AboAbonnieren

Boxen15-jähriger Euskirchener ist deutscher Meister – Fußball war ihm zu langweilig

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt den jungen Boxen beim Training am Sandsack.

Faust auf Faust: Der Euskirchener Jusup Arjewarov gewann in Chemnitz im Halbweltergewicht die deutsche Meisterschaft.

Der Euskirchener Jusup Arjewarov ließ seinen Gegnern im Ring keine Chance. Sein Heimatverein hat nicht mal einen richtigen Trainingsring.

Wenn Jusup Arjewarov so schüchtern im Ring auftreten würde, wie er es im Gespräch mit Frank Hausmann, Vorsitzender des Boxsportvereins Euskirchen (BSV), macht – der 15-Jährige wäre wohl nicht deutscher Meister im Halbweltergewicht geworden. Aber: Sobald der Euskirchener seine rot-weißen Boxhandschuhe anzieht, ist er gefühlt ein anderer Mensch.

Einer, der kräftig zuschlagen kann. Einer, der aber auch taktisch boxen kann. Einer, der dem BSV, der vor sechs Jahren aus dem Postsportverein (PSV) hervorgegangen ist, den größten Titel in der bisherigen Vereinsgeschichte beschert hat. „Wir hatten noch nie einen deutschen Meister. Das macht uns schon sehr stolz. Zeigt aber auch, dass wir hier richtig gute Arbeit machen“, sagt BSV-Chef Hausmann.

Deutscher Meister: Mit neun Jahren das erste Mal die Boxhandschuhe an

Von Beginn an dabei: Jusup Arjewarov. Mit gerade einmal neun Jahren hat der Euskirchener Realschüler das erste Mal seine Boxhandschuhe geschnürt. Nur ein Jahr später stand er das erste Mal in einem Ring und hat unter Wettbewerbsbedingungen geboxt.

Apropos Ring: Einen solchen hat der BSV auch sechs Jahre nach der Gründung nicht. Trainiert wird in der alten Turnhalle der Georgschule, die den Charme der 1960er-Jahre versprüht und nach vielen Jahren Schul- und Vereinssport riecht. Aber wahrscheinlich sind es genau diese Rahmenbedingungen, die gemacht sind für den Boxsport – schließlich müssen Klischees erfüllt werden.

Das Bild zeigt den jungen Boxer, der den Pokal in die Kamera hält. Der Vorsitzende des Vereins lacht und zeigt mit dem Finger stolz auf das Boxtalent.

Stolzer Vorsitzender: BSV-Chef Frank Hausmann (r.) freut sich über den Titel von Boxtalent Jusup Arjewarov.

Doch der BSV hat Pläne, möchte raus aus der alten Turnhalle. Am liebsten würde der Verein in der Jahnhalle, die die Stadt sanieren möchte, sein Domizil aufschlagen. Im Idealfall mit einem richtigen Boxring im Bereich des heutigen Haupteingangs. Kostenpunkt für den Ring: irgendwas zwischen 8000 und 12.000 Euro.

Zurück zum neuen Aushängeschild des BSV: Fünf Jahre nach seinem Ringdebüt räumte der 15-Jährige in Chemnitz einen Gegner nach dem anderen aus dem Weg und wird überraschend, aber völlig verdient deutscher Meister. „Auf dem Weg zum Titel hat der Ringrichter einen Kampf abgebrochen, weil Jusup haushoch überlegen war“, sagt Hausmann. Drei Runden über je zwei Minuten muss der 15-Jährige boxen. „Das ist ganz schön anstrengend“, sagt Hausmann, der früher Football gespielt und sich dann dem Boxen verschrieben hat.

Gegnern bei der deutschen Meisterschaft keine Chance gelassen

Für Jusup Arjewarov war der Erfolg bei der deutschen Meisterschaft der bisherige Höhepunkt seiner Karriere. Einer, den er mit Nachdruck untermauerte. Das Finale werteten die Ringrichter 5:0 für den Euskirchener – eindeutiger wäre nur ein Knock-out des Gegners gewesen. Den Pokal, die Urkunde und Medaille hat er noch nicht mit zur Schule genommen. Vielleicht komme das noch.

Aber auch ohne die sichtbaren Nachweise, dass er ein großes Boxtalent ist, wissen seine Mitschüler und Lehrer um sein Können. Und auch die Schulleitung tut einiges, um dem 15-Jährigen seine Wettkämpfe zu ermöglichen. So wurde er für die deutsche Meisterschaft für einige Tage von der Schule freigestellt.

Die 60-Kilo-Grenze ist mitunter schwer einzuhalten

„Man hat jeden Tag einen Kampf. Das ist schon anstrengend und eine starke Leistung, sich über mehrere Tage immer wieder neu zu fokussieren – auf die besten Boxer aus Deutschland“, sagt BSV-Mitglied Marc Wessling. Das neue Aushängeschild des Vereins wird von Alexander Buschel gecoacht. Bei der deutschen Meisterschaft war aber ein Trainer des Deutschen Boxverbands hauptverantwortlich.

Und was macht ein 15-jähriger Boxer, wenn er nicht gerade einen Titel gewinnt? Er trainiert. Sechsmal in der Woche hat der junge Euskirchener seine Boxhandschuhe an oder geht joggen. Angefangen hat er mal als Fußballer beim Euskirchener TSC. „Das war mir aber zu langweilig“, sagt Jusup Arjewarov, der 1,73 Meter groß ist und ziemlich genau 59,9 Kilo wiegt – zumindest vor den Kämpfen.

Mehr als 60 Kilo dürfen dann nämlich nicht auf der Waage stehen. „Wir müssen auch schon mal Gewicht machen“, sagt Hausmann. So bezeichnet man in der Boxszene das „Zwangsschwitzen“ vor dem Wiegen, um möglichst noch ein paar Kilo oder zumindest Gramm zu verlieren.

Eher gewonnen hat der Verein in der jüngsten Vergangenheit an Mitgliedern. Erstmals in der Vereinsgeschichte hat der BSV mehr als 240 zahlende Mitglieder. Geht die Erfolgsgeschichte um den Verein und Jusup Arjewarov so weiter, dürften noch einige hinzukommen – erst recht, wenn es mit dem großen Wunsch klappt, in die Jahnhalle umziehen und dort einen eigenen festen Ring zu haben. Also einen, der nicht mit Seilen an Badmintonnetzpfosten mehr als provisorisch in einer aus der Zeit gefallenen Halle installiert wird.