Aus der Gegendemonstration zu den „Montagsspaziergängen“ hat sich in Mechernich ein Bündnis für eine lebendige Demokratie entwickelt.
Seit 175 MontagenBündnis für Demokratie hält in Mechernich die Stellung

Zur 175. Demonstration kamen an diesem Montag zwar nur zehn Teilnehmer. Sie nehmen zum Teil aber schon seit Beginn vor knapp dreieinhalb Jahren an den regelmäßigen Veranstaltungen in Mechernich teil.
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„Für lebendige Demokratie“ und „Gemeinsam gegen Rechts“ ist auf einem Transparent zu lesen, das Sabine Henze mit Alfred Rau und Jeanette Neuburg am Montag um kurz vor 18 Uhr vor dem Mechernicher Rathaus aufspannt. „Das machen wir jetzt seit mehr als drei Jahren so“, berichtet Henze: „Und wir haben keinen einzigen Montag ausgesetzt, auch nicht an Feiertagen wie Ostermontag oder an richtig hohen Feiertagen wie Rosenmontag“, sagt die Lorbacherin mit einem Augenzwinkern.
Seit dem 3. Januar 2022, als Henze den Protest vor dem Mechernicher Rathaus erstmals organisiert hatte, sind inzwischen 174 Wochen vergangen. Bei der 175. Veranstaltung an diesem Montag waren es am Ende rund zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die der Einladung gefolgt waren. „Zu Spitzenzeiten haben wir aber auch schon bis zu 100 Teilnehmende hier gehabt“, blickt Henze auf die vergangenen knapp dreieinhalb Jahre zurück. Sie hatte die Demonstration ursprünglich als Reaktion auf die „Montagsspaziergänge“ von Querdenkern und Kritikern der Corona-Maßnahmen initiiert.
Die „Montagsspaziergänge“ sind Geschichte, die Demo bleibt
Und während die „Spaziergänger“ im Lauf des vergangenen Jahres ihre regelmäßigen Treffen in Mechernich eingestellt haben, sind Henze und ihre Mitstreiter weiterhin aktiv, um ihren symbolträchtigen Veranstaltungsort „zu verteidigen“, wie die Sozialdemokratin aus Lorbach sagt: „Wir haben die ‚Spaziergänger‘ jetzt um ein Jahr überlebt, halten hier weiter die Stellung. Denn das Rathaus ist ein Symbol für die gelebte Demokratie.“

Mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen im Winter 2021/22 zu den „Montagsspaziergängen“ von Querdenkern und Kritikern der Corona-Maßnahmen nach Mechernich. (Archivbild)
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Und das soll auch so weitergehen. „Unsere Montagsveranstaltung ist bis auf Weiteres genehmigt“, erzählt die Organisatorin: „Anfangs habe ich die Veranstaltung jede Woche neu angemeldet, bis ich dann einmal gefragt habe, ob wir auch ein Abo bekommen können“, so Henze.
In der Vergangenheit habe sie sich für ihr Engagement auch schon üble Beschimpfungen anhören müssen. „Von einem Teilnehmer der ‚Spaziergänge‘ bin ich mal als Antifa-Nazi tituliert worden“, sagt Henze, die sich auch bei den „Omas gegen Rechts“ engagiert. „Wir wollen aber die vielen Vernünftigen motivieren, etwas für die Demokratie zu tun.“
Aufruf soll neue Teilnehmer zur Montagsdemo nach Mechernich bringen
Für viele politisch und gesellschaftlich engagierte Bürgerinnen und Bürger aus Mechernich und dem gesamten Stadtgebiet gehört die Teilnahme an der Mahnwache seitdem regelmäßig dazu. „Wir haben kein festes Programm, sondern treffen uns hier einfach, um uns auszutauschen“, berichtet Jeanette Neuburg: „So lernen wir voneinander und entwickeln neue Ideen.“ Andrea Klick, die ebenfalls regelmäßig zu den Treffen kommt, nickt zustimmend: „Mir persönlich tut es einfach gut zu sehen, dass ich mit meiner Meinung und meinen politischen Zielen nicht allein bin.“
Neue Teilnehmer seien trotzdem willkommen: „Kommen Sie doch einfach an einem Montagabend dazu“, heißt es in einem Aufruf, den Henze als Sprecherin des „Bündnis für lebendige Demokratie – Gemeinsam gegen Rechts Mechernich“ veröffentlicht hat. „Wir wollen alle demokratischen Parteien mit ins Boot holen“, ergänzt ihr Mitstreiter Alfred Rau: „Wir hatten bei den größeren Kundgebungen, die es zwischenzeitlich zu verschiedenen Themen und Anlässen gab, auch jeweils Vertreter von SPD, Grünen, CDU, UWV und der FDP dabei.“
Workshops zur politischen Weiterbildung organisiert
Um Interessierte politisch weiterzubilden, hat das Bündnis inzwischen auch schon mehrere Workshops organisiert. „Im Januar 2023 haben wir eine Veranstaltung über Symbole und Ausdrucksformen verfassungsfeindlicher Gruppierungen gemacht, im März 2023 hat uns der Journalist Michael Klarmann über rechte Netzwerke in der Eifel informiert, und mit dem Philosophen Stephan Siemens ging es um die Gründe der gegenwärtigen Rechtsentwicklung“, blickt Henze zurück. „Gut möglich, dass wir in Kürze auch einen Workshop mit Infos zum möglichen AfD-Verbotsverfahren machen.“
Dass Demokratie vom Mitmachen lebt, betont auch der Firmenicher Rainer Holz. Er habe nicht verstehen können, wie die „Montagsspaziergänger“ während der Corona-Zeit innerhalb kurzer Zeit so starken Zuspruch bekommen konnten. „Das war meine Motivation, mich hier aktiv zu beteiligen. Dass es schnell vorbei sein kann mit der Demokratie, wenn man nichts dafür tut, das sieht man aktuell ja beim Blick nach Amerika.“ Trotzdem sei es nicht leicht, neue Mitstreiter zu motivieren. „Aber das gilt ja nicht nur für unsere kleine Veranstaltung hier, sondern auch allgemein in der Kommunalpolitik“, beklagt Holz.
Obwohl er sich in der Vergangenheit auch schon selbst parteipolitisch engagiert habe, sei es für ihn nicht ganz leicht gewesen, einen aktiven Part für das Bündnis zu übernehmen, so der Rentner aus Firmenich. „Wir haben zum Beispiel vor der Europawahl und vor der Bundestagswahl im Februar einen Infostand auf dem Mechernicher Wochenmarkt gehabt, wo wir Flyer verteilt und zur Teilnahme an der Wahl aufgerufen haben“, berichtet Holz: „Das war schon eine Überwindung für mich, fremde Menschen anzusprechen, obwohl es um eine gute Sache ging.“
Infostand auf dem Wochenmarkt in Mechernich
Das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich am 8. Mai zum 80. Mal. Aus diesem Anlass organisiert das „Bündnis für lebendige Demokratie – Gemeinsam gegen Rechts Mechernich“ fürFreitag, 9. Mai, einen Infostand auf dem Mechernicher Wochenmarkt.
Wer sich an den regelmäßigen Mahnwachen für die Demokratie beteiligen möchte, ist dazu jeweils montags in der Zeit von 18 bis 19 Uhr vor dem Rathaus in der Bergstraße willkommen.
Vor Ort können sich Interessierte auch in eine Mailingliste aufnehmen lassen, um regelmäßig über die weiteren Veranstaltungen des Bündnisses informiert zu werden. „Zum Schutz der Teilnehmer ist diese Liste nicht öffentlich“, informiert die Organisatorin Sabine Henze.