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Lage der Kreissparkasse nach Flut in EuskirchenIn der Katastrophe Lösungen finden

Lesezeit 5 Minuten
Von den Herausforderungen für die Kreissparkasse berichten Stephan Reinders (v.l.), Udo Becker und Holger Glück.

Von den Herausforderungen für die Kreissparkasse berichten Stephan Reinders (v.l.), Udo Becker und Holger Glück.

Kreis Euskirchen – Unsicherheit und eine durch ausgefallene Kommunikationsmittel schwierige Bestandsaufnahme haben auch für die Kreissparkasse (KSK) Euskirchen die Stunden nach der Flutkatastrophe geprägt. Von der ersten Bilanz über Notfallmaßnahmen und Zwischenlösungen bis zur Planung des Wiederaufbaus mit den Kunden sowie der eigenen Strukturen reicht in diesen Wochen das Aufgabenspektrum.

Die Ausgangslage

Am Morgen des 15. Juli hat der Krisenstab – laut Vorstand Holger Glück ein etabliertes Instrument der KSK – seine Arbeit aufgenommen. Die Kommunikation sicherstellen und einen Überblick verschaffen, ist zunächst das Ziel. Schließlich steht fest: Alle Mitarbeiter sind körperlich unversehrt, doch zahlreiche – darunter auch Vorstandsvorsitzender Udo Becker mit seinem Wohnhaus in Metternich– in ihren Häusern und Orten schwer getroffen. Die Fahrten der Stabsmitglieder zu den Filialen ergeben: 80 Prozent haben mit mehr oder weniger großen Einschränkungen zu kämpfen. Bei einigen ist es nur fehlender Strom, doch sechs der 15 Geschäftsstellen sind zerstört.

Handlungsfähig, sagt Glück, sei die KSK jederzeit gewesen: Bargeldversorgung, Zahlungsverkehr und Wertpapiergeschäfte hätten notfalls komplett über die nicht betroffene Filiale in Mechernich abgewickelt werden können.

Die Filialen

Auf „jeweils hohe siebenstellige Beträge“ beziffert Becker die Schäden, die an den Gebäuden der KSK und dem Inventar entstanden sind. Jedoch, so Glück: „Wir sind ordentlich versichert.“ In beiden Filialen in Bad Münstereifel sowie im Euskirchener Veybachcenter ist die Kreissparkasse Mieter, die Gebäude in Gemünd, Kall und Schleiden gehören ihr. Zehn bis zwölf Monate wird es laut Becker dauern, bis dort wieder ein „normaler“ Betrieb denkbar ist. Da zunächst das operative Tagesgeschäft im Fokus steht, sind laut Becker noch keine strategischen Diskussionen geführt worden, welche Filiale wie wieder an den Start gehen wird.

Die Zwischenlösungen

„Wie werden in allen Orten präsent sein“, sagt Glück. Für Konkurrenzdenken ist in diesen Zeiten laut der Vorstände kein Platz. In Euskirchen und Bad Münstereifel kooperiert die KSK mit der Volksbank Euskirchen, im Süden mit der VR-Bank Nordeifel, um Übergangslösungen zu schaffen. „Da ist eine Wettbewerbspause“, sagt Becker: „Alle denken an gemeinsame, kundenorientierte Lösungen.“ Mobile Geldautomaten etwa sind bereits installiert, an denen sich die Kunden beider Institute kostenfrei mit Bargeld versorgen können.

Für Kall, wo die Filialen beider Banken hart getroffen sind, arbeitet man an einer, so Glück, „längerfristigen Zwischenlösung im Bereich Möbel Brucker“. Ein Übergang in mehreren Schritten ist in Schleiden vorgesehen. In zwei bis drei Wochen wird laut Becker ein Container mit SB-Geräten erwartet, für den jedoch mit einigem bürokratischen Aufwand ein Schwertransport aus dem Münsterland organisiert werden muss. In sechs bis acht Wochen sollen wieder Beratungen in den oberen Etagen des Hauses angeboten werden.

Die Kunden

700 Anrufe erreichen die Mitarbeiter im Dialogcenter laut Becker normalerweise an starken Tagen – nach der Flut sind es bis zu 1400 gewesen. Wie komme ich an eine neue Bankkarte? Wie an Bargeld? Was passiert mit meinem Kredit? „Wie in den Anfangszeiten von Corona hat eine große Unsicherheit geherrscht“, skizziert Glück den Tenor vieler Gespräche: „Zuhören, Verständnis aufbringen und Ängste nehmen war ganz wichtig.“ So sei etwa manch einem von der Flut hart getroffenen Hausbesitzer die Sorge genommen worden, dass der Kredit gekündigt werde, falls er in dieser Lage eine Rate nicht zahlen könne.

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Der Wiederaufbau

30 Milliarden Euro sind im Wiederaufbaufonds von Bund und Ländern. Das genaue Verfahren, etwa, auf welcher Basis die Schadenssumme festgelegt wird, ist noch nicht bekannt. Für Mitte September wird jedoch damit gerechnet, dass die Anträge gestellt werden können. „Hier werden wir uns als Kreissparkasse engagieren und Flagge zeigen“, kündigt Becker an: In Zusammenarbeit mit dem Kreis wolle man in den Orten Anlaufstellen schaffen, um den Betroffenen die Anträge zu erklären und ihnen etwa beim Ausfüllen helfen. Becker: „Dafür starten wir einen Aufruf, um etwa Mitarbeiter im Vorruhestand oder frisch Pensionierte zu rekrutieren.“

Da davon auszugehen ist, dass nicht Versicherte 80 Prozent der Schäden aus dem Fonds erstattet bekommen, bleibt eine Finanzierungslücke von 20 Prozent – bei Schadenshöhen im sehr häufig sechsstelligen Bereich geht es um viel Geld. Hier kommt ein hoher Beratungsbedarf auf die Banken zu. Zudem tragen sich viele Betroffene mit dem Gedanken, nicht „nur“ wieder aufzubauen, sondern zu modernisieren. Bei zahlreichen Vorhaben, gerade rund ums Thema Heizung, gibt es wiederum separate Fördertöpfe – auch hier wird der Beratungs- und Vermittlungsbedarf enorm sein.

Die Immobilien

Von „Immobilienhaien“, die versuchen, von der Flut betroffenen, verunsicherten Besitzern ihre beschädigten Häuser zu einem Schnäppchenpreis abzukaufen, wird in diesen Wochen zuweilen erzählt. Doch diese Beobachtung hat Stephan Reinders, Geschäftsführer der KSK-Immobilien-Tochter S-Finanz, nicht gemacht. Eine besonders hohe Nachfrage stelle man nicht fest. „Es gibt in allen betroffenen Gebieten Hausbesitzer, die nicht wieder aufbauen und sich von ihrer Immobilie trennen wollen“, sagt Reinders: „Aber das sind deutlich weniger, als wir erwartet hatten.“ Angesichts des weiterhin schwierigen Immobilienmarkts im Kreis sei es zudem nicht ganz leicht, ein Ziel für einen Neuanfang zu finden. Er warnt eindringlich vor übereilten Entscheidungen – und rät vor allem, einen Profi zurate zu ziehen: „Es kann beispielsweise besser sein, mit einem Verkauf ein paar Monate zu warten. Auch für solche Fragen bieten wir eine kostenfreie Beratung an.“

Das Zwischenfazit

Vom Kampf mit bürokratischen Hürden wissen auch die KSK-Verantwortlichen ein Lied zu singen. Becker etwa vom Aufwand, der in Sachen Schutzausrüstung und Formulare zu betreiben sei, wenn ein Kunde schnell seinen Kfz-Brief aus einem Tresor holen möchte, wo es nach der Flut zu Schimmelbildung gekommen ist. Glück hat aufsichtsrechtliche Bestimmungen bei der Kreditvergabe im Blick: „Dadurch geht in der Krise Schnelligkeit und Flexibilität verloren.“ Oder Reinders, der zuweilen einem Kunden klar machen muss, dass er für den Verkauf seines zerstörten Hauses einen Energieausweis benötigt.

Dennoch betonen sie auch die positiven Seiten der Katastrophe, Stichworte wie Zusammenhalt und Wir-Gefühl werden genannt. Becker: „Man schaut auch mit Demut auf den eigenen Wertekanon und fragt: Was ist wirklich wichtig? Das Wort Freundschaft habe ich zum Beispiel ganz neu erfahren.“

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