„Ich liebe Köln"Die ersten deutschen Wörter: Geflüchtete machen Sprachkurse

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Beata Horvaths Klasse arbeitet engagiert.

Beata Horvaths Klasse arbeitet engagiert.

Köln – Woher kommen Sie? Wie heißen Sie? Was sind Sie von Beruf? Beata Horvath fragt in die Runde der ukrainischen Flüchtlinge und muss nicht lange auf Antworten warten. „Ich komme aus der Ukraine. Ich bin 40 Jahre alt und von Beruf Fitnesstrainerin“, antwortet Yevgenia und spricht die ersten deutschen Sätze sicher und akzentfrei. Erst vor einer Woche starteten die kostenlosen Sprachkurse an der Rheinischen Fachhochschule (RFH) - und schon haben die ersten Gruppen ukrainischer Geflüchteter eine Menge gelernt. Namen buchstabieren zum Beispiel, die Telefonnummer nennen, sagen, woher sie kommen und welche Sprachen sie sprechen. „Auch ein wenig Deutsch.“

Yevgenia freut sich über das Angebot

Yevgenia freut sich über das Angebot

„Ich bin überrascht, wie weit Sie in der kurzen Zeit sind, es ist phänomenal“, freut sich RFH-Professorin Beate Gleitsmann, die das in dieser Form einzigartige Projekt initiierte: Sie fand in der gemeinnützigen Hermann-Niermann-Stiftung einen Förderer für die Aktion, die bei Bedarf fortgesetzt wird (s. Infotext). Die RFH stellte die Räume zur Verfügung und so konnte Beate Gleitsmann das Angebot in kurzer Zeit organisieren. Die Betriebswirtschafts-Professorin kam im Alter von 13 Jahren aus Oberschlesien nach Deutschland und ist selbst in der Stiftung aktiv.

„Jeder sagt, Deutsch zu lernen ist schwer, aber mit unserer Lehrerin ist es einfach!“

Konzentriert beteiligen sich die Neuankömmlinge in freundschaftlicher Runde am Unterricht in den RFH-Räumen an der Schaevenstraße. Viele flüchteten erst vor kurzem vor dem russischen Angriffskrieg, ließen ihr altes Leben zurück. „Der Krieg ist aber nur ganz selten ein Thema, vielleicht ist das auch besser so“, weiß Lehrerin Beata Horvath. Im Unterricht konzentrieren sich alle darauf, in die Sprache einzutauchen, im noch fremden Alltag anzukommen und fühlen sich wieder ein wenig sicherer. „Ich kann jetzt auch besser schlafen“, sagt Yevgenia, deren Sohn in Köln einen Kindergarten besucht.

Angebot mit qualifizierten Lehrkräften

Die Sprachkurse für Geflüchtete aus der Ukraine in den Räumen der Rheinischen Fachhochschule (RFH) richten sich vor allem an Studierende oder Auszubildende oder Fachkräfte in akademischer Ausbildung.

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Personen nehmen an einem der sechs sechs Kurse teil, die seit April laufen. Es gibt Präsenz- und Onlineangebote. Insgesamt wurden acht qualifizierte Lehrkräfte für Deutsch als Fremdsprache engagiert, sie werden von der gemeinnützigen Hermann Niermann Stiftung finanziert.

Für jede Gruppe sind etwa 80 Unterrichtseinheiten vorgesehen. Darüber hinaus gibt es an die 50 ehrenamtliche Unterstützende, überwiegend RFH-Studierende, die etwa bei der Organisation und Freizeitbetreuung helfen, mit Teilnehmenden Einkaufen gehen oder bei einer Schnitzeljagd Köln kennenlernen. Es werden weitere Engagierte gesucht.

Anliegen der Hermann Niermann Stiftung ist die Förderung der Deutschen Sprache sowie ethnischer Minderheiten, so Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Sonntag. Die Stiftung unterstützt die Sprachkurse mit Bezahlung der Lehrkräfte samt Materialien mit rund 100 000 Euro, stellte Kindern Tablets mit individuellen Lernprogrammen zur Verfügung. Bei Bedarf wird das Angebot fortgesetzt. (MW/hbo) www.rfh-koeln.de

„Jeder sagt, Deutsch zu lernen ist schwer, aber mit unserer Lehrerin ist es einfach!“, findet der gebürtige Nigerianer Enoch (25). Er studierte in der Ukraine Medizin und -Management. Der Start mit den ganzen Verwaltungsvorschriften wie der Anerkennung der Studienabschlüsse sei aber durchaus schwierig. Er kam vor vier Wochen hierher und hat die Stadt schon ins Herz geschlossen: „Ich liebe Köln.

Die Leute hier sind sehr nett, heißen einen herzlich Willkommen“, berichtet er auf Englisch. Sein Ziel: Ankommen, weiter studieren, arbeiten. Julia (33) aus Charkiw, die dort in der öffentlichen Verwaltung tätig war, sieht es ähnlich: „Ich würde sehr gerne wieder arbeiten, aber dafür muss ich die Sprache können, deswegen bin ich sehr dankbar, dass ich den Kurs machen kann.“

Waisenkinder aus Dnipro erhalten täglich Unterricht

Die meisten der Teilnehmenden sprechen ukrainisch und russisch, einige auch englisch, alle sind mit der lateinischen Schrift vertraut, weiß Deutsch als Fremdsprache-Lehrerin Horvath, gebürtige Ungarin. „Wir versuchen aber, so viel wie möglich Deutsch zu sprechen.“ Bei der Aussprache hätten die Meisten Probleme, auch mit Hürden wie den Artikeln. Der, die, das - dem Wort vorangestellte Artikel gibt es im Ukrainischen nicht. Aber die Gruppen „sind sehr gut und fleißig. Viele wollen gern weitermachen und die A1-Sprachprüfung ablegen“, lobt Horvath ihre motivierten Schülerinnen und Schüler – ein bunt gemischtes Team von der Erzieherin bis zur Rentnerin.

Lernen: Kinder und Jugendliche aus Dnipro sind in Köln untergebracht

Lernen: Kinder und Jugendliche aus Dnipro sind in Köln untergebracht

Zu den ersten Lernenden gehört auch eine Gruppe Waisenkinder aus Dnipro. Die Vier- bis 22-Jährigen haben in den Räumen der Kölner Rechtsanwaltskanzlei Kinast am Friesenplatz vorübergehend in Köln Obdach gefunden und werden von der Anwaltsfamilie unterstützt.

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Jedes der Kinder und Jugendlichen hat über die Stiftung auch ein Tablet erhalten. Es wird ebenfalls ein Kulturprogramm angeboten, mit Kursen wie Töpfern, Spielaktionen oder Schnitzeljagden zum Kennenlernen der noch fremden Stadt. Professorin Beate Gleitsmann: „Die Kinder lernen noch schneller als die Erwachsenen.“

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