Ehrenfeld Hopping KölnMehr als ein Zug durch Clubs und Bars

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Mit einem Geheimkonzert wurde die Hopper überrascht.

Mit einem Geheimkonzert wurde die Hopper überrascht.

Ehrenfeld – Die beiden jungen Damen sitzen vor ihrer Staffelei in der Stapelbar und kichern schon ein wenig. Malen macht eben einfach Spaß, aber vielleicht hängt die gute Laune am Nachmittag ja auch mit dem frisch gezapften Kölsch zusammen. „Sagen wir mal so: Auch wenn heute nicht Ehrenfeld Hopping wäre, würde ich vermutlich ein Kölsch trinken“, sagt Lena. Freundin Jasmin ergänzt: „Genau, das ist einfach besser für den kreativen Flow.“ Beide greifen nach der Schulzeit erstmals wieder zum Pinsel, ein Tipp des Wirts: „Malen als Einstimmung auf das Hopping ist doch toll. Danach putzt man sich einfach die Finger ab und macht an der Theke weiter“, meint Thomas Molle, Betreiber der Stapelbar.

Deshalb hatte Molle für diesen Hopping-Nachmittag das Kunstprojekt „Art Pub“ ins Haus geholt, das zu den allerersten Aktionen beim diesjährigen, insgesamt 26. Ehrenfeld Hopping gehörte, an dem sich mehr als 50 Locations im Veedel beteiligten. Beim „Art Pub“, der abwechselnd in verschiedenen Kneipen und Bars zu Gast ist, leiten die beiden Künstlerinnen Helena Katsiavara und Regina Nußbaum künstlerische Laien an, „in entspannter Atmosphäre“, wie Nußbaum erklärte. 34,99 Euro für die Doppelstunde, die Getränke nach Wahl müssen extra bezahlt werden. Gerade die entspannte Atmosphäre sagte Lena zu. „Ob wir heute Abend noch großartig unterwegs sind, weiß ich nicht. Hier ist es ja gemütlich, und beim Hopping wird es bestimmt wieder überall unheimlich voll sein.“

Auch Malkurse wurden angeboten: Das Ehrenfeld Hopping war bei seinem 26. Durchgang wieder einmal breit aufgestellt.

Auch Malkurse wurden angeboten: Das Ehrenfeld Hopping war bei seinem 26. Durchgang wieder einmal breit aufgestellt.

Damit sollte sie recht behalten. Spätestens ab 18 Uhr tobte vor allem auf der Venloer Straße und in ihren Nebenstraßen das pralle Leben, meist waren jüngere Menschen unterwegs. Längst ist das Ehrenfeld Hopping nicht mehr nur ein Zug durch Clubs und Bars, mittlerweile machen auch Einrichtungen wie das Büze oder das Neptunbad mit, veranstalten Konzerte oder Partys. Der Kulturbunker in der Körnerstraße läutete mit einer Ausstellung schon mal die Kunstroute am nächsten Wochenende ein, die Künstler der Kolbhalle hatten zur Feier des 30-jährigen Bestehens ihres Kunst- und Wohnprojekts geladen.

Eine tolle Gelegenheit, sich vorzustellen

Selbstverständlich waren auch wieder viele Läden und kleine Boutiquen dabei. Nicht nur die in der Körnerstraße. Im „Polyesterschock“ in der Geisselstraße etwa, wo mindestens 25 Jahre alte Vintage-Garderobe angeboten wird, tummelten sich am frühen Abend schon junge Frauen. „Die Qualität hier ist einmalig für Köln, die Beratung ist toll, und wenn etwas umgenäht werden muss, ist es sogar kostenlos“, sagte Kusuma Fritzdorf begeistert, die aus der Südstadt angereist war.

Inhaberin Anna Krus macht schon beim Hopping mit, seit sie den Laden vor acht Jahren eröffnet hat. „Es kommen ja viele ’Touristen’ aus anderen Stadtteilen, das ist eine tolle Gelegenheit, sich vorzustellen.“ Dazu bot Krus den Besuchern ein „Gurkengetränk“ an – Gin Tonic also, und die beiden DJanes von „Great Hair“ legten bis Mitternacht auf. Irgendwas zwischen Hildegard Knef und Detroit House.

Die Vintage-Garderobe im Polyesterschock gab es beim Ehrenfeld-Hopping zu bestaunen.

Die Vintage-Garderobe im Polyesterschock gab es beim Ehrenfeld-Hopping zu bestaunen.

Aber das Leben eines Hoppers hat seine Härten. Wer ab 20 Uhr überhaupt noch einen Platz in beliebten Kneipen wie der Zoo Schänke, der Braustelle, den Hängenden Gärten oder dem Klub Berlin finden wollte, musste die Ellenbogen ausfahren. Fast überall war es proppenvoll, standen Konzerte auf dem Programm. Acts wie „Der Ramönsche“, „Halbwolf“, „Schmeisig“ oder „Andi Theke“ traten meist umsonst auf. Und vor den Türen Schlangen und Rudelbildung.

Aber es geht auch geheimnisvoll: Das „Royal Ehrenfeld Orchestra“ war als Band angekündigt, „die man nicht hört“. Und die würde mit einem Chor auftreten, „der niemals probt“. Wer das miterleben wollte, musste zur Shuttlebus-Haltestelle Christianstraße und erhielt dort Infos zum „geheimen Veranstaltungsort“. Der entpuppte sich als Rufffactory, am Eingang wurde dem Besucher ein Kopfhörer in die Hand gedrückt, denn der Sänger und die Instrumente waren nicht über Saal-Verstärker zu hören, sondern nur über Headsets. Ein großes Textblatt gab’s auch, denn beim angekündigten Chor handelte es sich um die Besucher selbst. „Valerie“ spielte die Band, dann „Superstition“, und bei „Wonderwall“ kreischten alle Frauen, es grölten die Männer. „Wenn ihr hören wollt, wie ihr klingt, hebt eine Seite des Kopfhörers an“, riet der Sänger. „Wenn es zu schrecklich wird, setzt ihn wieder ganz auf.“

Coole Kirche: St. Joseph öffnete erneut seine Pforten für die Hopper

Mit Projektionen wurden die Besucher von St. Joseph in eine besinnliche Stimmung versetzt.

Mit Projektionen wurden die Besucher von St. Joseph in eine besinnliche Stimmung versetzt.

So breit das Hopping mittlerweile aufgestellt ist, Überraschungen gibt es immer wieder. Die Kirche St. Joseph hatte nach der Premiere 2018 erneut ihre Pforten geöffnet und konnte sie erst um 23 Uhr, eine Stunde später als geplant, wieder schließen.

„Echt, echt, echt großartig“, sagte Jochen Schulz vom Pfarrgemeinderat angesichts der jungen Leute: „Im letzten Jahr habe ich bei 1400 Gästen aufgehört zu zählen, diesmal sind es noch mehr.“

Im Frühjahr 2018 hatte das Leitungsgremium darüber debattiert, wie man die Kirche „wieder cool“ machen könnte, da war spontan die Idee einer Beteiligung am Hopping entstanden: „Dann tobt hier ja das ’coole Leben’ vor der Tür“, erklärte Dr. Dieter Brühl, ebenfalls Pfarrgemeinderat, „dann müssen wir ja nur die Tür aufmachen.“

Drinnen kümmerte sich ein 30-köpfiges Team um die Gäste, reichte Brot und Wein, Filme und Fotos zum Thema Natur und Schöpfung wurden in den Chor projiziert, Laura Brümmer sang spirituell getönte Lieder. Verblüffend sei, wie respektvoll, ja ehrfürchtig, sich die jungen Leute hier verhielten, so Schulz. Mit der Bierflasche in der Hand saßen sie in den Bänken, zur Besinnung, zur Erholung auch. (hwh)

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