Gefördertes BauenIn Köln-Bickendorf enstehen drei neue Wohnhäuser

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„...aber es hat mir ja keiner geglaubt“: Michael Schleicher vor dem Bauprojekt seiner Genossenschaft in Bickendorf.

„...aber es hat mir ja keiner geglaubt“: Michael Schleicher vor dem Bauprojekt seiner Genossenschaft in Bickendorf.

  • Die Häuser werden mit 54 barrierefreien Wohnungen ausgestattet
  • 6,25 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter kostet eine Wohnung
  • Bis 2020 soll der Rohbau stehen

Köln – Über Menschen wie Michael Schleicher sagt man, dass sie mit Händen und Füßen reden. Wenn Schleicher, 71, über sein Lieblings-Thema redet, fliegen die Hände, er lehnt sich zurück, dann beugt er sich plötzlich nach vorne, alles bewegt sich. Schleichers Thema ist ein Thema, das viele Menschen umtreibt, ja sorgt: Es ist das Wohnen.

Seit 1977 beschäftigt Schleicher sich damit, lange Jahre leitete er das städtische Wohnungsamt. Bis vor sechs Jahren, 2012 war Schluss, Ruhestand. Aber mit der Ruhe, nun ja, ist das so eine Sache. Schleicher hat vor sechs Jahren mit anderen zusammen die Genossenschaft Generationensolidarität gegründet. Schleicher sagt: „Ich habe mich so lange mit preiswertem Wohnraum beschäftigt, ich fühle mich verpflichtet, das Thema weiter voranzutreiben.“

Also lässt er mit seinen Partnern in Bickendorf drei Häuser mit 54 barrierefreien Wohnungen bauen, der Rohbau für das Projekt „Erlenhof“ soll bis 2020 beendet sein, die Mieter werden Mitglied der Genossenschaft. Und: Alle Wohnungen sind vom Land gefördert, kosten also 6,25 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter – und nicht mehr als elf Euro, wie es der Kölner Mietspiegel für Wohnungen ausweist, die nach 2005 gebaut worden sind.

Die Immobilienberatungsfirma Dr. Lübke & Kelber schrieb in einer Analyse des öffentlich-geförderten Wohnungsbau im vorigen Jahr, dass die Mieten in Ballungsgebieten bei Neubauten kaum unter 13 Euro je Quadratmeter lägen – eine Summe, die sich nur zehn Prozent aller Haushalte leisten könnten.

Am Ende geht es in dieser Frage um Geld

Am Ende geht es in dieser Frage um Geld: Wie viel kann ein privater Investor verdienen, wenn er Wohnungen baut, deren Mieten später deutlich günstiger sind als auf dem freien Markt? Welche Rendite will er? Und wie attraktiv ist der öffentlich-geförderte Wohnungsbau für private Investoren? Oder lohnt sich nicht doch viel eher das nächste Haus mit Luxuswohnungen? „Mit dem öffentlich-geförderten Bau lässt sich nicht das schnelle Geld machen“, sagt Schleicher. „Aber es kann keiner sagen, dass sich gar kein Gewinn machen lässt.“ Er spricht von 100.000 Euro pro Jahr.

Aber laut Lübke & Kelber liegen die Renditen rund 40 Prozent unter denen im frei finanzierten Mietwohnungsbau. Die Experten urteilen: „Die Förderung reicht in allen Bundesländern nicht aus, den Investorennachteil, der sich aus der angesetzten niedrigen Miete ergibt, angemessen auszugleichen.“

Geld vom Land zu günstigen Konditionen leihen

Das weiß auch Schleicher: Die 54 Wohnungen der Genossenschaft kosten 12,5 Millionen Euro, 20 Prozent als Eigenkapital übernimmt eine andere Genossenschaft, 80 Prozent leihen Schleicher und Co. sich vom Land zu günstigen Konditionen, bis zu 25 Prozent davon erlässt die zuständige NRW-Bank Fördernehmern.

Im Gegenzug zur Förderung verpflichtet der Investor sich, die Wohnungen für einen bestimmten Zeitraum, häufig 20 bis 25 Jahre, billiger als auf dem Markt üblich zu vermieten. So soll der öffentlich-geförderte Wohnungsbau angekurbelt werden. Denn die Zahlen sinken dramatisch, in Köln von mehr als 100.000 in den 90er Jahren auf 38.103 Ende 2017.

In der Analyse von Lübke & Keller verraten die Investoren, was sie am öffentlich-geförderten Bau abschreckt. 68 Prozent sprechen von „geringen Renditechancen“, 52 Prozent von der „fehlenden Mietanpassungsmöglichkeit“, sprich: Mieterhöhungen. 36 Prozent fürchten die typische „sozial schwache“ Mieterklientel. Schleicher sieht das anders, er sagt: „Der öffentlich-geförderte Wohnungsbau muss aus der Schmuddelecke geholt werden.“ Allein in Köln haben rund 50 Prozent der Einwohner Anrecht auf eine solche Wohnung (siehe Info-Kasten).

Günstiges Wohnen in Köln

38.103 öffentlich-geförderte Wohnungen gibt es in Köln. Sie sind für Menschen, die unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegen, sie können einen Wohnberechtigungsschein (WBS) beantragen. In diesen Wohnungen ist die Miete geringer als auf dem freien Markt. In Köln hat fast jeder zweite Anspruch auf einen WBS.

Die Stadt unterscheidet zwei Einkommensgruppen: A und B. Gruppe A macht etwa 90 Prozent aus. Ein Beispiel: Ein Ein-Personen-Haushalt darf jährlich nicht mehr als 18.430 Euro verdienen. Er hat Anrecht auf eine Wohnung bis 50 Quadratmeter. Dafür bezahlt er aktuell monatlich 6,80 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, vorher waren es 6,25 Euro.

Gruppe B bildet den kleineren Anteil: Angehörige dürfen die Einkommensgrenze um bis zu 40 Prozent überschreiten. Die monatliche Kaltmiete liegt in diesem Segment bei 7,60 Euro pro Quadratmeter. (mhe)

Die Stadt versucht, Investoren über das Kooperative Baulandmodell in die Pflicht zu nehmen, bei komplett neu zu planenden Wohnbauten müssen 30 Prozent günstiger als die Marktmiete sein. Doch das Instrument bot viele Schlupflöcher, erst langsam sind sie ausgeräumt, noch greift es nicht richtig und einige Investoren haben keine rechte Lust. Oder die Stadt vergibt Flächen nach Konzept und nicht nur nach Kaufpreis. „Der Weg ist der richtige, er kommt nur fast 20 Jahre zu spät“, sagt Schleicher. Hätte er es nicht ändern können als Verantwortlicher? „Ich habe die Fehlentwicklung damals gesehen, aber es hat mir ja keiner geglaubt.“ Er hadert in dieser Frage auch mit seiner Partei, der SPD, die lange Jahre im Stadtrat regierte.

Ein häufig genanntes Beispiel für einen engagierten Investor des geförderten Wohnungsbaus ist das Familienunternehmen Sahle Wohnen aus dem Münsterland. Der Betrieb besitzt rund 21.000 Wohnungen in 40 Städten, zwei Drittel sind gefördert, ein Drittel frei finanziert.

Bis zu 80 Prozent der Arbeiten selbst erledigen

Das Besondere: Sahle hat eigene Bauarbeiter, kann bis zu 80 Prozent der Arbeiten selbst erledigen, ist unabhängiger von Preiskapriolen auf dem Markt. Allerdings ist es zum Wachsen gezwungen, weil die Leute dauerhaft beschäftigt sein müssen. Das Unternehmen besitzt auch 3500 Wohnungen in Köln.

Laut Sprecherin Sybille Jeschonek macht Sahle Wohnen seit Jahren stabil rund vier Prozent Rendite. Sie sieht sozialen Sprengstoff in der Frage des bezahlbaren Wohnraums. „An die Leute, die eine Stadt am Laufen halten, wird häufig nicht gedacht.“

Michael Schleicher bestätigt das, er prognostiziert wie so viele weiter steigende Mieten. „Das führt im Endeffekt zu sozialen Auseinandersetzungen.“ Er sieht vor allem Rentner, junge Menschen und alleinerziehende Frauen gefährdet – und gibt deshalb auch im Ruhestand keine Ruhe.

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