Grüne im Interview zur Landtagswahl„1000-Meter-Abstand für Windenergie abschaffen“

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Dr. Thomas Keßler (v.l.), Isabel Elsner und Dr. Arnd Kuhn kandidieren im Kreis Euskirchen für die Grünen bei der Landtagswahl. 

  • Wahlkreis Euskirchen I: Dr. Thomas Keßeler ist auch als Vorsitzender der Dorfgemeinschaft Wißkirchen beeindruckt vom Gemeinschaftssinn der Menschen.
  • Wahlkreis Euskirchen II: Isabel Elsner schätzt die Natur und den Nationalpark Eifel.
  • Wahlkreis Euskirchen III: Dr. Arnd Kuhn aus Bornheim ist seit mehr als 20 Jahren kommunalpolitisch aktiv.

Kreis Euskirchen – Die Redaktion befragte die Kandidaten von Bündnis 90/Die Grünen im Kreis Euskirchen zu Themen wie Erneuerbare Energien, die Flutkatastrophe und die Motivation für ihr politisches Engagement.

Was hat Sie bewogen, in die Politik zu gehen?

Keßeler: Bereits als ich Jugendlicher war, war klar, dass es den menschgemachten Klimawandel gibt und dass wir etwas dagegen unternehmen müssen. Umso motivierter bin ich heute, die Herkulesaufgabe der Bekämpfung des Klimawandels mit meinem Erfahrungsschatz anzugehen. Das Trennende in der Gesellschaft zu beseitigen, ist ein großer Antrieb für mein politisches Engagement.

Elsner: Ich bin mit Blick auf das Kraftwerk Weisweiler aufgewachsen. Vereinzelt sieht man auch ein paar Windräder in der Region, die aber nicht weiter die Sicht stören und erst recht nicht von der Tagebaulandschaft ablenken. Das Thema Klimaschutz hat mich zu den Grünen gebracht.

Kuhn: Ich bin Naturwissenschaftler mit Leidenschaft. Mich interessieren bei meinen Arbeiten die für unsere Gesellschaft wichtigen Zukunftsfragen der nachhaltigen Ressourcen-Nutzung und des Erhaltens unserer Lebensgrundlagen. Vor diesem Hintergrund habe ich für mich beschlossen, wissenschaftliche Erkenntnis konsequent in zielgerichtete Politik zum Klimaschutz und zur Vorsorge für die Auswirkungen der Klimaveränderungen umzusetzen.

Warum wollen Sie in den Landtag?

Keßeler: Ich möchte Dinge konkret anpacken und konkret verändern. Während meiner fast 25-jährigen beruflichen Tätigkeit habe ich nicht nur praktische Industrie- und Handwerkserfahrung gesammelt, sondern habe auch gelernt, schwierige Entscheidungen zu treffen und für deren Umsetzung Verantwortung zu übernehmen. Meine Erfahrung, mein Know-how und meine Kompetenzen will ich jetzt in den Landtag einbringen.

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Dr. Thomas Keßeler

Elsner: Demokratie lebt von Beteiligung und Repräsentation. Ich will insbesondere die Perspektive von jungen Menschen aus dem ländlichen Raum stärken. Außerdem will ich dazu beitragen, dass NRW Vorreiterin in Sachen Klimaschutz wird.

Kuhn: Ich lebe in dieser Region nun seit über 20 Jahren und bin kommunalpolitisch in dieser Zeit sehr aktiv. In Bornheim habe ich mich für eine zukunftsfähige und verantwortungsbewusste Klimapolitik erfolgreich eingesetzt. Dies möchte ich zukünftig auf Landesebene tun.

Was ist für die Landespolitik das zentrale Thema für den Kreis Euskirchen?

Keßeler: Die letzten Jahre haben uns gezeigt, wie stark wir bereits heute vom menschgemachten Klimawandel abhängig sind. Wetterextreme werden immer häufiger. Wir haben extrem trockene Jahre, in denen unsere Wälder massiv leiden – auch der Grundwasserhaushalt.

Und dann hatten wir diese verheerende Flut in unserer Region, die so viele Menschen getroffen hat. Klimafolgenanpassung ist für unsere Region von zentraler Bedeutung, um unsere Lebensgrundlagen zu erhalten. Wir brauchen einen umfangreichen Hochwasser- und Starkregenschutz. Wir müssen massiv in Regenrückhaltefähigkeiten investieren und wir müssen die Aktivitäten kommunenübergreifend betrachten.

Elsner: Der Krieg in der Ukraine macht deutlich, was wir im Klimaschutz erreichen müssen: Die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen in der Energieproduktion. Nicht zuletzt hat uns die verheerende Flutkatastrophe gezeigt, dass uns kein Klimaschutz am Ende mehr und sogar Menschenleben kostet, als Klimaschutz ernst zu nehmen.

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Isabel Elsner

Dazu gehört der Ausbau der Erneuerbaren Energien, aber auch die Entwicklung und Umsetzung von Hochwasserschutz- und Bevölkerungsschutzkonzepten mit Blick auf die Klimakrise. Außerdem braucht es einen verlässlichen ÖPNV auch bei uns in den ländlichen Region.

Kuhn: Die Verkehrswende voranzubringen – unter anderem durch massiven Ausbau des ÖPNV (beispielsweise zweigleisiger Ausbau zur Taktverdichtung und Elektrifizierung von Bahnstrecken) mit preiswertem, NRW-einheitlichem Tarifsystem und für Kinder und Jugendliche kostenlos.

Was ist das zentrale Thema für den Kreis Euskirchen – der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe mal ausgeklammert?

Keßeler: Strukturen im Kreis Euskirchen werden sich ändern und wir müssen diese gestalten. Der Lebensraum Eifel wird sich durch die fortschreitende Digitalisierung und der zunehmenden Möglichkeiten, zumindest tageweise, von einem Heimarbeitsplatz arbeiten zu können, ändern. Wohnen, Leben und Arbeiten im Kreis Euskirchen wird attraktiver werden und viele Menschen aus den Ballungsräumen, Köln, Bonn und Aachen werden davon zunehmend Gebrauch machen wollen. Insbesondere unsere Verkehrsinfrastruktur im Bereich der Busse und  Bahnen muss sich deutlich verbessern. Wir brauchen dringend die Elektrifizierung von vielen Bahnstrecken und eine Taktverdichtung von Bahnen und Bussen.

Die Erneuerbaren Energien bieten weiterhin viel Potenzial für den Kreis Euskirchen und den ländlichen Raum, das sinnvoll genutzt werden muss. Dadurch können wir zusätzliche Wertschöpfung im ländlichen Raum erzielen und erhöhen die Attraktivität des  Wirtschaftsstandortes.

Elsner: Der Strukturwandel bedeutet mehr als nur die Gestaltung des Kohleausstiegs. Strukturwandel bedeutet auch, der Region einen Entwicklungsschub zu geben, insbesondere in den Dörfern. Denn die kleineren Gemeinden und Kommunen prägen NRW ebenso wie große Städte. Ich möchte den Fokus der Landespolitik auch auf die ländlichen Regionen legen. Meine Visionen sind nachhaltige und effektive Investitionen in unsere Region, die sowohl Stadt als auch Land klimaneutral machen.

Kuhn: Zielgerichte Umsetzungen der Erkenntnisse aus der Starkregenkatastrophe in effiziente Maßnahmen zum Schutz vor Schäden durch zukünftigen Extremwetter und Installierung eines sicher funktionierenden Katastrophenschutzes.

Wie soll der Ausbau Erneuerbarer Energie vorangetrieben werden?

Keßeler: NRW ist das Flächenbundesland mit dem geringsten Anteil an Erneuerbaren Energien. Dies ist längst zu einem Nachteil für viele Unternehmen geworden. Manche Unternehmen siedeln sich alleine deshalb nicht mehr in NRW an. Im Bereich der Windenergie hat die schwarz-gelbe Landesregierung, ihre eigenes, unambitioniertes Ausbauziel in 2021 nur zu einem Drittel erreicht.

Erneuerbare Energien sind im überragenden öffentlichen Interesse. Wir müssen die Hemmnisse für den Ausbau der Erneuerbaren Energie schnellstmöglich beseitigen und auch zu Verfahrensvereinfachungen kommen. Die von der CDU / FDP Landesregierung 2021 beschlossene restriktive Abstandsregelung für Windkraftanlagen gehört sofort abgeschafft.

Elsner: Die 1000-Meter-Abstandsregelung für Windräder blockiert den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv. In NRW könnte 50 Prozent mehr Fläche für Windräder ausgewiesen werden, wenn die Abstandsregelung fallen würde. Neben Windenergie muss auch der Fokus auf Solarenergie gesetzt werden. Wir müssen die sozialökologische Transformation aktiv in unserer Region vorantreiben, denn der Kohleausstieg 2030 wird kommen und ist nicht ohne den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu schaffen.

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Dr. Arnd Kuhn

Kuhn: 1000-Meter-Abstandsregel für Windenergieanlagen abschaffen, Ausbau und Förderungen der Infrastruktur zur Erzeugung und Speicherung von grünem Wasserstoff, Pflicht zur Nutzung der Sonnenenergie (Photovoltaik und/oder Solarthermie) bei Neubauten, Ausbau der Infrastruktur zur Speicherung von Strom aus erneuerbarer Energien auch im großtechnischen Maßstab und Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung an solchen Projekten schaffen.

Welche Chancen kann die Flutkatastrophe für den Kreis Euskirchen bieten?

Keßeler: Die Solidarität und der Zusammenhalt der Menschen untereinander, der nach dem 14. Juli 2021 zu Tage getreten ist, ist enorm. Das habe nicht nur in meinem Dorf Wißkirchen am eigenen Leibe erfahren dürfen. Diesen Gemeinsinn müssen wir uns erhalten, auf diesem können wir aufbauen. Durch die Flutkatastrophe ist aber auch sehr viel materieller Schaden entstanden. Wohnhäuser, Geschäftshäuser aber auch öffentliche Infrastruktur sind zerstört worden (Straßen, Schulen, Kindergärten).

Hier bieten sich Chancen: Die zerstörten Bahnstrecken müssen zeitnah elektrifiziert, Schulen, Wohnhäuser usw. nach modernen energetischen Standards aufgebaut werden. Hier gilt es gerade im privaten und gewerblichen Bereich Unterstützung zu leisten.

Elsner: Die Flutkatastrophe im vergangenen Sommer ist ein schreckliches Ereignis, bei dem Menschen nicht nur ihre Existenzen, sondern auch ihr Leben verloren haben. Wenn wir Klimaschutz nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begreifen, etwas, was in den letzten Jahrzehnte versäumt wurde, werden solche Ereignisse wie die Flutkatastrophe zunehmen.

Es war leider kein Jahrhundertereignis, sondern eine Folge der Klimakrise. Wir müssen daraus lernen und die Chance nutzen, jetzt in den Katastrophen-, Bevölkerungs- und insbesondere Klimaschutz zu investieren. Die Flutkatastrophe hat gezeigt, dass kein Weg daran vorbei führt, dass NRW auf den 1,5-Grad-Pfad kommt und Stadt und Land klimaneutral werden müssen.

Kuhn: Energiewende zügiger und konsequenter voranbringen wegen erhöhter Einsicht in die Notwendigkeit. Zukunftsfähige Neukonzeption und Ausbau wichtiger Infrastruktur als Reaktion auf die Katastrophe.

Was schätzen Sie am Kreis Euskirchen?

Keßeler: Die Menschen. Ich habe lange Zeit im Ausland gelebt und bin nach 18 Jahren in meine Heimat zurückgekehrt. Wenn Rosenmontag der Umzug startet und unsere Fußgruppe endlich losgehen kann, bekomme ich noch jedes Mal Gänsehaut. Diese Gefühl ist unbeschreiblich und unersetzlich. Leider mussten wir Corona-bedingt in den letzten beiden Jahren darauf verzichten. Als Vorsitzender der Dorfgemeinschaft in Wißkirchen spüre ich ständig den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den Gemeinsinn der Menschen untereinander und die Solidarität. Das ist, was unsere Region auszeichnet. Das ist das, was mich motiviert, mich zu engagieren.

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Die furchtbare Flut hat, bei all dem Leid, dazu beigetragen, die Menschen wieder enger zueinander zu bringen –  auch in Wißkirchen. Unser Dorfleben und unsere Dorffeste, das sind das was für mich den Kreis Euskirchen ausmacht.

Elsner: Ich schätze am Kreis Euskirchen besonders die Natur und den Nationalpark Eifel. Aber auch die Freundlichkeit der Menschen, mit denen ich als Landtagskandidatin in den Gemeinden Dahlem, Hellenthal und Schleiden empfangen wurde, obwohl ich im Kreis Düren aufgewachsen bin.

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