30 Jahre GrenzöffnungWie Veronika Fischer vom Osten in den Westen und zurück kam

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Veronika Fischer

Die Sängerin Veronika Fischer stellt auf der Leipziger Buchmesse ihr Buch "Woher Wohin" vor.

  • 30 Jahre ist der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 fast auf den Tag genau her.
  • 1981 musste die Sängerin Veronika Fischer die DDR verlassen – Ihre Heimkehr 1989 wurde ein Triumph.
  • Die Redaktion blickt auf die Geschichte der Wiedervereinigung.

Köln/Berlin – Am 9. November? Da saß Veronika Fischer zu Hause in ihrer Wohnung in West-Berlin – und das Telefon klingelte. „Meine Schwester Kerstin, die im Ostteil lebte, rief mich an und sagte, ich komme jetzt gleich zu Dir. Ich hatte nicht angenommen, dass das schon möglich ist. Ich habe sie dann von der S-Bahn abgeholt – wir hatten uns acht Jahre nicht gesehen!“ Denn 1981 hatte Veronika Fischer die DDR verlassen – verlassen müssen.

Sie war dort die erfolgreichste Sängerin im Bereich Pop-Rock, hatte zunächst bei Panta Rhei gesungen, später vier Platten mit ihrer eigenen Band veröffentlicht. Doch als  Franz Bartzsch, der praktisch alle ihre Songs komponiert hatte,  1980 das Land verließ, geriet auch Veronika Fischers Karriere ins Stocken. „Lieder von Geflüchteten durften nicht aufgeführt werden, ich hätte mir also ein komplett neues Repertoire aufbauen müssen.“

Ersatz für die Tochter von Harry Belafonte

Das machte sie auch – aber im Westen, wo sie praktisch noch einmal bei Null anfangen musste. Bis 1989 nahm sie fünf Platten auf, die sich zum Teil ganz ordentlich verkauften. Aber es war die Zeit der Neuen Deutschen Welle, und der volkstümliche Schlager kam auf – deutscher Pop hatte es schwer. So berühmt wie in der DDR wurde Veronika Fischer in der BRD nie.

Doch dort hatte man sie nicht vergessen – auch wenn ihre alte Platten nicht mehr gepresst wurden, von den West-Alben ganz zu schweigen. „Ich bekam  einen Anruf, ob ich am 10. November in Dresden spontan bei einer Sendung einspringen könne“, erinnert sie sich. „Die Tochter von Harry Belafonte hatte abgesagt, und Reinhard Mey schlug mich vor. Und ich war dann die erste Künstlerin, die die DDR verlassen hatte, die wieder einreisen durfte.“

Schon die Generalprobe war voll besetzt

Und die „Heimkehr“ geriet zu einem kleinen Triumph: „Schon die Generalprobe für die Sendung war voll besetzt – und die  Menschen sind aufgestanden und  total ausgetillt, als ich auf die Bühne kam, weil ich so symbolisch war für eine Öffnung.“

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Noch 30 Jahre später hört man in Veronika Fischers Stimme, wie sehr sie diese Erinnerung immer noch bewegt.  Denn es blieb nicht bei einem Auftritt: „Gleich im Februar, März 1990 habe ich eine große Tournee mit 30 Konzerten in der DDR gemacht. Und die waren voll. So was erlebt man nur einmal im Leben – wenn überhaupt.“

Es gab natürlich nicht nur Jubel: „Viele Fans im Osten haben mir vorgeworfen, ich hätte sie verraten. Das ist natürlich völliger Blödsinn. Aber das gehört dazu.“ Und letztlich nicht verwunderlich in einem Staat mit gelenkten Medien.

„Der Westen ist uns zu heikel“

Wenn man sich heute ihre Tourneepläne anschaut, gastiert sie in allererster Linie in den  fünf ehemals neuen Ländern. Ist das ein Ausdruck der sogenannten Ostalgie? „Natürlich auch. Ich war ja sehr markant in den 70er Jahren – und die Menschen verbinden damit ihre Jugend. Sie flippen total aus, stehen auf den Stühlen, so habe ich die Leute noch nicht erlebt – es ist verrückt. Aber es ist ja im Westen bei Künstlern aus den 70ern nicht anders.“

Und wie überall in der freien Marktwirtschaft geht es um Angebot und Nachfrage: „Im Osten haben wir eine gewisse Sicherheit, dass wir die Kosten reinbekommen, ich habe ja eine große Band – der Westen ist uns zu heikel.“ Aber sie erlebt immer wieder, dass es Fans gibt, die weite Wege auf sich nehmen: „Zuletzt war jemand aus Wilhelmshaven da, ein anderer kam aus dem Allgäu.“

Die persönliche Wiedervereinigung mit den Fans klappte

Auch musikalisch spielt der Westen praktisch keine Rolle mehr, die Songs der 80er „fließen nur noch gelegentlich ein. „Die Ossis haben nicht – oder nur zum Teil – mitbekommen, was ich im Westen gemacht habe – und umgekehrt.“ Und so mischt sie die ganz alten Lieder mit denen der neueren CDs, „die ich ja in ganz Deutschland veröffentlicht habe“.

Aber warum haben es „Ostkünstler“ im Westen so viel schwerer als umgekehrt? „Das liegt an den Minderwertigkeitsgefühlen  – ich hatte das anfangs auch. Das Gefühl, benachteiligt zu sein – das sieht man ja auch bei den Wahlen.“ Und wenn sie das sagt, klingt die 68-Jährige alles andere als verbittert. Kein Wunder, ihre persönliche Wiedervereinigung mit ihren Fans hat perfekt geklappt.

Über Veronika Fischer

„Ich bin ein geteiltes Mädchen – die Mauer zieht sich durch mein Leben“, sagt  Veronika Fischer über sich selbst: Ihre Mutter stammt aus Tübingen und landete während des Krieges in Thüringen, verliebte sich und blieb.  Die Tochter wurde im Juli 1951 in Wölfis geboren.

In der DDR veröffentlichte sie vier Solo-Platten – mit Hits wie „In jener Nacht“, „Auf der Wiese“, „Dass ich eine  Schneeflocke wär’“ und „Sommernachtsball“. Nach dem Wechsel in die BRD erschien 1981 ihr erstes von fünf West-Alben, „Staunen“. Es folgten unter anderem „Unendlich Weit“ (1983) und „Sehnsucht nach Wärme“ (1985). Nach der Wende waren ihre Platten wieder in ganz Deutschland erhältlich, auch die Aufnahmen aus den 70ern wurden wieder veröffentlicht.

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