Ist das Kind krank oder misshandelt?Kompetenzzentrum Kinderschutz berät Ärzte

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Kindesmisshandlung Symbolbild

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Köln – Der Junge war zehn Monate alt und wurde wegen eines gebrochenen Arms geröntgt. Dabei fielen den Ärzten noch weitere, schon länger verheilte Brüche auf. Misshandlungen? Oder doch die Glasknochenkrankheit? Mit dieser Frage beschäftigte sich schließlich Sybille Banaschak in der Kölner Rechtsmedizin. „Es kommt tatsächlich vor, dass es die Glasknochenkrankheit ist“, sagt sie, „das ist mir in 20 Jahren zwei Mal passiert“.

Der Fall beschreibt den Zwiespalt, in dem sich Ärzte oft befinden, wenn Verletzungen oder andere Auffälligkeiten bei Kindern ihren Verdacht erregen. „Wir wollen den Eltern nichts unterstellen, aber auch alles zum Schutz der Kinder tun“, erklärte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann gestern bei der Eröffnung des Kompetenzzentrums Kinderschutz im Gesundheitswesen.

Fachliche Abklärung und schneller Rat

Denn die Hilfe, die Sybille Banaschek schon seit zehn Jahren Kölner Kollegen gibt, bietet sie mit ihren Mitarbeitern jetzt auch ganz NRW: Kinderärzte, aber auch Hausärzte, Mitarbeiter von Ambulanzen, Gesundheitsämtern und Rettungsdiensten können sich in Köln Hilfe holen: die fachliche Abklärung und Diagnose genauso wie den schnellen Rat unter Kollegen. Das geht rund um die Uhr über das Telefon oder ein Online-Konsil, in dem zum Beispiel Fotos von Verletzungen über einen gesicherten Zugang hochgeladen werden können. Außerdem bietet das Kompetenzzentrum Fortbildungen in Kliniken vor Ort an. Die seien sehr gefragt, sagt Banaschek, besonders für den Mittwoch Nachmittag, wenn auch Hausärzte teilnehmen könnten.

Der zweite Standort des Zentrums ist die Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln im Kreis Recklinghausen. Dort leitet Tanja Brüning die Medizinische Kinderschutzambulanz. Wo bei ihrer Kollegin in der Rechtsmedizin die akuten Verletzungen aufliefen, hätten sie eher mit chronischen Verläufen zu tun. Oder mit dem Verdacht eines Arztes, dass da irgendwas nicht stimme, obwohl das Kind keine Symptome aufweist.

Zum Beispiel der kleine Junge, der völlig gesund wirkte. „Aber die Mutter ist manchmal komisch“, sagte der Kinderarzt und bat Tanja Brüning, genauer hinzusehen. Durch Gespräche mit der Mutter, dem Kindergarten und anderen Beteiligten kamen die Ärzte nach und nach dahinter, was dieser Junge schon alles erlebt hatte: Die Mutter, selbst mit Drogenvergangenheit, hielt ihn auf dem Arm, während sie vom Partner geschlagen und gewürgt wurde. Er musste einen Selbstmordversuch mit ansehen. Im Kindergarten rastete die Mutter einmal aus, der Junge auf ihrem Arm lächelte. Für die Erzieherinnen war damit alles in Ordnung. Brüning wusste: „Dieses maskenhafte Lächeln, das ist ganz schlimm.“ Obwohl ihm äußerlich nichts anzusehen war, habe er dauerhaften Schaden davongetragen. „Und jeder Tag weniger in dieser Familie hätte ihm geholfen.“

Das Kompetenzzentrum Kinderschutz im Gesundheitswesen (KKG) ist erreichbar unter Tel. 0221/478-40800 und über www.kkg-nrw.de. Alle Angebote sind kostenfrei.

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