Nachhaltiger WohnungsbauBlick in ein autarkes Strohballenhaus in Nettersheim-Tondorf

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Das Strohballenhaus in Tondorf wird beim Tag der offenen Tür vorgestellt.  

Nettersheim-Tondorf – Im ersten Moment hört sich das, was derzeit in Tondorf gebaut wird, mehr nach einer Attraktion auf einem Ferienbauernhof für Kinder an als nach einem Bauprojekt. Doch wer sich auch nur kurz mit dem Strohballenhaus beschäftigt, das hier realisiert wird, muss zugeben, dass hier Dinge umgesetzt werden, die im Sinne von nachhaltigem Wohnungsbau richtungsweisend sein können. Jetzt können Besucher das besondere Gebäude an einem Tag der offenen Tür erstmals besichtigen.

Drei Schwestern haben in dem auf den ersten Blick völlig normal aussehenden Wohngebäude Dinge verwirklicht, mit denen sie in Zeiten des Klimawandels das Thema Hausbau noch einmal neu denken wollen. Ein ausgefuchstes Energiekonzept mit eigener Biogasanlage und dazu in der Hauptsache nachwachsende Rohstoffe als Baumaterialien weisen den Weg in eine andere Richtung als die gewohnte.

Handgefertigte Schindeln aus Lärchenholz

Von außen fallen die Lärchenholzschindeln ins Auge, die nicht umsonst an eine alpine Umgebung erinnern. Denn von dort, aus Österreich, Südtirol und Süddeutschland, kommen sie und sind handgemacht – wie seit Jahrhunderten von den dort ansässigen Bauern. Doch das Umdenken beginnt bereits unter dem Haus. Statt ein herkömmliches Fundament zu gießen, steht das Gebäude nur auf zwei Betonriegeln, sodass der Boden kaum versiegelt wird.

Tag der offenen Tür

Das nachhaltige Wohnhaus an der Lambertusstraße 13 kann am Sonntag, 25. September, von 11 bis 17 Uhr besichtigt werden.  

Eigentlich ist die Bauweise des Strohballenhauses in der Region nicht so ungewöhnlich. Es handelt sich um ein klassisches Holzständerwerk, doch die Gefache wurden mit Stroh ausgefüllt und anschließend mit Lehm verputzt.

Das Baustroh ist zertifiziert

Wie die Schwestern erläutern, handelt es sich - da in Deutschland alles festgelegt ist - um zertifiziertes Baustroh, das besonders fest gepresst ist. Das habe unter anderem den Vorteil, dass Nager sich nicht einnisten könnten. Versehen mit einer dünnen Lehmschicht, erreicht es die Feuerwiderstandsklasse 30 und gilt damit als „feuerhemmend“, hat die Materialprüfungsanstalt Braunschweig ermittelt. Die Decke wird mit Hanf und Strohplatten ausgebaut und isoliert.

Ausgetüftelt ist auch das Energiekonzept, das das Gebäude energetisch autark macht. Einen Anschluss ans Strom- oder Gasnetz gibt es nicht. Strom liefert eine Solaranlage auf dem Dach, der in eine Speicherbatterie geleitet wird. Damit wird ein 500-Liter-Warmwasserspeicher beheizt, der die im Lehmputz an den Wänden verbauten Heizschlangen speist.

Kochen mit Gas aus der eigenen Anlage

Doch der Warmwasserspeicher hat noch andere Quellen. Der Holzherd, auf dem gekocht wird, gibt seine überschüssige Wärme ebenfalls dorthin ab. Dazu kommt Biogas aus der hauseigenen Mini-Biogasanlage im Garten. Sie liefert im Sommer Methan zum Kochen. Derartige Haus-Biogasanlagen waren ursprünglich für den afrikanischen Markt gedacht, sind inzwischen aber auch in Deutschland begehrt.

Pferdeäpfel und Küchenabfälle werden in einem Plastiksack vergoren, der im Garten in einer Art niedrigem Gewächshaus versteckt ist. Am einen Ende kommen die Abfälle hinein, am anderen Ende kommt hochwertiger Dünger heraus.

Das Prinzip der Solidarischen Bauwirtschaft

Das dabei entstehende Gas wird in einem zweiten Sack unter dem Haus gesammelt. Und wenn einmal nicht genug Druck da ist, um kochen zu können, schafft eine Holzbohle Abhilfe. Wie die Schwestern berichten, liefert die Anlage einen Kubikmeter Biogas pro Tag. Das reiche, um zwei bis vier Stunden kochen zu können.

Gebaut wurde das Haus nach dem Prinzip der Solidarischen Bauwirtschaft: Wer anderen beim Hausbau hilft, erfährt selbst bei seinem Haus Hilfe. Dazu kommen noch viele weitere Aspekte der Kooperation und Unterstützung. So haben die Schwestern erst einmal auf mehreren Baustellen mitgearbeitet, dann hatten sie die Hilfe bei ihrem Haus.

Tag der offenen Tür auf der Baustelle in Tondorf

Anfang 2021 entschlossen sich die drei Schwestern dazu, das Gebäude zu errichten. Das Grundstück stammt aus dem Besitz der Familie, der Vater kommt aus Tondorf, die Mutter aus Buir. Oft haben die Schwestern die Ferien auf dem Bauernhof ihrer Großmutter verbracht.

Noch ist das Haus, das eine Wohnfläche von etwa 48 Quadratmetern hat, eine Baustelle, vieles ist noch unfertig. An manchen Stellen sind die Strohballen noch zu sehen, einen richtigen Fußboden gibt es noch nicht. So kann gut gezeigt werden, wie das Haus aufgebaut ist, bevor die Leitungen hinter Verkleidungen verschwinden.

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Zwei besondere Gäste werden am Sonntag beim Tag des offenen Strohballenhauses vor Ort sein. So kommt der Erfinder der Solidarischen Bauwirtschaft, Klemens Jakob, nach Tondorf und wird die Idee erklären. Aus Äthiopien ist der Künstler Tamrat Siltan angereist, der auf den lehmverputzten Wänden des Hauses die Technik des Sgraffito vorführen wird. Darüber hinaus wird auch der Bau eines Biomeilers vorgeführt, durch den mit Pferdeäpfeln und Hackschnitzeln im Winter Wärme erzeugt werden kann.

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