Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Briefmarken und MünzenWarum der Familienschatz oft nichts wert ist

5 min
Zwei Männer sitzen an einem Tisch und schauen sich ein Album mit einer Briefmarkensammlung an.

Mit fachmännischem Blick taxiert Clemens Kindler (l.) die Briefmarkenalben von Ulrich Zumbusch.

In Zülpich haben Experten der Sammlerfreunde Briefmarken und Münzen taxiert. Oft erbrachte dies eine Enttäuschung für die Besitzer.

Einst waren sie bekannt als die „Aktie des kleinen Mannes“: Briefmarken. Sie wurden gesammelt, ordentlich in Alben eingeordnet und auch wegen ihrer teilweise exklusiven Gestaltung bestaunt. Der Verein „Sammlerfreunde Zülpich“ bietet regelmäßig auch Externen die Möglichkeit, Sammlungen schätzen zu lassen. Die Experten begutachten dabei sowohl Briefmarken als auch Münzen. Doch bei beidem gibt es immer wieder Enttäuschungen, wenn sich herausstellt, dass eine vermeintlich wertvolle Sammlung kaum mehr ist als bunt bedrucktes Papier.

Was sich in den Schubladen der sammelfreudigen Vorfahren so findet und vererbt wird, bietet nur ganz selten Grund zur Freude. Mit großen Hoffnungen und Erwartungen sind die Sammlungen einst angelegt worden, heutzutage sind sie so gut wie wertlos. Schließlich misst sich der Wert einer Sache immer an dem Betrag, den jemand bereit ist, dafür zu bezahlen. Doch es gibt immer weniger Sammler, die sich um derartige Stücke reißen könnten.

Münzsammlungen haben zuweilen nur noch den Wert von Altmetall

Mit der Nachkriegsgeneration stirbt genau die Klientel, die früher für hohe Preise gesorgt hat. Was schon für Enttäuschungen bei den Bücherschränken sorgt, ist hier auch nicht anders. Den „Geschenkten Gaul“, den Bestseller von Hildegard Knef aus den 1970er-Jahren, der sich in der Zeit in wohl nahezu jedem Bücherschrank befunden hat, will heute niemand mehr haben – nicht einmal geschenkt.

Ähnlich ist es bei den Briefmarken, bei den Münzsammlungen ist es sogar noch dramatischer. Früher galten sie als Kostbarkeiten, waren als Diebesgut heiß begehrt. Und heute? Altmetall.

In einer schmalen Schatulle liegen acht Münzen von den Seychellen.

Von den Seychellen stammen diese Münzen. Sie sind eine Besonderheit, lassen das Herz eines erfahrenen Münzsammlers aber kaum höherschlagen.

Auf einem Blatt kleben mehrere bunte Briefmarken.

Bunt und nett, doch meist wertlos sind die Briefmarken.

Aus der Inflationszeit in der Weimarer Republik stammen diese Briefmarkenbögen mit Nennwerten von 50 oder 100 Millionen Mark.

Gigantisch sind zumindest die Nennwerte auf den Inflamarken.

Entsprechend lang sind auch die Gesichter des Paares, das mit der Sammlung des verstorbenen Vaters ins Gymnasium nach Zülpich gekommen ist, um sie taxieren zu lassen. Genau wie der Sammler, der die Münzen genau unter die Lupe nimmt, wollen sie nicht namentlich genannt werden. Ihre Sorge: Dass solch eine Münzsammlung heutzutage keinen Ertrag mehr bringt, könnte sich in der Einbrecherszene noch nicht rumgesprochen haben. „Wir wollen keine Begehrlichkeiten wecken“, so der Sammler.

Für die Erben sollte die Sammlung wenigstens für ein Essen reichen

Deutlich ist zu merken, dass zwei Herzen in seiner Brust schlagen: das des Sammlers und das des Menschen, der zum Erwerb der Sammlung, die auf dem Tisch liegt, Geld ausgeben soll. „Das ist was Besonderes“, sagt er und deutet auf eine Fünf-Mark-Münze aus dem Deutschen Reich. Seychellen, Uganda, China – viele ausländische Münzen sind zu sehen. Er lobt die Sondermünzen zu den Olympischen Spielen 1972 in München. Doch haben will er sie nicht.

„Wir sind eine Erbengemeinschaft, wir wollen wenigstens davon Essen gehen“, sagt die Frau, während sich auf ihrem Gesicht die schwindende Hoffnung abzeichnete. Und jetzt? Wenigstens die Silbermünzen würden den Materialwert bringen, das Münzgeld aus der Bundesrepublik könne bei der Bundesbank zum Nennwert eingetauscht werden, so das Urteil des Experten: „Am besten geben Sie es den Enkeln als Spielgeld, das sind nur Pfennigartikel.“

Ein Mann und eine Frau schauen in Alben, die eine Briefmarkensammlung beinhalten.

Von ihrem Vater hat Nicola Jansen die Alben mit Briefmarken geerbt. Mit Heinrich Hegmann begutachtet sie die Sammlung.

Nicht anders sieht es bei den Briefmarken aus. „Es ist viel aus den 1960er- und 1970er-Jahren auf dem Markt, was damals von vielen Leuten gesammelt wurde“, sagt Heinrich Hegmann, Kassierer der Sammlerfreunde Zülpich, die die kleine Börse einmal im Jahr veranstalten. Wenn etwas verkauft werde, dann auch nur für „kleines Geld“. „Früher ist viel dafür ausgegeben worden, doch heute haben sie nur noch wenig Wert.“ Den Wert gemindert habe auch die Euro-Umstellung, denn jetzt können die Marken nicht einmal mehr zum Frankieren genutzt werden.

Zehn Mitglieder hat der Zülpicher Verein noch, alle älteren Semesters. Nachwuchs aus der Jugend gibt es so gut wie gar nicht. „Die Jungen sind die Alten“, sagt Hegmann: Auch die neuen Mitglieder sind bereits fortgeschrittenen Alters. Wer sammeln wolle, sei im Verein gut aufgehoben. „Man kommt besser an Material und wird davon abgehalten, Fehler zu machen“, so Hegmann. Doch mittlerweile seien viele Vereine mangels Mitgliedern zugrunde gegangen.

Manch ein Album wird als nostalgische Erinnerung verwahrt

„Es gibt kaum noch Briefe – und wenn, dann wird nicht mehr geklebt, sondern mit Automaten frankiert“, beschreibt Clemens Kindler, Vorsitzender der Sammlerfreunde, ein weiteres Problem. 1962 habe er mit dem Sammeln begonnen: „Damals konnte man was finden.“ Mit Freunden sei er unterwegs gewesen und habe im Altpapier nach spannenden Marken gesucht. „Ich sammele seit den Achtziger Jahren Belege, also Briefe mit Briefmarke“, sagt er: Das sei ein Spezialgebiet. Doch auch seine Kinder hätten kein Interesse daran.

Nein, enttäuscht sei sie nicht, sagt Nicola Jansen aus Zülpich, als sie das Ergebnis der Bewertung der Sammlung hört, mit der sie gekommen ist: „Ich habe mit nichts gerechnet.“ Aus dem Besitz ihres vor fünf Jahren verstorbenen Vaters stammen die Sammelbände, für die sie 30 Euro erhält: „Das lag als totes Material in einer Abstellkammer, das Geld wird in Bücher investiert.“

Wieder mit nach Hause nimmt hingegen Ulrich Zumbusch die Alben, mit denen er zum Taxieren gekommen ist: „Ich habe die Bände eigentlich für meine Söhne angelegt.“ Er wolle sie jetzt als nostalgische Erinnerung aufbewahren. Zum Sammeln sei er in seiner Jugend gekommen, weil sein Vater gesammelt habe.

Mehr Aufmerksamkeit erregt derweil der Karton, den zwei Zülpicher bei einer Wohnungsauflösung gefunden haben. „Inflaware“, sei es, verkündet einer der Sammler nach einem kurzen Blick. Bogenweise sind die Marken zu finden aus der Inflationszeit in der Weimarer Republik mit astronomischen Nennwerten von mehreren Milliarden Mark. „Die waren damals sechs Wochen gültig und konnten dann nicht mehr verwendet werden“, sagt Hegmann. Historisch sei das spannend, doch für Sammler nur dann interessant, wenn es auf den Bogen Plattenfehler gebe.

Weitere Briefmarkenvereine im Kreis bestehen in Bad Münstereifel, Kall und Mechernich. Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder der Sammlerfreunde Zülpich im Franken-Gymnasium in Zülpich. Die Möglichkeit für Externe, ihre Marken und Münzen unter die Lupe nehmen zu lassen, besteht einmal im Jahr. Der Vorsitzende Clemens Kindler ist telefonisch unter 0157/32287195 oder per E-Mail unter ckindler@gmail.com zu kontaktieren.