Das Elend nimmt zuWie die Corona-Pandemie Kölner Obdachlosen zusetzt

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Ein Obdachloser in Köln 

Ein Obdachloser in Köln 

Mit Müllsäcken abgedeckte Habseligkeiten. Matratzen. An manchen Orten stapeln sie sich, die Schlafplätze von Menschen ohne Wohnung. Trotz der seit kurzem bitterkalten Nächte schlafen viele unter Brücken, in den Seitenstraßen von Schildergasse und Hohe Straße oder in den Passagen der Kaufhäuser. In diesem Jahr sind es sichtlich mehr als zuvor.

Wohl auch aus Angst vor Ansteckung mit dem Coronavirus würden derzeit mehr Menschen als sonst draußen übernachten, sagt Wolfgang Hartung, Leiter der städtischen Fachstelle Wohnen. Mit dem Beginn der städtischen Winterhilfe soll ihnen ein niederschwelliges Angebot gemacht werden.

74 neue Notschlafplätze in Merheim und Mülheim

Ab kommendem Donnerstag, 3. Dezember, stehen in einem ehemaligen Flüchtlingswohnheim in Merheim, Ostmerheimer Straße 220, zusätzliche Notschlafplätze zur Verfügung. 60 Menschen können hier übernachten. In zwei Wochen sollen weitere 14 Notschlafplätze ausschließlich für Frauen in einem Haus an der Regentenstraße in Mülheim zur Verfügung stehen.

Damit auch obdachlose Menschen, die unter psychischen Beeinträchtigungen oder einer Suchterkrankungen leiden, das Angebot im rechtsrheinischen Vorort annehmen können, wird ein Bus-Transfer eingerichtet. Täglich ab 18.30 Uhr fahren dann mehrere Busse vom Heumarkt aus nach Merheim, Mitarbeiter des Sozialdienstes Katholischer Männer (SKM) sind als Begleitung dabei.

Seit Juni habe man nach einem Objekt in der benötigten Größenordnung gesucht, so Hartung. Da sei endgültig klar gewesen, dass man die Winterhilfe aufgrund von Corona nicht, wie ursprünglich geplant, in der Notschlafstelle an der Vorgebirgsstraße einrichten könne. „Wir hätten gerne ein Angebot in der Innenstadt gemacht, doch es gab einfach nichts.“ Die Crux: Wegen der Corona-Schutzverordnung müssen Betten auch in bestehenden Einrichtungen und den genutzten Hotels weiter auseinanderstehen; auch dadurch weggefallene Schlafplätze mussten ersetzt werden. Zudem wurden für die Winterhilfe 138 Notschlafplätze geschaffen, 45 mehr als noch im vergangenen Winter.

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„Recht zuversichtlich“ ist Rainer Best, Leiter der Notbetreuungen des SKM, was die Nutzung des neuen Angebots angeht. „Die Winterhilfe braucht immer etwas Zeit, bis sie anrollt. Aber dann spricht es sich rum und die Menschen kommen. Das wird auch in Merheim so sein.“ Diejenigen, die eine Ansteckung mit dem Corona-Virus fürchten, soll das Hygienekonzept der Einrichtung überzeugen. Hier stehen überwiegend Zweibettzimmer zur Verfügung, die Türen bleiben offen, es wird nachts regelmäßig gelüftet. „In der Unterkunft sind Laufrichtungen vorgegeben und Abstände auf dem Boden markiert“, so Best. „Davon abgesehen bekommt jeder der ankommt zuerst mal einen heißen Tee oder Kaffee.“ Den gibt es auch, bevor um 8 Uhr ausgecheckt werden muss; der Bus-Tansfer läuft dann umgekehrt in Richtung Innenstadt.

Humanitäre Hilfe für Menschen aus EU-Ländern

Um Menschen aus EU-Mitgliedsstaaten, die kein Einkommen oder keine Ansprüche auf Sozialleistungen haben, in ihrer Notlage ein humanitäres Angebot zu machen, wurden in der Notunterkunft an der Vorgebirgstraße ebenfalls neue Plätze für die Wintermonate geschaffen.

„Kältegänge“ von Stadt und Ehrenamtlern

Mit Beginn der Winterhilfe sind vermehrt Ehrenamtler sowie Mitarbeiter von Stadt und freier Wohlfahrtspflege unterwegs. Bei ihren „Kältegängen“ informieren sie obdachlose Menschen über Notschlafstellen und unterstützen sie dabei, diese aufzusuchen. Über ein Winterhilfe-Telefon oder den Notruf können auch Kölnerinnen und Kölner auf Hilfsbedürftige hinweisen (siehe Seite 2).

Übernachtungsplätze für Hunde im Tierheim

Das Tierheim in Zollstock bietet zehn Übernachtungsmöglichkeiten in beheizten Zwingern für Hunde von wohnungslosen Menschen an. Um eine kurze telefonische Voranmeldung unter 0221 / 381 858 wird bei Bedarf gebeten.

Antrag für besseres Hilfs-Management

24 Stunden täglich ist die Servicestelle der Winterhilfe zu erreichen, unter der Kölnerinnen und Kölner auf hilflose wohnungslose Menschen hinweisen können, die bei Minustemperaturen draußen schlafen. Die Stadtverwaltung bittet vor allem in den Wintermonaten dringend um Mithilfe von Passanten. Die Hotline hat die Rufnummer 0221/ 474 55545. Bei akut gefährdeten Menschen wird darum gebeten, umgehend den Rettungsdienst unter der Rufnummer 112 zu informieren. Im November 2019 war ein obdachloser Mann morgens tot aufgefunden worden.

Recht auf Unterkunft: Zur Vermeidung von Obdachlosigkeit ist die Kommune gesetzlich verpflichtet, wohnungslosen Menschen eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Der Zugang zu einer Kochnische, Sanitäranlagen sowie Heiz- und Lüftungsmöglichkeiten müssen als Mindestausstattung vorhanden sein. Wer keine dauerhafte Unterkunft nutzen kann oder will, hat das Recht auf eine zeitweise Unterkunft wie einen Platz in einer Notschlafstelle.

Die Grünen in der Innenstadt fordern von der Stadtverwaltung ein „Elends-Management“, dazu gehören Dusch-Container, Sozialarbeiter samt Dolmetscher, eine Überwachung der Menschen sowie die Vermittlung von Hilfsangeboten. Der Antrag wird am 8. Dezember diskutiert. (EB)

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