„Sklaverei“Razzia offenbart schlimmes Schicksal vieler Nagelstudio-Mitarbeiter

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Razzia Nagelstudio gepixelt

Einsatz in einem Kölner Nagelstudio

Köln – Die Kölner Zollfahnder schauten den Mitarbeitern und Chefs eines Nagelstudios auf der Frankfurter Straße in Mülheim am frühen Donnerstagmorgen sprichwörtlich genau auf die Finger. Erneut gingen die Beamten in Köln und dem Umland gegen die kriminellen Machenschaften rund um die oftmals illegale Beschäftigung in Nagelstudios vor.

Mitarbeiter ohne Aufenthaltserlaubnis

Der Laden in der Nähe des Wiener Platzes erwies sich für die Fahnder als Volltreffer. Alle sieben Beschäftigten im Alter von 17 bis 23 Jahren hatten keine Aufenthaltserlaubnis. „Ein ganzer Laden. Wir haben das Licht ausgemacht. So etwas habe ich auch noch nicht erlebt“, sagte Zollsprecher Jens Ahland. Noch während der Kontrolle seien Kunden mit abgebrochenen Nägeln in den Laden gekommen und hätten einen Termin gewollt. Die Kunden hätten sich über die Razzia gewundert. „Sie wussten nichts von den Schicksalen der Menschen in dem Geschäft“, so Ahland. Den Beschäftigten seien teils schon vor Monaten die Pässe abgenommen worden.

Alle Mitarbeiter mussten mit auf die Wache zur Vernehmung. Die Beamten wollten die Besitzerin telefonisch erreichen, doch sie ging nicht dran. Nach Erkenntnissen der Ermittler werden in der Nagelstudio-Branche bundesweit vielfach Mindestlöhne massiv unterschritten und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten. „Die Mitarbeiter bekommen einen Hungerlohn“, sagte Ahland weiter. Es würden nur wenige Euro pro Stunde gezahlt werden, wenn überhaupt. Manchmal erhielten die Geschleusten auch kein Geld für ihre Arbeit. „Die Personen sind vollkommen in der Hand der Arbeitgeber“, stellte der Sprecher klar.

Schleuserbanden am Werk

Bei den Razzien fallen immer wieder Menschen vorwiegend aus Vietnam auf, die sich nicht in der Bundesrepublik aufhalten dürften oder die nur ein Touristenvisum besitzen, aber trotzdem arbeiten. Bei vielen bestehe der Verdacht, dass sie illegal nach Deutschland eingeschleust und hier zum Arbeiten gezwungen worden seien. Nicht selten, berichtete Ahland, würden die Arbeitgeber oder Schleuser den Angestellten die Pässe abnehmen, bis die Männer und Frauen zum Beispiel die Kosten für ihre Schleusung abgearbeitet hätten. Die Opfer seien in vielen Fällen auch Minderjährige. Die Betroffenen müssten 10 000 bis 15 000 Euro pro Fahrt bezahlen. Oft würden die Frauen und Männer von ihren Familien gezwungen, nach Deutschland zu fahren.

Hinter vielen Geschichten steckt ein hartes Schicksal

Als Hauptort für die Schleusungen gilt Berlin. Die Betroffenen kommen laut Polizei oft über Russland und Polen in die Hauptstadt. Doch es gebe noch viele andere Schleuserrouten, so der Zoll. Von Berlin werden die Frauen von den Tätern ins gesamte Land verteilt, sie leben in konspirativen Wohnungen – auch in Köln. Ahland spricht von einer „modernen Sklaverei“. Was manchen Frauen geschehe, sei furchtbar. Bei einer Razzia vor wenigen Monaten im Raum Köln wurde eine Schwangere im Nagelstudio angetroffen. „Sie war auf der Fahrt nach Deutschland von Schleusern vergewaltigt worden und musste trotz der Schwangerschaft in einem Geschäft arbeiten“, berichtete der Sprecher. Ahland stellte klar: „Es geht uns nicht darum, die Leute zu erwischen, die geknechtet werden, sondern diejenigen, die sich damit eine goldene Nase verdienen.“ Die bei der Razzia gesammelten Erkenntnisse würden nun ausgewertet. Dazu würden Terminbücher geprüft und mit Stundenaufzeichnungen und Lohnabrechnungen abgeglichen. Bei Verstößen erwartet die Betreiber ein Strafverfahren. Es drohen Gefängnisstrafen und hohe Bußgelder. Bei ähnlichen Kontrollen wurden am Donnerstag in Bonn und Leverkusen vier illegal Beschäftigte entdeckt.   

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