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Ausstellungs-PremiereKünstler aus Tondorf machten gemeinsame Sache

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Eine Künstlerin steht neben einem Gemälde, auf das sie blickt und mit dem linken Zeigefinger zeigt.

Zitronensaft, Kaffee und Kohlestifte hat Anne Jentges für dieses Gemälde neben Acrylfarben verwendet.

Bei einem Spaziergang durch Tondorf erhielten die Besucher Einblicke in die Ateliers und Werkstätten von sechs Kreativen aus dem Dorf.

Sechs Künstler leben im Ort – da liegt eine Überlegung nahe: Warum machen wir nicht die Tondorfer Ateliertage? Gesagt, getan. Nun öffneten die Kreativen zum ersten Mal ihre Ateliers und Werkstätten.

Wolfgang Metzlers Welt besteht aus Holzskulpturen. Der große Keller, der Garten, jeder Raum im Haus: Überall sind die in den vergangenen Jahrzehnten entstandenen Arbeiten des heute 82-Jährigen zu sehen. „Eines der wichtigsten Themen ist meine Krieger-Reihe“, so Metzler, als er durch die Lagerräume und seine Holzwerkstatt führt. An die 30 mannshohe, kriegerische Gestalten seien im Laufe der vergangenen Jahre entstanden, berichtet Metzler von seiner Privat-Armee, die so gar nichts Martialisches an sich hat. Es ist eher eine Phalanx zerstörter und irgendwie wieder zusammengesuchter Gestalten. Manche sind kopflos, sie können ihre Extremitäten nur dank Stahlbandgelenken halten, und alle sind so Torsi des Menschlichen. Es geht um ausgestellte Verzerrungen – um Kriegsopfer.

Überall bleibt die Menschlichkeit als Erstes auf der Strecke

Anlässe, ihre Zahl zu vergrößern, findet Metzler leider ja weiter genug: Kriege in der Ukraine, in Gaza, an so vielen Stellen weltweit – und überall bleibt die Menschlichkeit als Erstes auf der Strecke. Wo soll er da Abbilder des Schönen aus dem Holz schneiden können? „Hilfe“ etwa ist ein wie verbrannt wirkender Körper, zwar aufrecht stehend, doch verzweifelt die Arme, eng aneinandergepresst, in die Höhe reißend. Dieses und andere Fanale gegen Krieg, Gewalt und Zerstörung zeigt Metzler demnächst in einer Ausstellung. Allerdings im ostfriesischen Norden.

Eine Künstlerin präsentiert ein aus Krawatten genähtes Kleid und den dazu passenden Hut.

Aus Krawatten hat Diana Rosa Scholl das Kleid und den Hut genäht.

Eine Künstlerin und ihr Ehemann halten Figürchen in ihren Händen, darunter einen Froschkönig aus Keramik.

Unterschiedliche Künstler: Klara Martens stellt seit Jahren bunte Keramikfigürchen für Haus und Garten her, Ehemann Rainer malt abstrakte Ölbilder.

So brutal-eindrucksvoll sind auch bei ihm nicht alle Werke, die meisten sind eher verspielt. Auch die anderen fünf aus der Tondorfer Künstlergruppe setzen nicht auf Schockeffekte. Joachim Mahlberg allerdings hat auch einen Blick für gewisse Drastik. An ein überdimensionales Gehirn erinnert wenige hundert Meter von Metzlers Adresse entfernt ein riesiges Holzknäuel. „Das ist gestockte Buche, der Baum hat die Wucherungen als Schutz vor dem Befall mit Fäulnisbakterien ausgebildet“, erklärt Mahlberg. Den skulpturalen Charakter der Formen hat er sofort erkannt und sie aus dem gefällten Baum ausgefräst. Mit einem Wachsöl wurde dann eine Art Firnis aufgetragen, der dem Totholz neue Haltbarkeit geben soll.

Ein Stillleben aus Kaffee, Zitronensaft, Kohle, Federn, Efeu und Löwenzahn

Anne Jentges wiederum unterstützt die Arbeiten ihres Mannes, indem sie ab und an dessen Holzskulpturen eine farbige Fassung gibt. Sie selbst malt in Acryl abstrakte Motive dessen, „was mir so gerade im Alltag begegnet oder mir einfällt“. Ein sommerlich-leichtes, in hellen Farben gemaltes Stillleben ist dabei komplexer, als es scheint. „Eingearbeitet sind Kaffee, Zitronensaft, Kohlestifte und mit der Linoleumrolle durchgepauste Federn, Efeu- und Löwenzahnblätter“, so Jentges.

„Ich muss einfach jeden Tag was Kreatives tun“, sagt die Kunsthandwerkerin Diana Rosa Scholl in ihrem Dachatelier. Sie hat das Upcycling für sich entdeckt. Textilreste sind aus ihrer Sicht noch für so manches gut: Taschen, Hüte oder Kleider kann man daraus machen. Sie deutet auf ein langes Kleid: „Hier sind 28 Krawatten, hauptsächlich aus Seide, verarbeitet.“ 400 der langen, schmalen Schmucktextilien für den Herrn hatte sie geschenkt bekommen. Für Diana Rosa Scholl ist das ein dankbarer Fundus, um manch eine Idee umsetzen zu können.

Der Erfolg der Tondorfer Ateliertage gibt dem Künstler-Sextett recht

Der Rundweg zu den Ateliers führte auch zu Rainer und Klara Martens. Die Ateliertage seien einfach eine Bombensache gewesen, sagt Rainer Martens. Im Frühjahr hatten die Tondorfer Künstler die Idee, einfach einmal gemeinsam ihre Werke zu zeigen. Zuvor hatten sie sich wahlweise einzeln oder beispielsweise im Rahmen der Eifeler Ateliertage präsentiert. Als Angebot für ihr Dorf und als Rundgang zu den einzelnen Adressen wurde die Aktion konzipiert. Ein Lageplan wurde entworfen, gemeinsame Öffnungszeiten vereinbart. Der Erfolg gab dem Sextett recht.

Ein Künstler steht neben einer Holzfigur, die die Arme hochstreckt.

„Hilfe“ ist eine Figur der Krieger-Reihe von Wolfgang Metzler.

Rainer Martens arbeitet in seinem Atelier an seinem Langzeitprojekt: Ölgemälde, die amorphe, zerfließende Formen zeigen. Die Arbeiten wirken oft surrealistisch, erinnern mal an einen großen Farbklecks, mal an eine Wolke. Immer haben sie eine spürbare Dynamik, eine Spannung, die sie pulsierend wirken lassen.

Figuren, so verschmitzt, als hätte Loriot sie erdacht

Entgegengesetzter könnte die große, bunte Keramikwelt von Klara Martens nicht sein. Ihre Figuren, ob abstrakt oder gegenständlich, manchmal verschmitzt wirkend wie von Loriot erdacht, manchmal skurril, bevölkern den ganzen Garten der Martens. Alle Beete sind vollgestellt, eine muntere Überbevölkerung. „Wie viele das sind, weiß ich auch nicht mehr“, gesteht Klara Martens. Fest steht: Wer sich eines der Figürchen auf den Balkon oder in den Garten stellt, der bekommt gute Laune gleich mitgeliefert.

Tondorf hat sich so auf einmal als erstaunlich vielfältiges Künstlerdorf gezeigt. Dank des großen Publikumszuspruchs steht zumindest für Rainer Martens fest: „2026 wird das wiederholt!“