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FlutprotokolleBei manchen im Kreis Euskirchen hat sich noch kaum etwas getan

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Wohnen nach wie vor in einer Baustelle mit nassen Wänden: Monika Paul und Frank Fattler aus Metternich.

Kreis Euskirchen – Ein Jahr ist die Flutkatastrophe her, die weite Teile des Kreises verwüstete. Um den betroffenen Menschen und den vielen Helfern eine Stimme zu geben, haben der „Kölner Stadt-Anzeiger“ und die Kölnische Rundschau das Videoprojekt „Flutprotokolle“ gestartet und die Menschen in der Region gefragt, wie es ihnen geht, was schief läuft – aber auch, was gut funktioniert und woraus sie Hoffnung schöpfen.

Nun, ein Jahr später, haben wir versucht, noch einmal mit allen Teilnehmern zu sprechen und sie gefragt: Wie geht es Ihnen heute? Einige von ihnen sind auch wieder im Video zu sehen.

Monika Paul und Frank Fattler, Metternich

Wenig Hoffnung haben aktuell Monika Paul und Frank Fattler aus Metternich. „Hier hat sich noch gar nichts getan“, sagt Paul. Lediglich Strom und Wasser habe das Paar mittlerweile. „Wir leben immer noch auf einer Baustelle. Die Wände sind noch nass“, fährt sie fort und erklärt: „Wir hatten zwar Bautrockner, aber die Nässe ist jetzt erst rausgekommen, weil teilweise Fliesen drauf waren.“

Vor allem das Ausfüllen der Anträge auf Hilfszahlungen macht dem Paar zu schaffen. „Die Anträge zu stellen ist sehr kompliziert. Von manchen Pauschalen und Hilfemöglichkeiten wussten wir auch gar nichts“, so Paul.

Erschwerend komme hinzu, dass auf sie noch viele weitere Anträge warteten: „Damit wir das gestemmt kriegen, müssen wir noch sehr viele Anträge ausfüllen, um mehr Geld zu erhalten.“ Dafür komme bald auch ein Gutachter in das nach wie vor zerstörte Haus. „Was mir aktuell Hoffnung macht? Dass es jetzt bald vorangeht. Aber wenn ich ehrlich bin, es zieht sich“, sagt Paul.

Rolf Esser, Kall

In der Flutnacht musste Rolf Esser mit ansehen, wie sein Schuhgeschäft samt Werkstatt in Kall von den Wassermassen der Urft zerstört wurde. Bereits im Oktober war der orthopädische Schuhmachermeister in seiner Werkstatt wieder am Start, allerdings entschloss sich der mittlerweile 64-Jährige, das Schuhgeschäft nicht wiederzueröffnen.

Im zurückliegenden Jahr musste Esser lernen, sich in Geduld zu üben. „Wir warten noch immer auf viele Handwerker, vom Maler bis zum Möbelschreiner“, berichtet er. Vor September oder gar Oktober dieses Jahres rechne er nicht damit, die Sanierung abschließen zu können. Was ihn aber nicht daran hindert, jetzt schon voll zu arbeiten: Das Auftragsbuch sei voll, die Kundschaft brauche ihn.

Schön sei außerdem, dass er im Zuge der Baumaßnahmen auch Verbesserungen herbeiführen konnte: „Ich habe jetzt in meiner Werkstatt einen akustisch und optisch abgetrennten Beratungsraum – genau so, wie es die Krankenkassen fordern“, freut sich Esser.

Michael und Markus Koller, Gemünd

Die Produktion der Firma ProPet in Gemünd wurde im Dezember wieder gestartet – provisorisch jedenfalls. Die Maschine zur Produktion von Hunde- und Katzennahrung war nur geliehen, der Aufenthaltsraum für die Mitarbeiter befand sich noch im Rohbau. Das habe sich mittlerweile geändert, sagen Michael und Markus Koller, die Geschäftsführer von Pro Pet. „Wir sind auf einem guten Stand“, sagen die Brüder.

Abgeschlossen ist der Wiederaufbau auch bei ihnen noch nicht: „Es gibt immer noch genügend Sachen, die wir angehen müssen, aber die haben keine Priorität, die sind eher kosmetisch.“ So sei der Aufenthaltsraum beispielsweise endlich fertig, für die Außenfassade habe bisher aber die Zeit noch nicht gereicht.

Mit der Kamera vor Ort

Ein Jahr ist vergangen seit der verheerenden Flutkatastrophe. Wie geht es den Betroffenen in der Region heute? Wir schauen zurück auf ein Jahr Wiederaufbau, ein Jahr voller Anstrengung und großer Solidarität.

In der Serie „Flutprotokolle“ lassen wir die Betroffenen vor Ort vor der Videokamera erzählen. Sie berichten, wie sie den Wiederaufbau stemmen, ob die Hilfen bei ihnen ankommen, was sie sich wünschen und wovor sie Angst haben. Wir haben sie auch gefragt, was ihnen Hoffnung in dieser Zeit schenkt. Wir zeigen, wie ihre aktuelle Wohnsituation aussieht und welche Baustellen es noch gibt. Denn während die einen schon seit Monaten wieder in ihren Häusern leben, haben andere auch ein Jahr nach der Flut noch immer nasse Wände.

Zu sehen sind die „Flutprotokolle“ aus dem Kreis Euskirchen und anderen betroffenen Regionen hier. (enp)

Auch komme es ihnen deutlich länger vor als das Jahr, das die Flut nun her ist, sagen die Geschäftsführer. Sie sei aufgrund des hohen Arbeitspensums in den vergangenen Monaten zum Teil sehr in den Hintergrund gerutscht – vielleicht sei das auch ganz gut gewesen. „Es kommt manchmal auf, verdrängt ist das also nicht.“

Die Flut sei genutzt worden, um bessere Maschinen einzubauen, die leistungsfähiger und energieärmer seien – auch im Hinblick auf die Ukraine- und Energiekrise. Nach der Flut, so die Kollers, schaue man mit mehr Selbstvertrauen auf andere Krisen. Was sie sich wünschen? Dass wieder mehr Alltag einkehrt und nicht mehr Fluttermine den Kalender bestimmen.

Marion und Helmuth Henk, Kall

Marion und Helmuth und Marion Henk zogen nach der Flut, die den Keller und das Erdgeschoss ihres Hauses in Kall zerstört hat, ins Obergeschoss und lebten dort provisorisch für etliche Monate. Mittlerweile ist das Paar wieder unten.

„Auch wenn es noch 1000 Dinge zu tun gibt: Es geht voran und wir schauen nach vorne“, sagt Helmuth Henk. Sorgen bereiten dem Kaller die stark steigenden Preise für Material und Handwerkerleistungen.

Ihr Vorhaben, mit der neuen Einrichtung „etwas moderner“ zu werden, haben sie bei der Sanierung umgesetzt. Und noch eine Verbesserung hat das Ehepaar Henk vorgenommen: Die neue Heizungsanlage wurde nicht im Keller eingebaut, sondern im Erdgeschoss: „Auch wenn uns das vor einem Jahr auch nichts genutzt hätte, da stand das Wasser dort auch 1,60 Meter hoch.“

Andreas Mertens, Gemünd

Lange Zeit war es ungewiss, wie es weitergeht. Im Dezember hatte Andreas Mertens mit seinem Vereinskollegen René Gerhards vor dem Platz gestanden, auf dem ursprünglich das Vereinsheim der KG Rot-Weiß gestanden hatte, bevor die Flut es fortspülte. Nun ist klar: Der Wiederaufbauplan ist in Bearbeitung.

„Wir bekommen eine neue Chance und können noch einmal bei Null anfangen“, sagt Mertens. Die Stadt Schleiden entkerne derzeit den ebenfalls in der Flut zerstörten Kindergarten im Wingertchen in Malsbenden. Dort werden dann die Karnevalisten einziehen. Derzeit trainieren die Gruppen im Dorfgemeinschaftshaus in Wolfgarten und in der Taekwondo-Halle.

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Denn in der kommenden Session wollen die Gemünder Karnevalisten wieder dabei sein. Dafür sitzt die Schneiderin schon an den Kostümen und auch die Standarten, die zunächst aussahen, als wären sie nicht mehr zu retten, konnten restauriert werden. Und eine weitere gute Nachricht hat Mertens: So wie es aussieht, können sich die Gemünder Jecken in der kommenden Session auf ein Prinzenpaar freuen.

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