Die Erinnerungen ihrer Nachbarn haben Bärbel Geusen und Elisabeth Geusen zu einem Buch über Lessenich zusammengetragen.
DorfgeschichtenLessenicher halten ihre Erinnerungen im Buch fest

Hubert Geusen, der hier 1954 seine Braut Änni zum Altar führt, ist mittlerweile der älteste Bürger Lessenichs.
Copyright: Repro Elisabeth Geusen
Das kann man mit Fug und Recht einen Bestseller nennen: Innerhalb einer Woche war das Buch „Lessenich in der Eifel – Ein Dort im Wandel der Zeit“ ausverkauft. Vor knapp einem Jahr war das, jetzt ist die zweite Auflage da. Und schon wieder ist mehr als die Hälfte weg. Allerdings geht es um jeweils 150 Exemplare.
Trotzdem: Nicht schlecht für einen Ort mit gut 400 Einwohnern. Bärbel Geusen und Elisabeth Geusen sind die Köpfe hinter dem Buch, das nicht nur einen Einblick in das Lessenicher Leben gibt, sondern stellvertretend stehen kann für viele Eifeler Dörfer. Vieles hat sich geändert in den vergangenen Jahrzehnten, aber in Vergessenheit geraten ist es noch nicht.
Bärbel Geusen hat nicht nachgehalten, wie viele Stunden sie bei Nachbarn gesessen und zugehört hat: „Bis auf ganz wenige waren alle bereit, mir ihre Erinnerungen zu erzählen.“ Noch länger hat es gedauert, alles, was sie mit dem Handy aufgezeichnet hatte, abzuschreiben. Eineinhalb bis zwei Stunden habe sie in der Regel pro Gespräch gebraucht.
Hubert Geusen ist das lebende Geschichtsbuch von Lessenich
Nur bei einem war es deutlich mehr. Denn gleich nebenan fand sie gewissermaßen ein lebendes Geschichtsbuch. Hubert Geusen ist mit seinen 99 Jahren der älteste Einwohner Lessenichs. Und natürlich ist die Namensgleichheit mit den beiden Schöpferinnen des Buchs kein Zufall: Elisabeth ist seine Tochter, Bärbel die Ehefrau eines seiner Neffen.
„Mittlerweile bin ich der einzige in Lessenich, der im Krieg war“, sagt Hubert Geusen. Seine Schilderungen dieser Zeit sind präzise und sachlich. 14 Jahre war er alt, als er eine Schreinerlehre begann – mit sechs Tagen Urlaub im Jahr. Die Einberufung zum Arbeitsdienst bekam er mit 17, als er Soldat wurde, war er noch keine 18 Jahre alt.

Hubert Geusen ist heute der älteste Einwohner von Lessenich.
Copyright: Ulla Jürgensonn

Das Bild der Schulkinder mit ihrem Lehrer stammt aus dem Jahr 1939.
Copyright: Repro Elisabeth Geusen

Haben gemeinsam das Buch über Lessenich herausgegeben: Elisabeth Geusen (l.) und Bärbel Geusen.
Copyright: Ulla Jürgensonn
Lapidar heißt es dazu von ihm in dem Buch: „Wir waren jetzt an der Front und schlecht ausgerüstet und hatten nichts zu essen.“ Und über den Tag im Jahr 1944, als er in amerikanische Gefangenschaft kam: „Ob ich mich gefreut habe, dass der Krieg vorbei ist, oder ob ich Angst hatte, kann ich nicht mehr sagen. Darüber habe ich nicht nachgedacht.“ Mit 20 Jahren war er dann wieder zu Hause.
Nicht überall war der Weg für Bärbel Geusen so kurz wie zu Hubert Geusen. Zwei der ältesten Lessenicher besuchte sie in Pflegeeinrichtungen, um mit der früheren Betreiberin der Dorfkneipe „En de Möll“, Helga Keul, zu sprechen, fuhr sie an die Ahr. Wenn Kirmes im Dorf gewesen sei, erinnert sich Helga Keul, sei das ganze Obergeschoss ihres Elternhauses zum Tanzsaal umfunktioniert worden.
Bilder dokumentieren die Entwicklung Lessenichs
Sie und ihre Schwester mussten ihre Schlafzimmer räumen, die spanischen Wände wurden abgebaut, um Platz zu schaffen. Die Erinnerung an die Maifeste hat indes einen bitteren Beigeschmack: „Ich selbst bin leider nie verkauft worden und habe auch nie einen Maibaum bekommen, weil ich vor lauter Arbeit in der Wirtschaft keine Zeit gehabt hätte für die ganzen Maifeierlichkeiten.“
Das Interesse an Geschichte scheint bei Bärbel Geusen in der Familie zu liegen. Zwei ihrer Brüder betrieben Ahnenforschung, erzählt sie. Und ihre Mutter habe schon Fotos gesammelt. So konnte sie auch auf diesen Fundus zurückgreifen, so dass das Buch nicht nur eine spannende Lektüre ist, sondern auch in Bildern die Entwicklung des Ortes dokumentiert.
Die Gestaltung des Bandes hat Elisabeth Geusen übernommen, von der Digitalisierung der alten Fotos bis zur Gestaltung der Seiten. Sie war es auch, die Teile der Dorfchronik aus Sütterlinschrift „übersetzt“ hat. Viel Zeit und Arbeit haben die beiden investiert. Doch der Erfolg gibt ihnen Recht. „In einer Familie hat die Tochter nach einiger Zeit ein eigenes Buch gekauft, weil die Mutter ihr Exemplar nicht aus der Hand gegeben hat“, erzählt Elisabeth Geusen.
Ob es einen zweiten Band geben wird? Ausschließen wollen sie es nicht. Die Dorfchronik ist ja noch nicht fertig übertragen. Dann sind da auch noch die Feldpostbriefe vom Opa, die spannend sind. Und es haben sich weitere Lessenicher gemeldet, die ihre Geschichten und Erinnerungen erzählen möchten. Wer das Buch kaufen möchte, wendet sich an Bärbel Geusen unter Tel. 0151/50419626.