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SchwurgerichtVideo dokumentiert Tod einer Frau in Euskirchen durch einen Drogencocktail

Lesezeit 4 Minuten
Verteidiger Uwe Krechel spricht zum Angeklagten, seine Kollegin hört zu.

Der Angeklagte beriet sich zum Prozessbeginn mit seinen Verteidigern Lena Schruff und Uwe Krechel. Vor dem Bonner Schwurgericht gab der Euskirchener an, sich nicht mehr erinnern zu können.

Ein 38-Jähriger aus Euskirchen steht wegen versuchten Mordes durch Unterlassen und Vergewaltigung vor Gericht. Er soll einer Bekannten vor den zur Last gelegten Taten Drogen verabreicht haben.

Dieser Prozessauftakt brachte viele Zuhörer im Sitzungssaal W113 des Bonner Landgerichts an die Grenze dessen, was sie ertragen können. Denn vorgetragen wurden sowohl in der Anklageverlesung durch Staatsanwältin Claudia Heitmann als auch in der Einlassung des Angeklagten Geschehnisse und Details, mit denen man in den Tiefen des Darknets konfrontiert werden könnte.

Vor dem Schwurgericht muss sich seit gestern ein 38-jähriger Mann aus Euskirchen wegen versuchten Mordes durch Unterlassen, Vergewaltigung und unerlaubter Abgabe von Drogen verantworten. Hinzu kommen Vorwürfe wegen des Konsums von kinder- und jugendpornografischen Bildern.

Angeklagter Euskirchener beruft sich auf Erinnerungslücken

Opfer der Tat ist eine 42 Jahre alte Bekannte aus seiner Nachbarschaft. Sie soll am Morgen des 9. November vergangenen Jahres gegen 8.38 Uhr in seiner Euskirchener Wohnung durch einen Cocktail aus Kokain, Ketamin und Amphetaminen ums Leben gekommen sein. Den soll ihr der Mann laut Anklage verabreicht haben. Die Mixtur soll so hochdosiert gewesen sein, dass die Rechtsmediziner nicht mit Sicherheit feststellen konnten, ob die Frau hätte gerettet werden können, wenn er rechtzeitig den Notdienst alarmiert hätte. Deshalb lautet der Hauptanklagevorwurf auf versuchten Mord.

Auf die Frage des Vorsitzenden Richters Klaus Reinhoff, ob er der Verstorbenen die Drogen zur Verfügung gestellt habe, antwortete der Angeklagte mit einem klaren Nein. Ansonsten berief er sich wiederholt auf Erinnerungslücken.

Schon früh in Kontakt mit Alkohol und Rauschgift gekommen

Er kommt aus einer bürgerlichen Euskirchener Familie. Sein Vater besitzt ein kleines Unternehmen, die Mutter kümmerte sich um ihn und seinen kranken Bruder. Er aber driftete nach und nach ab in ein Leben, das in großen Teilen aus dem Konsum von Alkohol und Rauschgift bestand. Der Mann einer Cousine habe ihm die ersten Amphetamine gegeben. Bei den Eltern eines Freundes, Pächter einer Tankstelle, habe es billigen Schnaps gegeben.

2002, da war er 17 Jahre alt, wurde seine erste Freundin schwanger, das Kind sollte abgetrieben werden, doch seine Mutter war dagegen: „Das kriegen wir hin.“ Nach eigener Aussage kümmerte sich der junge Vater indes wenig um die Erziehung: „Ich habe mich in Kneipen rumgetrieben.“ Im Jahr 2010 trennte sich das Paar.

Immer wieder unter Drogen Sex gehabt

Er arbeitete als Lkw-Fahrer und hatte im Führerhaus stets einen Promillerechner liegen, um seinen Alkoholkonsum zu kontrollieren. Irgendwann wurde ihm doch der Führerschein entzogen. Er bekam ihn nach zwei Jahren zwar zurück, will jedoch seine Sucht nicht im Griff gehabt haben: „Bis zuletzt Koks und Amphetamine.“

2013/14 lernte er das spätere Opfer kennen, eine Nachbarin, auch sie nach seinen Schilderungen drogen- und alkoholabhängig. Sie trafen sich zum Sex im Auto, in einem Zelt, in Hotels oder in ihrer beider Wohnungen. Dabei seien sie jedes Mal zugedröhnt gewesen, die Frau oft wie bewusstlos.

Den Sex stets gefilmt und danach gemeinsam angesehen

„Hat das Spaß gemacht?“, fragte der Richter. Der Angeklagte: „Ich habe das nicht genossen.“ Am Vortag der Tat habe er von 3 bis 15 Uhr gearbeitet, danach zum „Runterkommen“ getrunken und Kokain konsumiert. Schließlich seien er und seine Sexpartnerin zu einem Kumpel gefahren, auch da sei ordentlich getrunken worden.

Gegen 5.30 Uhr fanden sich beide in seiner Wohnung wieder. Dort soll er ihr die Rauschgiftmischung gegeben haben, um laut Staatsanwaltschaft seine Lust in allen möglichen Positionen zu befriedigen. „Ich weiß gar nichts mehr“, erklärte der 38-Jährige dazu.

Aufklärungshilfe kann möglicherweise ein fast drei Stunden langer Film liefern, auf dem auch die letzten Minuten der 42-Jährigen aufgezeichnet worden sind. Der Angeklagte berichtete, sie hätten ihren Sex stets gefilmt, sich die Szenen angesehen und dann gelöscht. In jener Nacht soll er das Handy in ein Regal gestellt und die Videofunktion eingeschaltet haben.

Erst Wohnung aufgeräumt und dann den Rettungsdienst alarmiert?

Nachdem das Opfer in einem lebensbedrohlichen Zustand war, zog er sich und sie an, räumte laut Anklage 20 Minuten die Wohnung auf und alarmierte gegen 8.27 Uhr den Rettungsdienst. 90 Minuten dauerte der Kampf von Notarzt und Sanitätern um das Leben der Frau. Er war vergeblich, sie starb an den Folgen des Drogengemischs. Die Sanitäter fanden das Handy mit den Beweisaufnahmen und übergaben es der Polizei.

Zum Vorwurf des 78-fachen Konsums von Kinder- und Jugendpornografie erklärte der Angeklagte, ein Freund habe ihn auf die Bilder aufmerksam gemacht. Er habe sich „durchgeklickt, ich fand das krank und ekelhaft“.   Schwurgerichtsvorsitzender Reinhoff: „Das soll ich Ihnen glauben?“

Für den Prozess sind insgesamt sieben Verhandlungstage angesetzt.