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Techno-Bässe im GotteshausRave in der Trinitatis-Kirchengemeinde in Hellenthal

6 min
Der Kircheninnenraum ist bunt beleuchtet, etliche junge Menschen tanzen oder stehen an Biertischen zusammen. Im Vordergrund sieht man den DJ an seinem Pult.

Legte beim ersten Rave-Gottesdienst auf: DJ Dave Krumz alias David Murk aus Schmidtheim. 

 Mit einem Rave-Gottesdienst ging das „Jugendgedöns“ der Trinitatis-Gemeinde im Schleidener Tal neue Wege.

Wummernde Bässe, harte Bassdrumkicks und dröhnende Riffs: Ungewohnte Klänge waren in der Evangelischen Kirche in Hellenthal zu hören. Techno, Hardcore und andere Stilrichtungen der elektronischen Tanzmusik dröhnten durch den Kirchenraum, der durch zuckende Lichter erhellt wurde. Zum ersten Mal gab es in der Trinitatis-Kirchengemeinde Schleidener Tal einen Rave-Gottesdienst, veranstaltet vom „Jugendgedöns“, den Jugendlichen der Hellenthaler Kirchengemeinde.

„Wir können nicht nur das Reformationskonzert, sondern auch das“, sagte Pfarrer Oliver Joswig mit zufriedenem Gesichtsausdruck. Denn bei der jugendlichen Zielgruppe kam die Premiere des neuen Formats gut an. Die jungen Leute hatten es schließlich auch vom Kirchentag in Hannover mitgebracht. „Dort wurde ein Rave-Gottesdienst angeboten, bei dem einige von den Jugendlichen aus unserem Jugendgedöns dabei waren und hinterher mit nassgeschwitzten T-Shirts und leuchtenden Augen davon berichteten“, beschrieb Joswig die Entstehungsgeschichte der neuartigen Idee.

Die Lichtanlage wurde eigens angeschafft

Doch gab es kaum Erfahrungswerte, auf die die Organisatoren in der Praxis zurückgreifen konnten. Mithilfe speziell produzierter Videoclips mit Rap-Musik und anderen modernen Sounds wurde der rund zwanzigminütige Gottesdienst gestaltet. „Der Rest ist dann sozusagen ein Orgelnachspiel von dreieinhalb Stunden“, so der Pfarrer.

Bei dem allerdings nicht die Orgel zum Einsatz kam, sondern eine professionelle und entsprechend leistungsstarke Tonanlage, die ausgeliehen werden konnte. Investiert wurde dagegen in Sachen Licht: Rund 5500 Euro habe die Gemeinde dafür aufgewendet, wobei noch eine Förderung in Anspruch genommen werden konnte, erläuterte Joswig. „Das Licht können wir auch noch für die Kulturkirche nutzen“, machte er deutlich.

Doch er sei selten so nervös wie an diesem Abend gewesen. Über Monate habe er die Veranstaltung mit den Jugendlichen gemeinsam organisiert. Doch eine riesige Unbekannte sei geblieben. „Keiner wusste, wie das angenommen werden würde“, sagte er. Eine übervolle Kirche sei genauso denkbar gewesen wie eine komplett leere.

Wir können nicht nur das Reformationskonzert, sondern auch das.
Oliver Joswig über den Rave-Gottesdienst

Entspannt habe sich dagegen das Presbyterium gezeigt, als er die Idee vorgestellt habe. „Die haben einfach gesagt: ,Mach!'“, freute er sich über die Unterstützung. Und auch die Gemeindemitglieder hätten sich tolerant und entspannt gezeigt, als plötzlich eine Lichttraverse beim Weihnachtsgottesdienst im Raum gestanden habe.

Das Interesse an der ungewöhnlichen Veranstaltung sei nicht regional geblieben: Es seien auch Gäste aus Darmstadt und Münster angereist, die ebenfalls bei dem Rave-Gottesdienst in Hannover gewesen seien und nun bedauerten, dass in ihren Gemeinden so etwas nicht angeboten werde.

„Es wird der Ruf nach einer Wiederholung kommen“, war Joswig schon während der Veranstaltung sicher. So konnte er am Tag darauf schon vermelden, dass der Rave-Gottesdienst in Hellenthal keine einmalige Veranstaltung bleiben solle. Außerdem würden die Hellenthaler beim Jugendkongress AC26, der im Juni in Aachen veranstaltet werde, wahrscheinlich einen weiteren Rave-Gottesdienst anbieten.

Im Gemeindehaus fanden die Jugendlichen die Chillzone

Er selbst stehe hinter dem Konzept. Er habe bereits mehrere Besucher gesehen, die ansonsten mit Kirche nichts am Hut hätten und fragen würden: Das ist Kirche? „Ja, auch das ist Kirche“, macht Joswig deutlich. Es gehe darum, eingefahrene Wege zu verlassen und sich neuen Strömungen zu öffnen.

Im Gemeindehaus ging es ruhiger zu. Hier gab es die „Chillzone“, in der sich ausgeruht und sich ausgetauscht werden konnte. „Es geht bei der Idee um den Zusammenhalt“, sagte Florian vom Jugendgedöns. Alle würden Techno lieben, so sei die Wahl der Musik nicht schwergefallen. Genau wie seine Kumpel Max und Mattes, die sich mit ihm den Fragen des Reporters stellten, hatte er den Rave-Gottesdienst auf dem Kirchentag miterlebt. Der Publikumszuspruch in Hellenthal sei noch etwas verhalten, doch das liege vielleicht daran, dass der Termin zwischen Weihnachten und Neujahr liege.

Rund 50 Menschen tummelten sich auf der Tanzfläche oder auch rund um die Kirche. Immer wieder würden in Hellenthal besondere Gottesdienstformate ausprobiert, erklärte Max. Da gebe es den Schlagergottesdienst, einen Kaffeegottesdienst, einen Grillgottesdienst, aber auch einen Super-Bowl-Gottesdienst. „Es geht darum, keinen normalen Gottesdienst zu haben, sondern etwas zu erleben“, so Florian.

Für den DJ-Part sorgte DJ Dave Krumz aus Schmidtheim, der mit bürgerlichem Namen David Murk heißt. Er legte eine Mischung aus verschiedenen Stilrichtungen auf, bevor der Sound im Laufe des Abends immer mehr in Richtung Hardcore ging.


Die anvertrauten „Talente“ verzweieinhalbfacht

Das Gleichnis der anvertrauten Talente ist eine biblische Erzählung, die sich nicht auf den ersten Blick erschließt. „Wer hat, dem wird gegeben“, so wird zwar im Matthäus-Evangelium (neben dem Lukas-Evangelium einer der beiden Quellen für die Geschichte) die Lehre aus der Geschichte deutlich, doch in der theologischen Wissenschaft gibt es durchaus auch andere Deutungsmöglichkeiten. Wie der Bibeltext aber in das alltägliche Leben integriert werden kann, sodass er auch einen praktischen Nutzen hat, das demonstrierte die Trinitatis-Kirchengemeinde Schleidener Tal in ihrer diesjährigen Adventsaktion.

Je nach Quelle sind es Talente oder Minen, die die drei Diener von ihrem Herrn erhalten. Während zwei von ihnen sich daran machen, das Startkapital zu mehren, hebt der dritte Diener es auf, ohne es anzurühren. Als es zur Abrechnung kommt, werden die Diener, die das ihnen anvertraute Vermögen mehren konnten, reich belohnt. Derjenige, der aber nur den Anfangsbetrag zurückbrachte, wird bestraft. Das ihm anvertraute Geld wird ihm abgenommen und er wird hinausgeworfen in die „äußerste Finsternis“, dort, wo Heulen und Zähneknirschen sei.

Im Altarraum der Kirche steht Pfarrerin Gaby Leufgen am Redepult, vor dem Altar stehen Oliver Joswig, Peter Schäfer und Heiko Schäfer. Im Hintergrund steht ein großer geschmückter Weihnachtsbaum.

Sie waren erfreut über das Ergebnis der Talente-Aktion: Gaby Leufgen (v.l.), Oliver Joswig, Peter Schäfer und Heiko Schäfer.

Keine Talente, sondern Zehn-Euro-Scheine gab am ersten Advent der Förderverein der Kirchengemeinde aus. Insgesamt 1000 Euro wurden so unter das Kirchenvolk verteilt – mit dem Auftrag, etwas mit dem Geld zu machen. Was tatsächlich gelang. „Auf diese Gemeinde ist Verlass“, sagte Peter Schäfer, Vorsitzender des Fördervereins, als er im Gottesdienst am vierten Advent das Ergebnis der Aktion vorstellte. Denn innerhalb von drei Wochen erzielten die Gemeindemitglieder eine traumhafte Rendite: 2529 Euro lieferten sie nach der Zeit ab.

Durch verschiedene Methoden gelang die wundersame Geldvermehrung. Manche machten es sich einfach und spendeten, andere wieder investierten in Backzutaten, buken Plätzchen und verkauften diese. „Es wurde auch gebastelt“, sagte Pfarrer Oliver Joswig. Es seien sogar aus den zehn Euro, die am ersten Advent als Kerze ausgegeben wurden, vier Fünf-Euro-Scheine geworden, die als Kranz am vierten Advent zurückgekommen seien.

„Natürlich war die Idee, Einnahmen für den Förderverein zu generieren“, so Joswig. Er sei auch etwas nervös gewesen, ob der Förderverein das Geld, das er ausgegeben habe, wieder zurückbekommen werde. „Es war natürlich genauso okay, wenn das Geld einfach behalten wurde“, betonte er. Denn der widersprüchlichen Interpretation des Bibeltextes sei man sich bewusst. „Wir haben deshalb auch nicht den ganzen Text vorgelesen, sondern Teile weggelassen“, erklärte er.