durchdachte Schnellschüsse“ vor. Gleichzeitig blieben wichtige Zukunftsthemen liegen, so Voussem: „Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren: Es wird sich mehr um die Befindlichkeiten Weniger gekümmert, statt Politik für die Vielen zu machen.“

Bei ihren Kernaufgaben – wie Sicherheit und Ordnung – bleibe die Verwaltung hinter ihren eigenen Ansprüchen zurück, sagte Voussem. So sei die Situation im Viehplätzchen-Viertel und rund um den Bahnhof „trotz vollmundiger Ankündigungen unverändert prekär“. Seine eigene Fraktion und die des Listenpartners Bündnis 90/Die Grünen bezeichnete Voussem als Gestaltungsmehrheit, die die Weichen „auf Zukunft“ stelle. Den Bereich Mobilität nannte er als gutes Beispiel für einen „bürgerfreundlichen und innovationsorientierten Politik-Ansatz“. In diesem Zusammenhang beantragten CDU und Grüne für die Jahre bis 2025 jeweils zusätzlich 50 000 Euro für den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur. Der Rat stimmte zu. Auch für ihre anderen Anträge (siehe „Beschlüsse“) fand die Listengemeinschaften Mehrheiten.

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Dorothee Kroll zählte die Schwerpunkte der schwarz-grünen Kooperation auf: „Verkehrs- und Energiewende, eine Wohnungsbaupolitik, von der alle in Form von bezahlbarem Wohnraum profitieren, eine kommunale Sozialpolitik und eine Klimapolitik, die nicht auf bessere Zeiten hofft, sondern sich für bessere Zeiten einsetzt.“

Mit der CDU hätten die Grünen nun vieles auf den Weg gesetzt, so Kroll, „was nicht bedeutet, dass jede Fraktion die andere in allen Punkten unterstützen muss“. Am ersten Haushaltsentwurf, den Bürgermeister Reichelt vorgelegt hatte, ließ sie kein gutes Haar: „Keine Ideen, keine Visionen – die Versprechungen des Wahlkampfs geraten zur Makulatur.“ Und den Wechsel auf dem Chefsessel im Rathaus beschrieb Kroll so: „Wir sind entfriedelt, aber keineswegs bereichelt.“

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