SolidaritätspreisAWO zeichnet Queeren Stammtisch Euskirchen und „Gemeinsam für Brühl“ aus

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Die Mitglieder des Queeren Stammtischs Euskirchen stehen gemeinsam mit Euskirchens Bürgermeister und Landrat Markus Ramers vor ihrem Wagen mit Regenbogenflagge.

Seit 2020 gibt es den Queeren Stammtisch in Euskirchen – von drei Mitgliedern ist er auf 60 angewachsen, plus 300 Unterstützer.

Zwei Initiativen aus Brühl und Euskirchen zeichnete die Stiftung Soziale Arbeit in diesem Jahr für ihr Bekenntnis zur Vielfalt und Demokratie aus.

Gleich zwei Gewinner haben sich in diesem Jahr über einen mit 1000 Euro dotierten Solidaritätspreis gefreut. Die von der Arbeiterwohlfahrt ins Leben gerufene Stiftung Soziale Arbeit der Landkreise Euskirchen und Rhein-Erft verleiht diesen Preis einmal im Jahr an einzelne Personen, Initiativen oder Organisationen, die sich in besonderer Weise um den gesellschaftlichen Zusammenhalt verdient gemacht haben.

Stiftung Soziale Arbeit zeichnet in diesem Jahr zwei Initiativen aus

Weil der Preis im Jahr 2022 aus organisatorischen Gründen nicht vergeben wurde, entschied die Jury sich dazu, in diesem Jahr sowohl den „Queeren Stammtisch Euskirchen“ als auch „Gemeinsam für Brühl“ mit dem vollen Preisgeld auszuzeichnen.

„Den Queeren Stammtisch Euskirchen gibt es seit 2020“, erklärt Winfried Kubitza-Simons. „Bei der Gründung waren wir nur drei Personen – ich, mein Mann Mario Kubitza und eine dritte Person, die nicht namentlich genannt werden möchte.“ Den dreien war aufgefallen, dass es im Kreis Euskirchen bisher keine Anlaufstelle und keinen geschützten Raum für queere Menschen gegeben hatte: „Das wollten wir ändern.“

Markus Ramers überreicht Winfried Kubitza-Simons, Gründungsmitglied des Queeren Stammtischs einen Scheck über 1000 Euro.

Markus Ramers überreichte Winfried Kubitza-Simons, Gründungsmitglied des Queeren Stammtischs den Scheck.

Den Queeren Stammtisch Euskirchen gibt es seit 2020

Die Initiative stieß auf fruchtbaren Boden. Sie wuchs beständig. „Inzwischen umfasst sie 60 queere Menschen“, sagt Kubitza-Simons. Doch das sei noch längst nicht alles. Das Netzwerk, dass dabei entstanden sei, sei noch um einiges größer. „Etwa 300 Personen, schätze ich“, sagt er.

Das Netzwerk umfasse etwa die Omas gegen Rechts, Vogelsang IP, das Café Kaya oder die Fußballer gegen Rechts. Gemeinsam organisieren die Mitglieder dieses Netzwerks regelmäßig Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus und für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Vielfalt, etwa den Tag gegen Homophobie im Mai oder die Demo „Euskirchen ist bunt“ im Juni.

Die Initiative plant den ersten Euskirchener Christopher Street Day

Und erst vor wenigen Wochen, feierten die Mitglieder des Netzwerks gemeinsam mit den Euskirchenern bei „Jeck gegen Rechts“ den Start in die Karnevalssession. „Außerdem planen wir gerade den ersten offiziellen Christopher Street Day, hier bei uns in Euskirchen“, sagt Kubitza-Simons stolz.

Als die Euskirchener mit ihrem „Wägelchen“ vor kurzem auf dem Christopher Street Day in Köln losmarschierten, dauerte es nicht lange, da hatten sich mehr als 200 Personen ihrer Gruppe angeschlossen. Das gibt die Richtung vor, in die das Netzwerk sich bewegt. „Im kommenden Jahr, also 2024 haben wir vor, einen Verein zu gründen.“ Genug Personen hätten sich dafür inzwischen angeschlossen.

Markus Ramers: Durch den Queeren Stammtisch wird Euskirchen offener

Landrat Markus Ramers hielt in seiner Funktion als Präsident der Stiftung Soziale Arbeit die Laudatio auf die Initiative: „Dass es den Queeren Stammtisch gibt, tut Euskirchen gut“, sagte er. So werde Euskirchen offener, toleranter und inklusiver.

Das geschaffene Netzwerk und der Austausch zwischen den einzelnen Organisationen und Initiativen mache das Bündnis besonders stark gegen Homophobie, Transfeindlichkeit sowie Antisemitismus und Rechtsextremismus. Diese gehören Ramers zufolge zu den größten Gefahren unserer Zeit. „Sie zielen auf die Zerstörung des gesellschaftlichen Zusammenhalts ab.“

Es brauche Initiativen wie diese, die sich destruktiven Strömungen Tag für Tag entgegenstellten, und beherzt für eine demokratische Gesellschaft einträten. Solidarität sei nicht nur ein Wort, sondern sei etwas, das Kraft und Mut erfordere.

Die Mitglieder der Vereinigung „Gemeinsam für Brühl“ stehen vor einem Wagen mit Regenbogenflagge.

Die Vereinigung „Gemeinsam für Brühl“ freut sich über den Solidaritätspreis.

Antidemokratischen Bestrebungen entgegenzutreten, erfordert Kraft

Winfried Kubitza-Simons bestätigt das. Kraft erfordere das zum Beispiel dann, wenn man sich für eine symbolische Bank in Regenbogenfarben im Kreis einsetze, es dann aber nicht lange daure, bis sie zerstört werde. Kraft und Mut erfordert es auch, mit Gesicht und Namen für die Initiative einzustehen. Die Regenbogenflagge an Kubitza-Simons eigenem Haus sei bereits mehrfach zerstört worden – verbrannt, oder abgerissen. „Ich höre außerdem immer wieder Gruppen, die an meinem Haus vorbeiziehen und ,Sieg Heil' rufen – und ich weiß, das gilt mir.“

„Gerade arbeiten bekennende Rechtsextreme an der Abschaffung der Demokratie“, sagt Helga Kühn-Mengel, die Vizepräsidentin der Stiftung für Soziale Arbeit. Zudem verbeiteten rechte Medien Hass und Vorurteile. „Deswegen braucht es Menschen, die nicht wegschauen, sondern sich diesen Entwicklungen entgegenstellen“, so Kühn-Mengel.

„Gemeinsam für Brühl“ ist die Antwort auf „Spaziergänger-Demonstrationen“

Helga Kühn-Mengel,Vizepräsidentin der Stiftung Soziale Arbeit überreichte Fritjof Schmidt von „Gemeinsam für Brühl“ einen Scheck über 1000 Euro.

1000 Euro bekam auch die Vereinigung „Gemeinsam für Brühl“.

Menschen, wie die Mitglieder des Queeren Stammtisches Euskirchen oder der Initiative „Gemeinsam für Brühl“, die 2022 inmitten der Corona-Pandemie entstand – als Antwort auf die Spaziergänger-Demonstrationen. Die Vereinigung wollte sich Querdenkern und Corona-Leugnern entgegenstellen. Dazu verfassten die Mitglieder gemeinsam die „Brühler Erklärung“ – ein Bekenntnis zu Solidarität und Demokratie, veranstalteten Mahnwachen, Diskussionsforen und Solidaritätskundgebungen.

Aktuell geht die Vereinigung vor allem gegen Antisemitismus in Form beschmierter Stolpersteine sowie gegen rassistisch motivierte Aufkleber vor.

Die Gesellschaft sei aktuell dreigespalten, sagt Fritjof Schmidt von „Gemeinsam für Brühl“. Ein Drittel sei für einen autoritären Staat mit einem Mann an der Spitze, der sage, was zu tun sei. Ein anderes Drittel sei strikt dagegen. „Und das dritte Drittel weiß nicht so recht.“ Doch sei es dieses Drittel, das letztendlich entscheide, in welchem Land wir lebten. „Vom Umschwenk der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in einen autokratischen Staat trennt uns nur ein Wimpernschwenk“, sagt Schmidt.

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