Jüdische Nachkommen„Die Wurzeln unserer Familie liegen in Köln“

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Köln – „Meine Mutter Helga hat früher nicht viel über die Vergangenheit gesprochen. Das war ein Tabu-Thema.“ Nachdenklich steht Monika Samson (66) aus Amsterdam mit ihrem Mann Peter (66), ihrem Bruder Michael (61) und dessen Kindern Anne-Marieke (32), Barbara (24) und Laurens (21) vor dem Stolperstein am Neumarkt 31. „Hier praktizierte Dr. Hans Salomon Feldheim“ steht auf der kleinen Messingplatte, die der Künstler Gunter Demnig hier verlegt hat. Nach dem Pogrom vom 9. November 1938, als auch in Köln die Synagogen brannten, musste der jüdische Arzt seine Praxis aufgeben.

Auszuwandern gelang ihm nicht mehr. Er blieb in der Stadt, behandelte bis zuletzt Kranke in seiner Wohnung oder im Sammellager Müngersdorf. Als ihm 1944 die Deportation drohte und er keinen Ausweg mehr sah, wählte Dr. Salomon Feldheim den Freitod. Zusammen mit seiner Tochter Annelise Feldheim nahm er am 28. September 1944 in einem Kölner Park eine Überdosis Schlafmittel. Nur seine jüngere Tochter Helga, die 1939 zu Verwandten nach Amsterdam geflohen war, überlebte.

Jahrzehntelang hat Monika Samson, geborene Feldheim, nichts über das Schicksal ihres Großvaters erfahren. „Erst nach dem Tode meines Vaters hat meine Mutter Helga angefangen, mehr darüber zu reden und selbst zu recherchieren.“

Vor Jahren reiste sie erstmals mit ihrer Mutter auf Spurensuche nach Köln. Durch Dr. Barbara Becker-Jakli vom NS-Dokumentationszentrum erfuhren sie, dass der Arzt 1944 einen bewegenden Abschiedsbrief hinterlassen hatte. Nach dem Tode ihrer Mutter 2005 begann Monika, sich noch stärker mit dessen Geschichte zu beschäftigen. Es sei nicht leicht für sie gewesen, aber wichtig. „Die Wurzeln unserer Familie liegen hier.“ Sie sei überrascht gewesen, wie viel Neues sie in den letzten Jahren herausfinden konnte. Jetzt ist sie mit ihrer Familie nach Köln zurückgekehrt. „Wir wollten den Stolperstein sehen.“ Auch für die Urenkel wird die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte immer bedeutsamer. „Es war ein Schock, als ich vom Freitod meines Urgroßvaters erfuhr. Ich möchte so viel wie möglich über ihn wissen“, sagt Anne-Marieke.

„Wir beobachten, dass das Interesse der zweiten und dritten Generation, also der Enkel und Urenkel der verfolgten Juden, seit einigen Jahren stark zunimmt. Es gibt täglich Anfragen aus dem Ausland von Menschen, die etwas über ihre Kölner Vorfahren herausfinden wollen“, sagt Dr. Barbara Becker-Jakli. Sie fände es gut, wenn die Stadt auch für diese Generationen ein Besuchsprogramm ins Leben rufen würde. „Ein Empfang durch die Stadt und bei Bedarf finanzielle Unterstützung bei der Reise nach Köln wären eine wohltuende Geste für die Nachkommen der Opfer.“ Bitterkeit empfindet Monika Samson heute nicht mehr, wenn sie in Deutschland ist. „Die Deutschen stellen sich ihrer Geschichte, und das ist gut so.“

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