Exklusiv

Kinder betroffen
Besitzer informierte das Jugendamt Euskirchen über Messie-Haus

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Blick in die völlig verdreckte und zugemüllte Küche eines Messie-Hauses.

Ein Blick in die Küche des Hauses: Hier wurde das Essen für drei minderjährige Kinder zubereitet, auf dem Boden jede Menge Unrat und Müll. Eine funktionierende Heizungsanlage oder warmes Wasser hat es laut eines Gutachtens in dem Haus bereits länger nicht mehr gegeben.

In katastrophalen hygienischen Zuständen und ohne funktionierende Heizung lebten drei Kinder in einem zugemüllten Haus im Kreis Euskirchen.

Christian Kremer hat Einweg-Füßlinge zum Ortstermin mitgebracht. „Ziehen sie die besser über die Schuhe, bevor wir reingehen“, sagt er zum Reporter dieser Zeitung. Beim Öffnen der Eingangstür ist sofort ein unangenehmer Geruch wahrnehmbar: Es stinkt nach Fäkalien und Urin.

Kremer, Geschäftsführer der Immobilienmanagement Euskirchen GmbH mit Sitz in Schwerfen, hat das Haus, aus dem der Gestank nach außen dringt, Mitte Januar im Rahmen einer Zwangsversteigerung beim Amtsgericht Euskirchen erworben. Das Haus liegt in einem kleinen Ort im Kreis Euskirchen. Zum Schutz der beteiligten Personen verzichten wir  in diesem Fall jedoch auf die Nennung des Ortsnamens.

In dieser Woche hat Kremer das Gebäude erstmals betreten: Der bisherige Bewohner hatte ihm zunächst bei mehreren Besuchen den Zutritt verweigert. „Mit immer neuen Gründen“, wie Kremer erzählt. Vor dem Landgericht Bonn hatte der Bewohner noch in der vergangenen Woche ein Beschwerdeverfahren gegen die zuvor vom Amtsgericht Euskirchen beschlossene Zwangsräumung angestrengt. Die Beschwerde wurde abgewiesen. Erst unmittelbar vor der für Anfang dieser Woche anberaumten Räumung haben die Bewohner das Haus offenbar verlassen.

Überall im Haus liegt Hundekot auf dem Fußboden

Von einer „besenreinen“ Übergabe sind die Wohnräume jedoch weit entfernt: Drinnen ist alles zugemüllt und verdreckt. Hundekot klebt auf dem Fußboden. Auf dem Küchentisch steht noch ein Topf mit einem Gemüseeintopf, der langsam zu schimmeln beginnt. Zahlreiche Einrichtungsgegenstände wurden ebenfalls zurückgelassen. Die Matratzen in den Betten sehen feucht und unsagbar schmutzig aus.

Hundekot auf dem Fußboden einer Wohnung.

Der Fußboden des Kinderzimmers ist mit Hundekot übersät.

„Bei der Zwangsräumung waren auch Polizisten anwesend“, berichtet Kremer: „Die haben auch gesagt, dass sie so einen schlimmen Fall selten zu sehen bekommen haben.“ Doch bei dem Haus handelt es sich nicht einfach nur um irgendeine dreckige Messie-Bude oder den verwahrlosten Unterschlupf einer Drogen-WG in einer leerstehenden Ruine: Es war das Zuhause dreier minderjähriger und schulpflichtiger Kinder.

Hausbesitzer sorgte sich um das Wohlbefinden der Kinder

„Ein Erwachsener kann ja leben, wie er möchte. Aber man kann seine eigenen Kinder doch nicht in so einem Drecksloch wohnen lassen“, sagt Kremer und schüttelt fassungslos den Kopf. Er ist selbst Vater. Am Aschermittwoch, dem 14. Februar, hat er sich deshalb schriftlich an das Kreis-Jugendamt in Euskirchen gewendet, weil er sich Sorgen um das Wohlergehen der Kinder machte.

Er beschrieb den äußeren Zustand des Gebäudes, den sich auf dem Außengelände stapelnden Müll, und welchen Eindruck er von den Innenräumen hatte. „Obwohl ich nur einen Blick durch die einen Spalt geöffnete Haustür werfen konnte, konnte ich feststellen, dass es drinnen noch weitaus schlimmer aussehen musste, als es laut des gerichtlichen Gutachtens zu befürchten war“, sagt Kremer.

Denn bereits in dem vor dem Zwangsversteigerungstermin im Januar erstellten Gutachten eines Sachverständigen war der heruntergekommene Zustand der Innenräume beschrieben worden.

Gutachten vor Zwangsversteigerung: Haus ist unbewohnbar

„Anhand des Gutachtens befand sich die Immobilie in einem sehr schlechten und nach objektivem Maßstab nicht bewohnbarem Zustand“, teilte Kremer dem Kreis-Jugendamt mit: „Es gibt keine funktionierende Heizungsanlage und nach den uns vorliegenden Informationen auch kein warmes Wasser.“

Gemüse in einem Topf auf dem Tisch in einer Messie-Wohnung.

Auf dem Küchentisch beginnen die Reste eines Gemüseeintopfs zu schimmeln, auf dem Boden ein weiterer Hundehaufen, im ganzen Haus ein widerwärtiger Gestank.

In seinem Brief ans Euskirchener Jugendamt fand Kremer deutliche Worte: „Wir bitten Sie daher eindringlich, sich schnellstmöglich die Lebensumstände der drei in dem Objekt wohnenden Kinder anzusehen und hier gegebenenfalls die unseres Erachtens notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Kinder zu ergreifen.“

Eine Rückmeldung der Behörde habe er nicht erhalten, sagt Kremer im Gespräch mit dieser Zeitung: „Es gab auch sonst keinerlei Nachfragen.“ Als er dann am Dienstag erstmals die Innenräume der Wohnung betreten hatte und ihm das ganze Ausmaß bewusst wurde, wandte sich Kremer an die Redaktion dieser Zeitung.

Jugendamtsleiter Benedikt Hörter: „Wir haben unmittelbar reagiert“

Es steht der Vorwurf im Raum, dass sich das Jugendamt nicht hinreichend um die drei betroffenen Kinder gekümmert hat. „Meines Wissens nach haben die Kinder bis zuletzt mit ihrem Vater in der Wohnung gelebt“, berichtet Kremer.

Benedikt Hörter sitzt an seinem Schreibtisch vor einem PC.

Benedikt Hörter, Leiter des Kreisjugendamtes Euskirchen, betont, dass seine behörde umgehend reagiert habe.

Benedikt Hörter, der Leiter des Kreisjugendamts in Euskirchen, weist diesen Vorwurf weit von sich: „Wir haben unmittelbar, noch an dem Tag, als die Meldung bei uns einging, gehandelt“, betont Hörter. Es habe einen unangemeldeten Hausbesuch gegeben. „Aber wenn wir nicht ins Haus eingelassen werden, dann kann nur das Familiengericht Maßnahmen veranlassen.“

Drei bis vier Hinweise pro Woche gehen beim Jugendamt Euskirchen ein

Hörter betont, dass die Behörde alle Vorgaben des Standardverfahrens eingehalten habe: „Wir sind personell immer in der Lage, unmittelbar auf solche Hinweise zu reagieren, auch im Bereitschaftsdienst.“ Drei- bis viermal pro Woche erhalte das Jugendamt im Kreis Euskirchen im Schnitt Hinweise auf eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls.

Im konkreten Fall habe er sich die Akte auch persönlich angeschaut. „Wir haben leider nicht die Möglichkeit, Türen öffnen zu lassen“, betont der Jugendamtschef: „Ausnahmen gibt es nur, wenn Gefahr in Verzug ist und schwerer Schaden für die Kinder droht.“ Es habe aber keine Hinweise auf Misshandlungen oder Missbrauch gegeben. Auch von anderen Stellen, etwa Kindergarten oder Schule, habe es keine Mitteilung gegeben, die darauf hätten schließen lassen, dass es den Kindern nicht gut gehe. Mehr könne er zu dem Fall aus Gründen des Datenschutzes nicht sagen, sagt Hörter.

Die Familie lebt nach Informationen dieser Zeitung jetzt in einer Notunterkunft der zuständigen Kommune.

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