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JubiläumEuskirchener Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte feiert 25-Jähriges

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Fünf Frauen unterschiedlichen Alters stehen vor einer gelben Wand und lächeln in die Kamera.

Die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung des Vereins Frauen helfen Frauen.

Die Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung schaut auf 25 Jahre zurück, in denen 12.942 Beratungen stattfanden.

Ein Tisch, ein paar Stühle, ein paar Blöcke und Kulis sowie drei Frauen, die sich nie zuvor gesehen hatten. Diese kurze Zusammenfassung beschreibt den Auftakt der Arbeit in der Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung vor 25 Jahren.

Damals noch in der Hochstraße in der Euskirchener Innenstadt, komplettierte die Einrichtung das Angebot der Vereins „Frauen helfen Frauen“, in dessen Trägerschaft sich bereits die Frauenberatungsstelle und das heutige Schutzhaus für Frauen und Kinder befanden. Ein richtiges Konzept habe es anfangs nicht gegeben, dafür jede Menge Kreativität und Begeisterung für die Sache, aber auch ein wenig Unbedarftheit, erzählt Heike Gerhardt. Sie ist die Einzige, die vom Gründungsteam noch dabei ist.

So war es eine ihrer ersten Aufgaben, alle niedergelassenen Gynäkologen und hiesigen Krankenhäuser abzutelefonieren, um eine Liste zu erstellen, wo Frauen im Kreis Euskirchen einen Schwangerschaftsabbruch durchführen lassen können: „Ich war völlig erschüttert, dass es hier nirgends eine Möglichkeit gab und die Frauen nach Köln, Bonn oder Hürth fahren mussten.“ Und daran hat sich bis zum heutigen Tage auch nichts geändert. „Manche Themen sind einfach geblieben“, sagt Heike Gerhardt, die die Verwaltungsarbeit stemmt.

Vorübergehend war auch ein Mann im Team der Euskirchener  Beratungsstelle

Ausgehend von der „abenteuerlichen Aufbauarbeit“, entwickelte sich die Einrichtung schnell zur etablierten und gut angenommenen Beratungsstelle und vergrößerte sich 2001 in neuen Räumen auch personell um eine weitere Beraterin. Um dem Auftrag, auch Bildungsarbeit zu leisten, gerecht zu werden, stellten die Mitarbeiterinnen 2003 eine Vortragsreihe auf die Beine, in der es um Verhütung, natürliche Familienplanung und Sterilisation bei Mann und Frau ging.

Entwickelt wurde auch das Konzept „Ein Mann zum Reden über Liebe, Sex und Schwangerschaften für Jungen“, für das vorübergehend ein Sozialarbeiter angestellt wurde. „2005 haben wir probiert, sexuelle Orientierung und unterschiedliche Lebensformen mehr in die Öffentlichkeit zu bringen und uns als Beratungsstelle auch für diese Themen offen zu zeigen“, sagt Gerhardt. Bis heute aber scheinen Menschen eher in den umliegenden Großstädten nach entsprechenden Anlaufstellen zu suchen.

Ein alter Zeitungsausschnitt, auf dem die drei Beraterinnen zu sehen sind. Zwischen ihnen steht eine Vase, in der aufgeblasene Kondome wie Blumen stehen.

Vor 25 Jahren eröffnete die Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung. Anstatt Blumen gab es aufgeblasene Kondome in den Vasen: Roswitha Urlaub (v.l.), Karla Götze und Heike Gerhardt.

Ins Schwarze traf das Team der Beratungsstelle 2007 mit einer Infoveranstaltung, bei der es um die neue HPV-Impfung für Mädchen ging, die Gebärmutterhalskrebs vorbeugen soll. „Diese Veranstaltung war sehr gut besucht und die Debatten waren sehr kontrovers“, erinnert sich Gerhardt.

2010 zog die Beratungsstelle von der Bischofstraße in die Räume an der Gerberstraße, wo sie auch heute noch zu finden ist, und startete auch hier Projekte, deren Ausrichtung aus den Beratungen heraus erwuchsen: beispielsweise postpartale Krisen oder auch ein unerfüllter Kinderwunsch, der Frauen in die Beratungsstelle bringt, die sich mit ihren Gefühlen alleingelassen fühlen. Kurz nach der großen Flüchtlingswelle 2015 wurde auch ein spezielles Angebot für Geflüchtete angestoßen.

Schwierige Phase, auch durch die Pandemie und die Flutkatastrophe

2019 war zwar ein Jahr zum Feiern – nämlich das 20-jährige Bestehen, aber auch eines, das große personelle Umbrüche einläutete. Mitarbeiterinnen gingen in Rente, neue wurden eingestellt, manche wechselten bald auf andere Stellen, andere wurden schwanger und gingen in Elternzeit. Und dann brach die Pandemie über das Land herein und der Lockdown erschwerte die Arbeit der Beraterinnen immens. Auch die Flut 2021 hinterließ Spuren in der Beratungsarbeit: „Zu uns kamen Klientinnen und Klienten, die teilweise sehr stark belastet waren durch das Erlebte“, sagt Gerhardt.

„In den zurückliegenden 25 Jahren haben wir 12.942 Beratungen durchgeführt, davon 9062 Schwangerschaftsberatungen und 3880 Schwangerschaftskonfliktberatungen“, resümiert Heike Gerhardt. Die Anzahl der ausgestellten Beratungsscheine habe sich in all den Jahren nahezu die Waage gehalten, „auch wenn immer wieder vermeldet wurde, dass die Anzahl der Abbrüche steigt, wir konnten das hier nicht feststellen“.

Auch die Zahl aller schulischen Präventionseinheiten kann sich sehen lassen: „In den 25 Jahren haben wir 870 durchgeführt und damit 9458 Schülerinnen und Schüler erreicht.“ Heike Gerhardt, die letzte Frau aus der Gründerriege, wird der Beratungsstelle noch eine Weile erhalten bleiben. Worüber sie rückblickend schmunzeln kann? „Über die Frage eines Pressevertreters bei der Eröffnung 1999. Er wollte wissen, wer eigentlich auf unsere Kinder aufpasst, wenn wir hier arbeiten.“


Auch Aufklärung gehört zu den Aufgaben der Beratungsstelle

Frauen, die ungewollt schwanger werden und einen Abbruch vornehmen lassen wollen, sind per Gesetz dazu verpflichtet, die sogenannte Schwangerschaftskonfliktberatung durchführen zu lassen. Erst dann kann der gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsschein ausgestellt werden, mit dem eine Praxis oder Klinik, die Abbrüche durchführen, aufgesucht werden kann.

In der Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte und Familienplanung des Vereins „Frauen helfen Frauen“, Gerberstraße 49 in Euskirchen, wird im Schwangerschaftskonflikt ergebnisoffen beraten. Die betroffene Frau trifft ihre Entscheidung eigenständig und wird bei ihrem Weg von den Mitarbeiterinnen unterstützt.

Das Team der Beratungsstelle hilft auch bei Fragen rund um Schwangerschaft und Geburt, bei der Beantragung von finanziellen Hilfen, Kindergeld oder Elterngeld. Auch bei Fehl- oder Totgeburt findet man in der Einrichtung Raum, sich mit dem Verlust auseinanderzusetzen.

Aufklärung über Schwangerschaftsverhütung und Safer Sex gehören ebenfalls zum Angebot der Beratungsstelle. Hierfür geht das Team auch an Schulen, um mit Kindern und Jugendlichen über diese wichtigen Themen zu sprechen.