SündenbockEuskirchener verbrennen Nubbel – Festausschuss-Chef schlägt kritische Töne an

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Die Männer der Euskirchener Karnevalsgesellschaft zünden mit einer brennenden Fackel den Nubbel – eine bekleidete Strohpuppe – an, die in einer Schubkarre liegt.

In Euskirchen am Office Park wurde der Nubbel verbrannt. Damit ist die Session Geschichte und alle Sünden vergeben.

In diesem Jahr hat der Nubbel in Euskirchen viel Unfug getrieben. Den goldenen Stoff der Karnevalisten soll er etwa geklaut haben.

Es ist ein jecker Parcours: Im Stechschritt lavieren Euskirchener Karnevalisten mit bierernsten Mienen auf dem Parkplatz am Euskirchener Office Park um die abgestellten Autos herum. Es ist Dienstag, kurz nach 18 Uhr.

Angeführt wird die schweigend marschierende Gesellschaft von einem Wagen, der deutlich kleiner und unprätentiöser ist, als der, auf dem Prinz Tobi I. (Wiesen) die vergangenen Tage verbracht hat: Es ist eine alte Schubkarre. Darin liegt ein Strohmann. So schlaff, wie sich der echte Karnevalist am Aschermittwoch fühlt. Der Strohmann heißt Nubbel. Zu roter Hose und Clownsmaske trägt er eine weiße Weste.

Die Euskirchener sind sich einig: Der Nubbel hat Schuld an allen Sünden

Ganz dicht stellen sich die Euskirchener in der hintersten Ecke des Parkplatzes um Michael Pesch auf, ihren seit 2015 amtierenden jecken Pastor. Seine Robe ist violett. Die kirchliche Farbe der Umkehr, Buße und Besinnung. Kinder halten Fackeln. Einige schauen betreten auf den Boden. „Liebe Trauergemeinde, lieber Nubbel“, sagt der Pastor: „Vell jebütz, un' in Oeskerche jebore, et Leeve häste hück verlore.“

Das Dreigestirn schunkelt ein letztes Mal.

In Euskirchen wurde traditionsgemäß der Nubbel verbrannt. Damit ist die Session Geschichte und alle Sünden vergeben. Für Prinz Tobi I. (Wiesen), Bauer Sascha Kremp und Jungfrau Martina (Martin Niessen) endet damit die Regentenzeit.

Matthias Jary und seine Tochter Emily stehen in der hintersten Reihe. Matthias Jary sagt von sich selbst, dass er eigentlich ein Karnevalsmuffel sei. Doch weil seine Tochter Emily so viel Spaß in den vergangenen Tagen hatte, war es für sie Ehrensache, auch zur Beerdigung der Session zu gehen. Warum genau der Mann aus Stroh den Feuertod sterben muss, wissen Vater und Tochter nicht.

Michael Pesch trägt einen Hut und das violette Gewand eines Pastors und hält eine Predigt. Im Hintergrund stehen die Karnevalisten und hören zu.

Seit 2015 ist Michael Pesch – wegen seiner Kritik am Dialekt des Vorgängers – selbst Karnevalspastor.

Franz Josef Horst von der KG Alt Oeskerche klärt auf: „Der Nubbel ist ein Sündenbock. Er soll heute für das ganze Unheil gerade stehen, zu dem er uns angestiftet hat.“ Und in diesem Jahr hat der Nubbel es wirklich bunt getrieben: So hat er zum Beispiel den goldenen Stoff geklaut. Weil der nicht mehr vorrätig war, mussten neue Kostüme nun in kölschem Rot-Weiß, statt in den Euskirchener Farben Rot und Gold produziert werden. Besonders verführt hat der Nubbel „den Arno aus dem Musikzug“, heißt es in der Rede des Pastors.

Gleich zweimal sei der zu spät gekommen, und hatte beim zweiten Mal auch noch seinen Dreispitz vergessen. „Für meine Sünden büßt der Nubbel auch“, sagt Horst. Er selbst habe in dieser Session zu viel getrunken und sei dann zuhause „ab und zu“ müde und faul gewesen – zum Leidwesen seiner Frau.

Feuka-Präsident Stefan Guhlke fordert mehr Zusammenhalt im Karneval

„Ich hab auch gesündigt. Ich war an Karneval richtig blau“, ruft eine Frau aus dem Publikum. Fast scheint sie stolz darauf zu sein. Aber ob Sünde oder Leistung: Es wird dem Nubbel zugeschrieben. Der Pastor fragt: „Wer hätt dann Schold?“ Die Karnevalisten antworten: „Der Nubbel hätt Schold.“ Der Schuldspruch des Pastors: „Die Drecksau! Dafür bring ich dich hück ins Grab!“ Zwei Männer zünden den Nubbel an. Der geht so schnell in Flammen auf, als sei der Strohmann sich selbst jeder Schuld bewusst. Dann dreht der Wind und hüllt die Jecken in Rauch. „Jetzt stinkt der auch noch wie die Sau“, ruft Michael Pesch.

Stefan Guhlke, Präsident des Euskirchener Festausschusses (Feuka), zieht ein positives Fazit zum Sessionsende und zeigt sich von den Tollitäten – dem Dreigestirn und dem Küfer – begeistert. „Ihr habt alle vier, den Euskirchener Karneval grandios repräsentiert“, sagt er. Allerdings stimmt er zum Ende der Session auch ein paar kritische Töne an.

„Wir müssen weiter daran arbeiten, dass wir zusammenrücken. Wir müssen mehr miteinander reden, statt dumme Geschichten zu erzählen. Das müssen wir uns für die kommenden Jahre auf die Fahnen schreiben“, so Guhlke.

Der Feuka-Chef bezog sich damit auf die vielen, kleinen, eigenen Süppchen, die die vier vaterstädtischen Vereine in den vergangenen Jahren gerne gekocht haben. Diesbezüglich hat bereits seit einiger Zeit ein Umdenken stattgefunden – getreu dem Motto: In den Farben getrennt, in der Sache vereint.

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