Fahrer oft unwissendSo will die Kölner Polizei E-Scooter in die Stadt integrieren

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Die meisten E-Scooter-Fahrer zeigten sich am Rudolfplatz einsichtig.

Die meisten E-Scooter-Fahrer zeigten sich am Rudolfplatz einsichtig.

  • Nach zahlreichen Unfällen in den vergangenen Monaten sucht die Polizei neue Wege, um die neuen Verkehrsmittel in die Stadt zu integrieren.
  • Neben dem direkten Gespräch mit Fahrern wird auch die Zusammenarbeit mit den Leihanbietern forciert.
  • Viele wissen gar nichts von den geltenden Regeln – und den Kosten, wenn man sie nicht einhält. Wir erklären, was erlaubt ist.

Köln – Zwei Polizistinnen stoppen am Rudolfplatz eine männliche Fünfergruppe. Gut gelaunt fahren sie in Reih und Glied über den Fahrradweg. „Haben wir was falsch gemacht“, fragt der eine. Alkoholisiert sind sie zwar nicht, doch die Fahrt mit dem E-Scooter in Gegenrichtung wird ihnen nun zum Verhängnis. „Das habe ich ja noch nie gehört, dass das verboten ist“, sagt ein anderer.

Hilft alles nichts, 20 Euro Bußgeld für jeden. Schnell zeigt sich die Gruppe einsichtig, am Ende wird sogar mit dem Beamten gelacht. „Das ist doch schon mal ein gutes Zeichen“, freut sich die Polizistin im Anschluss. Für die Gruppe geht der Abend mit guter Laune und neuen Erkenntnissen weiter. „Dann trinken wir einfach heute einen Cocktail weniger“, meint der eine. „Quatsch“, erwidert sein Kumpel. „Gerade deshalb lieber einfach zwei mehr.“

Alkohol im Spiel

Samstagabend auf den Ringen: Ein Junggesellenabschied nach dem anderen taumelt freudetrunken über den Rudolfplatz, aufgetakelte Studenten und Feierwütige aus dem Kölner Umland füllen die Straßen. Doch seit dem 15. Juni hat sich das Bild um eine Gruppe von Verkehrsteilnehmer erweitert. Die E-Scooter-Fahrer. Das bedeutet auch mehr Arbeit für die Polizei, die am Samstag einlud, um zu demonstrieren, wie die Kontrollen der Roller ablaufen.

Wenn wie so oft am Wochenende Alkohol im Spiel ist, kann die Stimmung dabei schnell kippen und der Ton wird rauer als bei den fünf Jungs. Das bekommen auch drei Männer mittleren Alters zu spüren. „Hier riecht es doch schon nach Alkohol“, bemerkt ein Polizist sofort. Erst verneinen die Männer, später geben sie kleinlaut zu: „Okay, ein, zwei Bier hatten wir schon. Aber wir können ja noch super fahren.“ Doch auch hier zählt die Ausrede nicht. Die Männer müssen pusten. Zwei von ihnen haben scheinbar doch nichts getrunken, der Dritte kommt auf 0,9 Promille. „Ist ja nicht so schlimm, mit dem Fahrrad ist das ja auch kein Problem“, meint er. Doch er irrt.

Anders als beim Fahrrad gelten für E-Scooter schärfere Grenzen. Elektrische Tretroller sind Kraftfahrzeuge, somit gelten die gleichen Grenzen wie für Autos. Heißt also: Ab 0,5 Promille liegt eine Ordnungswidrigkeit vor. Die Folge sind ein Bußgeld, Führerscheinentzug und Punkte in Flensburg. Wie hoch die Strafe ist, hängt von den genauen Werten ab. Ab 1,1 Promille wird das Fahren mit dem Scooter sogar zur Straftat. Das Gleiche gilt ab 0,5 Promille, wenn Ausfallerscheinungen hinzu kommen. Für den Mann ist die Partynacht mit der Polizeikontrolle am Rudolfplatz zu Ende. Er kommt erst einmal mit aufs Revier.

Das Ziel: „Nahmobilität gemeinsam stärken“

Die Alkoholgrenzen stehen gemeinsam mit anderen Regeln in der neuen Broschüre der Polizei (siehe Infokasten). Dort ist auch aufgeführt, dass auf dem Roller nur eine Person fahren darf. „Das ist einer der häufigsten Verstöße“, erklärt Werner Groß, Leiter Direktion Verkehr der Kölner Polizei.

Dazu seien die falsche Fahrbahnnutzung, und „das wilde Abstellen“ die größten Probleme. Um bei den Nutzern für ein Bewusstsein zu werben, was mit den neuen Verkehrsmitteln erlaubt ist und was nicht, hat auch der Verleih-Anbieter Circ in Zusammenarbeit mit der Polizei eine Broschüre erstellt. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Verleiher, die Polizei und die Stadt austauschen.

Unfälle mit Verletzten

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Verkehrsunfälle mit Verletzungsfolge hat die Polizei seit der Einführung der E-Scooter in Köln registriert. Die Dunkelziffer sei dabei um ein Vielfaches höher. In 51 Fällen war der Fahrer des Scooters der Unfallverursacher. 17 Unfälle hatten schwere Verletzungen zur Folge, in 14 Fällen davon war der E-Scooter-Fahrer schuld. „Da mussten zum Beispiel Schottersteine aus dem Gesicht entfernt werden oder es gab Frakturen“, ordnet ein Polizeisprecher ein. 19 Mal war Alkoholeinfluss die Unfallursache, in diesen Fällen gab es sechs Mal Schwerverletzte.

In ihrer Broschüre „E-Scooter – Sicherheitstipps der Polizei“ sind die wichtigsten Regeln aufgeführt. Gehwege sind tabu, mehrere Scooter müssen hintereinander statt nebeneinander fahren, pro E-Scooter ist nur eine Person erlaubt. Erlaubt sind zudem Geschwindigkeiten bis 20 Stundenkilometer, Personen ab 14 Jahren dürfen mit den Rollern fahren.

Fett gedruckt erklärt die Polizei: „Helme retten Leben, auch wenn keine Helmpflicht besteht.“ (sim)

Bereits Ende Juli kamen alle Parteien beim Runden Tisch zusammen und sprachen sich aus. Eine deutschlandweit bisher einmalige Sache. Genau wie der Termin am Rudolfplatz, bei dem die Vertreter der Anbieter sich einen Überblick über die Polizeiarbeit verschaffen konnten. Ein Ergebnis der bisherigen Zusammenarbeit ist ein Memorandum mit dem Titel „Nahmobilität gemeinsam stärken“.

Die Vereinbarung zwischen Leihanbietern, Deutschem Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund enthält Aspekte für einen konfliktfreien Betrieb vor Ort. „Die Sicherheit der Nutzer hat für uns höchste Priorität“, erklärt Jan Halberstadt, City Manager der Firma Tier. „Die Zusammenarbeit mit der Stadt ist der Schlüssel dafür. Das hat der Termin heute wieder bestätigt“, ergänzt Marco Lietz von Circ. Der Anbieter Lime hatte eine Teilnahme am Termin kurzfristig abgesagt.

Für den Polizeieinsatz gibt es am Abend viel positives Feedback. Ein Gruppe junger Frauen kommt auf E-Scootern vorsichtig näher. Die Polizisten nehmen sich viel Zeit und klären die Frauen über die Regeln auf. „Vieles wusste ich davon nicht“, sagt eine. „Aber jetzt mache ich das bestimmt nicht mehr falsch.“

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